Perlen, Feder und Tinte, Bücher, Briefe, Spielsa- chen und Petschaften lagen vor ihr mit einer ange- fangenen Börse. Unter den Petschaften waren zwei Inschriften pikant durch ihren Contrast; die eine, von Lord Byron, sagt in zwei schönen Strophen:
Love will find its way Where wolves would fear to stray.
Liebe wird den Weg erspähn, Wo der Wolf sich scheut zu gehn.
Die andere Inschrift sagt mit ächt französischer Philosophie: Tout lasse, tout casse, tout passe! Außerdem war nichts häufiger im Hause als Por- traite des Kaisers Alexander in allen Größen, der in W... der Marquise die Cour gemacht, und dessen Conterfey die Dankbarkeit daher so sehr vervielfältigt. Ihr Mann war dort Gesandter, und gebrauchte seine englische Prärogative im vollen Maße. Einmal borte er mit einem Fiaker, ein andermal präsentirte er die Erzherzogin, und wenn ich nicht irre, gar die Mo- narchin selbst seiner Frau, statt umgekehrt, dann lief er in die Küche, seinen Koch zu erstechen, weil dieser seine Frau beleidigt, enfin il faisait la pluie et le beau tems a V.... ou plaustot l'orage et la grele.
Denke nun, wie desappointirt die arme Dame, welche so lange auf dem Continent regierte, jetzt seyn muß, hier malgre ses Diamans, son rang et sa jo- lie mine, nicht recht fashionable werden zu können! Aber dieser Mode-Aristokratie ist schwerer beizukom- men, als dem obersten Grade der Freimaurer, und
Perlen, Feder und Tinte, Bücher, Briefe, Spielſa- chen und Petſchaften lagen vor ihr mit einer ange- fangenen Börſe. Unter den Petſchaften waren zwei Inſchriften pikant durch ihren Contraſt; die eine, von Lord Byron, ſagt in zwei ſchönen Strophen:
Love will find its way Where wolves would fear to stray.
Liebe wird den Weg erſpähn, Wo der Wolf ſich ſcheut zu gehn.
Die andere Inſchrift ſagt mit ächt franzöſiſcher Philoſophie: Tout lasse, tout casse, tout passe! Außerdem war nichts häufiger im Hauſe als Por- traite des Kaiſers Alexander in allen Größen, der in W… der Marquiſe die Cour gemacht, und deſſen Conterfey die Dankbarkeit daher ſo ſehr vervielfältigt. Ihr Mann war dort Geſandter, und gebrauchte ſeine engliſche Prärogative im vollen Maße. Einmal borte er mit einem Fiaker, ein andermal präſentirte er die Erzherzogin, und wenn ich nicht irre, gar die Mo- narchin ſelbſt ſeiner Frau, ſtatt umgekehrt, dann lief er in die Küche, ſeinen Koch zu erſtechen, weil dieſer ſeine Frau beleidigt, enfin il faisait la pluie et le beau tems à V.... ou plûstot l’orage et la grêle.
Denke nun, wie desappointirt die arme Dame, welche ſo lange auf dem Continent regierte, jetzt ſeyn muß, hier malgré ses Diamans, son rang et sa jo- lie mine, nicht recht faſhionable werden zu können! Aber dieſer Mode-Ariſtokratie iſt ſchwerer beizukom- men, als dem oberſten Grade der Freimaurer, und
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Perlen, Feder und Tinte, Bücher, Briefe, Spielſa-
chen und Petſchaften lagen vor ihr mit einer ange-
fangenen Börſe. Unter den Petſchaften waren zwei
Inſchriften pikant durch ihren Contraſt; die eine,
von Lord Byron, ſagt in zwei ſchönen Strophen:
Love will find its way
Where wolves would fear to stray.
Liebe wird den Weg erſpähn,
Wo der Wolf ſich ſcheut zu gehn.
Die andere Inſchrift ſagt mit ächt franzöſiſcher
Philoſophie: Tout lasse, tout casse, tout passe!
Außerdem war nichts häufiger im Hauſe als Por-
traite des Kaiſers Alexander in allen Größen, der
in W… der Marquiſe die Cour gemacht, und deſſen
Conterfey die Dankbarkeit daher ſo ſehr vervielfältigt.
Ihr Mann war dort Geſandter, und gebrauchte ſeine
engliſche Prärogative im vollen Maße. Einmal borte
er mit einem Fiaker, ein andermal präſentirte er die
Erzherzogin, und wenn ich nicht irre, gar die Mo-
narchin ſelbſt ſeiner Frau, ſtatt umgekehrt, dann lief
er in die Küche, ſeinen Koch zu erſtechen, weil dieſer
ſeine Frau beleidigt, enfin il faisait la pluie et le
beau tems à V.... ou plûstot l’orage et la grêle.
Denke nun, wie desappointirt die arme Dame,
welche ſo lange auf dem Continent regierte, jetzt ſeyn
muß, hier malgré ses Diamans, son rang et sa jo-
lie mine, nicht recht faſhionable werden zu können!
Aber dieſer Mode-Ariſtokratie iſt ſchwerer beizukom-
men, als dem oberſten Grade der Freimaurer, und
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/55>, abgerufen am 24.11.2024.
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