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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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Dabei zog sie ein Fläschchen Opium oder Blausäure
aus ihrem Busen, und versicherte, daß sie diese noch
vor Nacht auszuleeren entschlossen sey, bis dahin
aber sich betäuben wolle so gut es gehe.

Ich war nicht wenig erstaunt über ein so uner-
wartetes propos, suchte indeß die schluchzende Schöne
so gut ich konnte zu beruhigen, warf das Giftfläsch-
chen zum Fenster hinaus, und äußerte die Hoffnung,
daß die heitre Fete, die Gesellschaft, die freie Luft, der
Beifall, den ihre hübsche Toilette einerndten müsse,
gewiß dieser thörichten, aufgeregten Stimmung schnell
Herr werden würden.

Obgleich ich ihre näheren Verhältnisse nicht kannte,
so war doch nicht schwer zu errathen, daß eine un-
glückliche Liebe im Spiel seyn mußte, der einzige
Grund, aus welchen Weiber sich das Leben zu neh-
men pflegen, und da ich ähnlichen Schmerz auch in
meinem Leben empfunden habe, so gestehe ich, daß
sie mir sehr leid that, und ich ihre Aeußerungen, wenn
auch übertrieben, doch nicht ganz für leere Affekta-
tion hielt.

Unterdessen war mein Wagen gekommen, und wir
stiegen ein, indem sie nochmals wiederholte, sie dränge
sich blos zu dieser Zerstreuung, weil sie die Marter
der Einsamkeit nicht länger zu ertragen vermöge.

Während der Fahrt kam es denn zu einer voll-
ständigen Confidence, die ich übergehe, denn es war das
alte Lied von Liebesleiden und Freuden, was der
Mensch eben so sicher in jeder Generation wieder-
singt, als Nachtigall und Zeisig die ihrigen.

Dabei zog ſie ein Fläſchchen Opium oder Blauſäure
aus ihrem Buſen, und verſicherte, daß ſie dieſe noch
vor Nacht auszuleeren entſchloſſen ſey, bis dahin
aber ſich betäuben wolle ſo gut es gehe.

Ich war nicht wenig erſtaunt über ein ſo uner-
wartetes propos, ſuchte indeß die ſchluchzende Schöne
ſo gut ich konnte zu beruhigen, warf das Giftfläſch-
chen zum Fenſter hinaus, und äußerte die Hoffnung,
daß die heitre Fete, die Geſellſchaft, die freie Luft, der
Beifall, den ihre hübſche Toilette einerndten müſſe,
gewiß dieſer thörichten, aufgeregten Stimmung ſchnell
Herr werden würden.

Obgleich ich ihre näheren Verhältniſſe nicht kannte,
ſo war doch nicht ſchwer zu errathen, daß eine un-
glückliche Liebe im Spiel ſeyn mußte, der einzige
Grund, aus welchen Weiber ſich das Leben zu neh-
men pflegen, und da ich ähnlichen Schmerz auch in
meinem Leben empfunden habe, ſo geſtehe ich, daß
ſie mir ſehr leid that, und ich ihre Aeußerungen, wenn
auch übertrieben, doch nicht ganz für leere Affekta-
tion hielt.

Unterdeſſen war mein Wagen gekommen, und wir
ſtiegen ein, indem ſie nochmals wiederholte, ſie dränge
ſich blos zu dieſer Zerſtreuung, weil ſie die Marter
der Einſamkeit nicht länger zu ertragen vermöge.

Während der Fahrt kam es denn zu einer voll-
ſtändigen Confidence, die ich übergehe, denn es war das
alte Lied von Liebesleiden und Freuden, was der
Menſch eben ſo ſicher in jeder Generation wieder-
ſingt, als Nachtigall und Zeiſig die ihrigen.

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[418/0438] Dabei zog ſie ein Fläſchchen Opium oder Blauſäure aus ihrem Buſen, und verſicherte, daß ſie dieſe noch vor Nacht auszuleeren entſchloſſen ſey, bis dahin aber ſich betäuben wolle ſo gut es gehe. Ich war nicht wenig erſtaunt über ein ſo uner- wartetes propos, ſuchte indeß die ſchluchzende Schöne ſo gut ich konnte zu beruhigen, warf das Giftfläſch- chen zum Fenſter hinaus, und äußerte die Hoffnung, daß die heitre Fete, die Geſellſchaft, die freie Luft, der Beifall, den ihre hübſche Toilette einerndten müſſe, gewiß dieſer thörichten, aufgeregten Stimmung ſchnell Herr werden würden. Obgleich ich ihre näheren Verhältniſſe nicht kannte, ſo war doch nicht ſchwer zu errathen, daß eine un- glückliche Liebe im Spiel ſeyn mußte, der einzige Grund, aus welchen Weiber ſich das Leben zu neh- men pflegen, und da ich ähnlichen Schmerz auch in meinem Leben empfunden habe, ſo geſtehe ich, daß ſie mir ſehr leid that, und ich ihre Aeußerungen, wenn auch übertrieben, doch nicht ganz für leere Affekta- tion hielt. Unterdeſſen war mein Wagen gekommen, und wir ſtiegen ein, indem ſie nochmals wiederholte, ſie dränge ſich blos zu dieſer Zerſtreuung, weil ſie die Marter der Einſamkeit nicht länger zu ertragen vermöge. Während der Fahrt kam es denn zu einer voll- ſtändigen Confidence, die ich übergehe, denn es war das alte Lied von Liebesleiden und Freuden, was der Menſch eben ſo ſicher in jeder Generation wieder- ſingt, als Nachtigall und Zeiſig die ihrigen.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/438>, abgerufen am 24.11.2024.