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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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ten Cranologen, der unentgeltlich, um seine eignen
Kenntnisse zu bereichern, alle Tage der Woche zu ge-
wissen Stunden Audienz ertheilt, und jedem die ge-
wünschte Auskunft giebt. Er untersucht den Schä-
del sorgfältig und macht gefällig mit dem Resultat
bekannt.

Voller Neugierde besuchte ich ihn diesen Morgen,
und fand sein Empfangzimmer, in welchem eine merk-
würdige Sammlung aller Arten von Schädeln auf-
gestellt war, mit mehrern Damen und Herren ange-
füllt, die theils ihre Kinder zum Behufe fernerer Er-
ziehung untersuchen ließen, theils, vielleicht Aemter
suchend, oder schon im Besitze derselben, sich erkundig-
ten, ob sie sie wohl auch verwalten könnten? Ein
einfacher, ernster und blasser Mann verrichtete dies
Geschäft mit sichtlichem Wohlwollen und Vergnügen.
Ich wartete, bis alle Uebrigen weg waren, und bat
nun Herrn Deville, mir eine besondere gütige Berück-
sichtigung zu schenken, da es zwar zur Erziehung lei-
der zu spät bei mir sey, ich auch kein Amt habe, aber
sehr wünsche, eine solche Charakteristik von ihm zu ver-
nehmen, die ich mir, zu noch thunlicher Vervollkomm-
nung, gleich einem Spiegel vorhalten könne. Er sah
mich sehr aufmerksam an, vielleicht um zuerst auf
Lavater'schem Wege zu erspähen, ob ich de bonne foi
oder als Schalk hier aufträte, und bat mich dann höf-
lich, Platz zu nehmen. Er befühlte hierauf meinen
Kopf wohl eine gute Viertelstunde lang, wonach er
in abgebrochenen Sätzen folgendes Portrait von mir
entwarf, das Dich, die mich so genau kennt, gewiß

ten Cranologen, der unentgeltlich, um ſeine eignen
Kenntniſſe zu bereichern, alle Tage der Woche zu ge-
wiſſen Stunden Audienz ertheilt, und jedem die ge-
wünſchte Auskunft giebt. Er unterſucht den Schä-
del ſorgfältig und macht gefällig mit dem Reſultat
bekannt.

Voller Neugierde beſuchte ich ihn dieſen Morgen,
und fand ſein Empfangzimmer, in welchem eine merk-
würdige Sammlung aller Arten von Schädeln auf-
geſtellt war, mit mehrern Damen und Herren ange-
füllt, die theils ihre Kinder zum Behufe fernerer Er-
ziehung unterſuchen ließen, theils, vielleicht Aemter
ſuchend, oder ſchon im Beſitze derſelben, ſich erkundig-
ten, ob ſie ſie wohl auch verwalten könnten? Ein
einfacher, ernſter und blaſſer Mann verrichtete dies
Geſchäft mit ſichtlichem Wohlwollen und Vergnügen.
Ich wartete, bis alle Uebrigen weg waren, und bat
nun Herrn Deville, mir eine beſondere gütige Berück-
ſichtigung zu ſchenken, da es zwar zur Erziehung lei-
der zu ſpät bei mir ſey, ich auch kein Amt habe, aber
ſehr wünſche, eine ſolche Charakteriſtik von ihm zu ver-
nehmen, die ich mir, zu noch thunlicher Vervollkomm-
nung, gleich einem Spiegel vorhalten könne. Er ſah
mich ſehr aufmerkſam an, vielleicht um zuerſt auf
Lavater’ſchem Wege zu erſpähen, ob ich de bonne foi
oder als Schalk hier aufträte, und bat mich dann höf-
lich, Platz zu nehmen. Er befühlte hierauf meinen
Kopf wohl eine gute Viertelſtunde lang, wonach er
in abgebrochenen Sätzen folgendes Portrait von mir
entwarf, das Dich, die mich ſo genau kennt, gewiß

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[80/0096] ten Cranologen, der unentgeltlich, um ſeine eignen Kenntniſſe zu bereichern, alle Tage der Woche zu ge- wiſſen Stunden Audienz ertheilt, und jedem die ge- wünſchte Auskunft giebt. Er unterſucht den Schä- del ſorgfältig und macht gefällig mit dem Reſultat bekannt. Voller Neugierde beſuchte ich ihn dieſen Morgen, und fand ſein Empfangzimmer, in welchem eine merk- würdige Sammlung aller Arten von Schädeln auf- geſtellt war, mit mehrern Damen und Herren ange- füllt, die theils ihre Kinder zum Behufe fernerer Er- ziehung unterſuchen ließen, theils, vielleicht Aemter ſuchend, oder ſchon im Beſitze derſelben, ſich erkundig- ten, ob ſie ſie wohl auch verwalten könnten? Ein einfacher, ernſter und blaſſer Mann verrichtete dies Geſchäft mit ſichtlichem Wohlwollen und Vergnügen. Ich wartete, bis alle Uebrigen weg waren, und bat nun Herrn Deville, mir eine beſondere gütige Berück- ſichtigung zu ſchenken, da es zwar zur Erziehung lei- der zu ſpät bei mir ſey, ich auch kein Amt habe, aber ſehr wünſche, eine ſolche Charakteriſtik von ihm zu ver- nehmen, die ich mir, zu noch thunlicher Vervollkomm- nung, gleich einem Spiegel vorhalten könne. Er ſah mich ſehr aufmerkſam an, vielleicht um zuerſt auf Lavater’ſchem Wege zu erſpähen, ob ich de bonne foi oder als Schalk hier aufträte, und bat mich dann höf- lich, Platz zu nehmen. Er befühlte hierauf meinen Kopf wohl eine gute Viertelſtunde lang, wonach er in abgebrochenen Sätzen folgendes Portrait von mir entwarf, das Dich, die mich ſo genau kennt, gewiß

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/96>, abgerufen am 27.11.2024.