gen geschahen, wie noch Ludewigs des Teutschen drey Söhne das Teutsche Reich unter sich in drey Theile getheilet hatten. Ohne daß sich Spuhren eines darüber errichteten Grundgesetzes fänden, scheint aus den vier letzteren Regierungen, da Ar- nulf, Ludewig das Kind, Conrad der I. und Hen- rich der I. jeder nur alleine ganz Teutschland re- gierte, von selbsten unvermerkt ein solches Herkom- men sich gebildet zu haben, daß seitdem bis auf den heutigen Tag an keine weitere Vertheilung des Teutschen Reichs gedacht worden.
II.
Gleich damals drang Otto's jüngerer Bruder, Henrich, nicht sowohl auf eine Theilung, als viel- mehr darauf, daß ihm in der ganzen Thronfolge der Vorzug gebühre, weil damals, wie ihn sein Vater erzeuget, derselbe schon König, hingegen als Otto zur Welt kam, nur noch Herzog gewesen war. Diesen Vorzug ließ zwar die Nation nicht gelten. Man kann doch aber auch nicht behaup- ten, daß schon ein Recht der Erstgebuhrt in der Thronfolge anerkannt worden wäre. Es ergibt sich vielmehr aus der Folge, daß bey jeder Thronfolge, wenn sie gleich wieder nach der alten Fränkischen Staatsverfassung dem regierenden Stamme zugestanden ward, dennoch die Nation in Bestimmung der Person nicht ohne Einfluß blieb; daher es bald in Gang kam, daß meist jeder Va- ter noch bey seinen Lebzeiten seinem Sohne die Thronfolge gelegentlich zum voraus versichern ließ. Man kann das zwar noch nicht mit dem, was wir jetzt Römische Königswahl nennen, in völlige Gleichheit setzen. Aber beides steht doch unstrei- tig in einiger Beziehung auf einander. In Frank-
reich
II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
gen geſchahen, wie noch Ludewigs des Teutſchen drey Soͤhne das Teutſche Reich unter ſich in drey Theile getheilet hatten. Ohne daß ſich Spuhren eines daruͤber errichteten Grundgeſetzes faͤnden, ſcheint aus den vier letzteren Regierungen, da Ar- nulf, Ludewig das Kind, Conrad der I. und Hen- rich der I. jeder nur alleine ganz Teutſchland re- gierte, von ſelbſten unvermerkt ein ſolches Herkom- men ſich gebildet zu haben, daß ſeitdem bis auf den heutigen Tag an keine weitere Vertheilung des Teutſchen Reichs gedacht worden.
II.
Gleich damals drang Otto’s juͤngerer Bruder, Henrich, nicht ſowohl auf eine Theilung, als viel- mehr darauf, daß ihm in der ganzen Thronfolge der Vorzug gebuͤhre, weil damals, wie ihn ſein Vater erzeuget, derſelbe ſchon Koͤnig, hingegen als Otto zur Welt kam, nur noch Herzog geweſen war. Dieſen Vorzug ließ zwar die Nation nicht gelten. Man kann doch aber auch nicht behaup- ten, daß ſchon ein Recht der Erſtgebuhrt in der Thronfolge anerkannt worden waͤre. Es ergibt ſich vielmehr aus der Folge, daß bey jeder Thronfolge, wenn ſie gleich wieder nach der alten Fraͤnkiſchen Staatsverfaſſung dem regierenden Stamme zugeſtanden ward, dennoch die Nation in Beſtimmung der Perſon nicht ohne Einfluß blieb; daher es bald in Gang kam, daß meiſt jeder Va- ter noch bey ſeinen Lebzeiten ſeinem Sohne die Thronfolge gelegentlich zum voraus verſichern ließ. Man kann das zwar noch nicht mit dem, was wir jetzt Roͤmiſche Koͤnigswahl nennen, in voͤllige Gleichheit ſetzen. Aber beides ſteht doch unſtrei- tig in einiger Beziehung auf einander. In Frank-
reich
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II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
gen geſchahen, wie noch Ludewigs des Teutſchen
drey Soͤhne das Teutſche Reich unter ſich in drey
Theile getheilet hatten. Ohne daß ſich Spuhren
eines daruͤber errichteten Grundgeſetzes faͤnden,
ſcheint aus den vier letzteren Regierungen, da Ar-
nulf, Ludewig das Kind, Conrad der I. und Hen-
rich der I. jeder nur alleine ganz Teutſchland re-
gierte, von ſelbſten unvermerkt ein ſolches Herkom-
men ſich gebildet zu haben, daß ſeitdem bis auf
den heutigen Tag an keine weitere Vertheilung des
Teutſchen Reichs gedacht worden.
Gleich damals drang Otto’s juͤngerer Bruder,
Henrich, nicht ſowohl auf eine Theilung, als viel-
mehr darauf, daß ihm in der ganzen Thronfolge
der Vorzug gebuͤhre, weil damals, wie ihn ſein
Vater erzeuget, derſelbe ſchon Koͤnig, hingegen
als Otto zur Welt kam, nur noch Herzog geweſen
war. Dieſen Vorzug ließ zwar die Nation nicht
gelten. Man kann doch aber auch nicht behaup-
ten, daß ſchon ein Recht der Erſtgebuhrt in
der Thronfolge anerkannt worden waͤre. Es
ergibt ſich vielmehr aus der Folge, daß bey jeder
Thronfolge, wenn ſie gleich wieder nach der alten
Fraͤnkiſchen Staatsverfaſſung dem regierenden
Stamme zugeſtanden ward, dennoch die Nation
in Beſtimmung der Perſon nicht ohne Einfluß blieb;
daher es bald in Gang kam, daß meiſt jeder Va-
ter noch bey ſeinen Lebzeiten ſeinem Sohne die
Thronfolge gelegentlich zum voraus verſichern ließ.
Man kann das zwar noch nicht mit dem, was
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Gleichheit ſetzen. Aber beides ſteht doch unſtrei-
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/146>, abgerufen am 23.07.2024.
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