ren. Auch Schlüsse der Kirchenversammlungen wurden hier in solcher Gestalt geliefert, daß mit Weglaßungen oder Zusätzen und Einschiebungen ungefähr ein gleicher Sinn herauskam, wie er mit jenen Grundsätzen übereinstimmte. So hatte z. B. der 28. Canon einer Kirchenversammlung zu Car- thago verordnet: daß von den Africanischen Kir- chen nicht jenseits des Meeres appellirt werden sollte; hier ward aber der Zusatz beygefügt: es sey dann an den Stuhl zu Rom. Zu den Nicäi- schen Kirchenschlüssen waren gar 50. falsche Schlüsse hinzugedichtet. Anderen Stellen, worin die Pa- triarchen zu Alexandrien und Constantinopel den Römischen Bischöfen gleich gesetzt waren, wurde durch eine eingeflickte Verneinung ein ganz gegen- theiliger Sinn gegeben u. s. w.
XVII.
Wahrscheinlich war der Verfasser dieser Samm- lung ein Bischof oder ein Geistlicher von einer ge- ringern Stuffe, dem die damalige Kirchenzucht nicht anstand, da oft ein Erzbischof für sich alleine oder vollends mit Zuziehung seiner Suffraganbi- schöfe in Provincialsynoden über Bischöfe und an- dere geistliche Personen strenge Verfügungen erge- hen ließ, wowider keine Rettung und Hülfe zu finden war. Um dazu Rath zu schaffen, muß ihm kein besser Mittel geschienen haben, als den Römischen Bischof zum allgemeinen obersten Haupte der ganzen Christlichen Kirche zu machen, und dadurch den Weg zu bahnen, daß von allen bi- schöflichen und erzbischöflichen Aussprüchen nach Rom appellirt, oder auch jede andere Beschwer- de über Bischöfe und Erzbischöfe dort angebracht werden könnte. Die dahin führenden Behauptun-
gen
I. Alte Zeiten bis 888.
ren. Auch Schluͤſſe der Kirchenverſammlungen wurden hier in ſolcher Geſtalt geliefert, daß mit Weglaßungen oder Zuſaͤtzen und Einſchiebungen ungefaͤhr ein gleicher Sinn herauskam, wie er mit jenen Grundſaͤtzen uͤbereinſtimmte. So hatte z. B. der 28. Canon einer Kirchenverſammlung zu Car- thago verordnet: daß von den Africaniſchen Kir- chen nicht jenſeits des Meeres appellirt werden ſollte; hier ward aber der Zuſatz beygefuͤgt: es ſey dann an den Stuhl zu Rom. Zu den Nicaͤi- ſchen Kirchenſchluͤſſen waren gar 50. falſche Schluͤſſe hinzugedichtet. Anderen Stellen, worin die Pa- triarchen zu Alexandrien und Conſtantinopel den Roͤmiſchen Biſchoͤfen gleich geſetzt waren, wurde durch eine eingeflickte Verneinung ein ganz gegen- theiliger Sinn gegeben u. ſ. w.
XVII.
Wahrſcheinlich war der Verfaſſer dieſer Samm- lung ein Biſchof oder ein Geiſtlicher von einer ge- ringern Stuffe, dem die damalige Kirchenzucht nicht anſtand, da oft ein Erzbiſchof fuͤr ſich alleine oder vollends mit Zuziehung ſeiner Suffraganbi- ſchoͤfe in Provincialſynoden uͤber Biſchoͤfe und an- dere geiſtliche Perſonen ſtrenge Verfuͤgungen erge- hen ließ, wowider keine Rettung und Huͤlfe zu finden war. Um dazu Rath zu ſchaffen, muß ihm kein beſſer Mittel geſchienen haben, als den Roͤmiſchen Biſchof zum allgemeinen oberſten Haupte der ganzen Chriſtlichen Kirche zu machen, und dadurch den Weg zu bahnen, daß von allen bi- ſchoͤflichen und erzbiſchoͤflichen Ausſpruͤchen nach Rom appellirt, oder auch jede andere Beſchwer- de uͤber Biſchoͤfe und Erzbiſchoͤfe dort angebracht werden koͤnnte. Die dahin fuͤhrenden Behauptun-
gen
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I. Alte Zeiten bis 888.
ren. Auch Schluͤſſe der Kirchenverſammlungen
wurden hier in ſolcher Geſtalt geliefert, daß mit
Weglaßungen oder Zuſaͤtzen und Einſchiebungen
ungefaͤhr ein gleicher Sinn herauskam, wie er mit
jenen Grundſaͤtzen uͤbereinſtimmte. So hatte z. B.
der 28. Canon einer Kirchenverſammlung zu Car-
thago verordnet: daß von den Africaniſchen Kir-
chen nicht jenſeits des Meeres appellirt werden
ſollte; hier ward aber der Zuſatz beygefuͤgt: es ſey
dann an den Stuhl zu Rom. Zu den Nicaͤi-
ſchen Kirchenſchluͤſſen waren gar 50. falſche Schluͤſſe
hinzugedichtet. Anderen Stellen, worin die Pa-
triarchen zu Alexandrien und Conſtantinopel den
Roͤmiſchen Biſchoͤfen gleich geſetzt waren, wurde
durch eine eingeflickte Verneinung ein ganz gegen-
theiliger Sinn gegeben u. ſ. w.
Wahrſcheinlich war der Verfaſſer dieſer Samm-
lung ein Biſchof oder ein Geiſtlicher von einer ge-
ringern Stuffe, dem die damalige Kirchenzucht
nicht anſtand, da oft ein Erzbiſchof fuͤr ſich alleine
oder vollends mit Zuziehung ſeiner Suffraganbi-
ſchoͤfe in Provincialſynoden uͤber Biſchoͤfe und an-
dere geiſtliche Perſonen ſtrenge Verfuͤgungen erge-
hen ließ, wowider keine Rettung und Huͤlfe zu
finden war. Um dazu Rath zu ſchaffen, muß
ihm kein beſſer Mittel geſchienen haben, als den
Roͤmiſchen Biſchof zum allgemeinen oberſten Haupte
der ganzen Chriſtlichen Kirche zu machen, und
dadurch den Weg zu bahnen, daß von allen bi-
ſchoͤflichen und erzbiſchoͤflichen Ausſpruͤchen nach
Rom appellirt, oder auch jede andere Beſchwer-
de uͤber Biſchoͤfe und Erzbiſchoͤfe dort angebracht
werden koͤnnte. Die dahin fuͤhrenden Behauptun-
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/124>, abgerufen am 24.07.2024.
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