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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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ein Haus, dessen vielfache Vorsprünge, zu verschiede-
nen Zeiten gebaut, und da und dort durch Gebüsch
versteckt, nirgends erlaubten, seine ganze Form auf
einmal ins Auge zu fassen. Eine gallerieartige Ro-
senlaube, von hundert Blumen strotzend, führte di-
rekt in das Vorzimmer, und durch einige andere
Piecen und einen Corridor gelangten wir dann in
den Eßsaal, wo schon eine reiche Tafel gedeckt stand,
aber immer noch kein Mensch zu erblicken war. Hier
lag die Gartenseite vor uns, ein wahres Paradies,
von der Abendsonne reich beleuchtet. Am ganzen
Hause entlang, bald vorspringend, bald zurücktretend,
wechselten Verandas von verschiedenen Formen und
mit verschiedenen blühenden Gewächsen berankt, mit
einander ab, und dienten dem buntesten Blumengar-
ten zur Bordure, der den Abhang des Hügels durch-
aus bedeckte. An ihn schloß sich ein tiefes und schma-
les Wiesenthal, hinter dem sich das Terrain wieder
zu einem höheren Bergrücken erhob, dessen Abhang
mit uralten Buchen besetzt war. Am Ende des Tha-
les links schloß Wasser die nächste Aussicht. In der
Ferne sahen wir über den Baumkronen den round
tower
(runden Thurm) von Windsor Castle mit der
darauf gepflanzten kolossalen königlichen Fahne, in
die blaue Luft emporsteigen. Er allein erinnerte in
dieser Einsamkeit daran, daß hier nicht bloß die Na-
tur und eine wohlthätige Fee walte, sondern auch
Menschen mit ihrer Freude, ihrer Noth und ihrem
Glanz sich hier angesiedelt! Wie ein Leuchtthurm
des Ehrgeizes schaute er auf die friedliche Hütte herab,

ein Haus, deſſen vielfache Vorſprünge, zu verſchiede-
nen Zeiten gebaut, und da und dort durch Gebüſch
verſteckt, nirgends erlaubten, ſeine ganze Form auf
einmal ins Auge zu faſſen. Eine gallerieartige Ro-
ſenlaube, von hundert Blumen ſtrotzend, führte di-
rekt in das Vorzimmer, und durch einige andere
Pieçen und einen Corridor gelangten wir dann in
den Eßſaal, wo ſchon eine reiche Tafel gedeckt ſtand,
aber immer noch kein Menſch zu erblicken war. Hier
lag die Gartenſeite vor uns, ein wahres Paradies,
von der Abendſonne reich beleuchtet. Am ganzen
Hauſe entlang, bald vorſpringend, bald zurücktretend,
wechſelten Verandas von verſchiedenen Formen und
mit verſchiedenen blühenden Gewächſen berankt, mit
einander ab, und dienten dem bunteſten Blumengar-
ten zur Bordure, der den Abhang des Hügels durch-
aus bedeckte. An ihn ſchloß ſich ein tiefes und ſchma-
les Wieſenthal, hinter dem ſich das Terrain wieder
zu einem höheren Bergrücken erhob, deſſen Abhang
mit uralten Buchen beſetzt war. Am Ende des Tha-
les links ſchloß Waſſer die nächſte Ausſicht. In der
Ferne ſahen wir über den Baumkronen den round
tower
(runden Thurm) von Windſor Caſtle mit der
darauf gepflanzten koloſſalen königlichen Fahne, in
die blaue Luft emporſteigen. Er allein erinnerte in
dieſer Einſamkeit daran, daß hier nicht bloß die Na-
tur und eine wohlthätige Fee walte, ſondern auch
Menſchen mit ihrer Freude, ihrer Noth und ihrem
Glanz ſich hier angeſiedelt! Wie ein Leuchtthurm
des Ehrgeizes ſchaute er auf die friedliche Hütte herab,

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[53/0069] ein Haus, deſſen vielfache Vorſprünge, zu verſchiede- nen Zeiten gebaut, und da und dort durch Gebüſch verſteckt, nirgends erlaubten, ſeine ganze Form auf einmal ins Auge zu faſſen. Eine gallerieartige Ro- ſenlaube, von hundert Blumen ſtrotzend, führte di- rekt in das Vorzimmer, und durch einige andere Pieçen und einen Corridor gelangten wir dann in den Eßſaal, wo ſchon eine reiche Tafel gedeckt ſtand, aber immer noch kein Menſch zu erblicken war. Hier lag die Gartenſeite vor uns, ein wahres Paradies, von der Abendſonne reich beleuchtet. Am ganzen Hauſe entlang, bald vorſpringend, bald zurücktretend, wechſelten Verandas von verſchiedenen Formen und mit verſchiedenen blühenden Gewächſen berankt, mit einander ab, und dienten dem bunteſten Blumengar- ten zur Bordure, der den Abhang des Hügels durch- aus bedeckte. An ihn ſchloß ſich ein tiefes und ſchma- les Wieſenthal, hinter dem ſich das Terrain wieder zu einem höheren Bergrücken erhob, deſſen Abhang mit uralten Buchen beſetzt war. Am Ende des Tha- les links ſchloß Waſſer die nächſte Ausſicht. In der Ferne ſahen wir über den Baumkronen den round tower (runden Thurm) von Windſor Caſtle mit der darauf gepflanzten koloſſalen königlichen Fahne, in die blaue Luft emporſteigen. Er allein erinnerte in dieſer Einſamkeit daran, daß hier nicht bloß die Na- tur und eine wohlthätige Fee walte, ſondern auch Menſchen mit ihrer Freude, ihrer Noth und ihrem Glanz ſich hier angeſiedelt! Wie ein Leuchtthurm des Ehrgeizes ſchaute er auf die friedliche Hütte herab,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/69>, abgerufen am 24.11.2024.