ten konnten, als es ihre Bestimmung zur höchsten Nothdurft erforderte. Und doch trug der Vorzug, den sie dadurch vor anderen ganz unwissenden erhielten, nicht wenig dazu bey, daß das Ueber- gewicht des geistlichen Standes über den weltli- chen von dieser Zeit an noch ganz außerordentlich zunahm.
XV.
Ein Umstand, der gleich damals, aber noch ungleich mehr, und in der That ganz über alle Erwartung in der Folge mit dazu wirkte, bestand in einem Buche, das in seiner Art gewiß das ein- zige ist. Schon seit mehreren Jahrhunderten hat- ten ein und andere Gelehrte sich angelegen seyn laßen, Schlüsse älterer Kirchenversammlungen und zum Theil auch Briefe Römischer Bischöfe in eig- nen Büchern zu sammlen. Ein gewisser Diony- sius Exiguus zu Rom hatte ums Jahr 526. in einer solchen Sammlung Briefe vom Pabste Siri- cius bis auf den Pabst Anastasius vom Jahre 385. an bis zum Jahre 498. geliefert. Eine ähnliche Sammlung hatte in Spanien der Bischof Isidor von Sevilla (+ 636.) veranstaltet; ein Mann, der sich durch seine Gelehrsamkeit und Verdienste einen großen Ruhm erworben hatte. Diesen Namen mißbrauchte um diese Zeit (wahrscheinlich um die Mitte des neunten Jahrhunderts) ein Betrüger, um eine von ihm geschmiedete Sammlung in Um- lauf zu bringen, worin Briefe Römischer Bischöfe nicht erst von 385. an, sondern schon vom Jahre 93. her enthalten seyn sollten. Deren Inhalt gieng hauptsächlich dahin, daß der Römische Bi- schof des Apostel Peters Nachfolger sey; daß auf
ihm
I. Alte Zeiten bis 888.
ten konnten, als es ihre Beſtimmung zur hoͤchſten Nothdurft erforderte. Und doch trug der Vorzug, den ſie dadurch vor anderen ganz unwiſſenden erhielten, nicht wenig dazu bey, daß das Ueber- gewicht des geiſtlichen Standes uͤber den weltli- chen von dieſer Zeit an noch ganz außerordentlich zunahm.
XV.
Ein Umſtand, der gleich damals, aber noch ungleich mehr, und in der That ganz uͤber alle Erwartung in der Folge mit dazu wirkte, beſtand in einem Buche, das in ſeiner Art gewiß das ein- zige iſt. Schon ſeit mehreren Jahrhunderten hat- ten ein und andere Gelehrte ſich angelegen ſeyn laßen, Schluͤſſe aͤlterer Kirchenverſammlungen und zum Theil auch Briefe Roͤmiſcher Biſchoͤfe in eig- nen Buͤchern zu ſammlen. Ein gewiſſer Diony- ſius Exiguus zu Rom hatte ums Jahr 526. in einer ſolchen Sammlung Briefe vom Pabſte Siri- cius bis auf den Pabſt Anaſtaſius vom Jahre 385. an bis zum Jahre 498. geliefert. Eine aͤhnliche Sammlung hatte in Spanien der Biſchof Iſidor von Sevilla († 636.) veranſtaltet; ein Mann, der ſich durch ſeine Gelehrſamkeit und Verdienſte einen großen Ruhm erworben hatte. Dieſen Namen mißbrauchte um dieſe Zeit (wahrſcheinlich um die Mitte des neunten Jahrhunderts) ein Betruͤger, um eine von ihm geſchmiedete Sammlung in Um- lauf zu bringen, worin Briefe Roͤmiſcher Biſchoͤfe nicht erſt von 385. an, ſondern ſchon vom Jahre 93. her enthalten ſeyn ſollten. Deren Inhalt gieng hauptſaͤchlich dahin, daß der Roͤmiſche Bi- ſchof des Apoſtel Peters Nachfolger ſey; daß auf
ihm
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I. Alte Zeiten bis 888.
ten konnten, als es ihre Beſtimmung zur hoͤchſten
Nothdurft erforderte. Und doch trug der Vorzug,
den ſie dadurch vor anderen ganz unwiſſenden
erhielten, nicht wenig dazu bey, daß das Ueber-
gewicht des geiſtlichen Standes uͤber den weltli-
chen von dieſer Zeit an noch ganz außerordentlich
zunahm.
Ein Umſtand, der gleich damals, aber noch
ungleich mehr, und in der That ganz uͤber alle
Erwartung in der Folge mit dazu wirkte, beſtand
in einem Buche, das in ſeiner Art gewiß das ein-
zige iſt. Schon ſeit mehreren Jahrhunderten hat-
ten ein und andere Gelehrte ſich angelegen ſeyn
laßen, Schluͤſſe aͤlterer Kirchenverſammlungen und
zum Theil auch Briefe Roͤmiſcher Biſchoͤfe in eig-
nen Buͤchern zu ſammlen. Ein gewiſſer Diony-
ſius Exiguus zu Rom hatte ums Jahr 526. in
einer ſolchen Sammlung Briefe vom Pabſte Siri-
cius bis auf den Pabſt Anaſtaſius vom Jahre 385.
an bis zum Jahre 498. geliefert. Eine aͤhnliche
Sammlung hatte in Spanien der Biſchof Iſidor
von Sevilla († 636.) veranſtaltet; ein Mann, der
ſich durch ſeine Gelehrſamkeit und Verdienſte einen
großen Ruhm erworben hatte. Dieſen Namen
mißbrauchte um dieſe Zeit (wahrſcheinlich um die
Mitte des neunten Jahrhunderts) ein Betruͤger,
um eine von ihm geſchmiedete Sammlung in Um-
lauf zu bringen, worin Briefe Roͤmiſcher Biſchoͤfe
nicht erſt von 385. an, ſondern ſchon vom Jahre
93. her enthalten ſeyn ſollten. Deren Inhalt
gieng hauptſaͤchlich dahin, daß der Roͤmiſche Bi-
ſchof des Apoſtel Peters Nachfolger ſey; daß auf
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/122>, abgerufen am 24.11.2024.
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