belacht und verachtet, wie es in keinem andern Lan- de der Fall mehr ist, wo man sich solcher Gesinnun- gen wenigstens schämt, wenn man sie hat. "We are a selfish people, sagt ein beliebter Modeschrift- steller, I confess, and I do believe that what in other countries is called "amor patriae" is amongst us, nothing but, a huge conglomeration of love of ourselves; but I am glad of it; I like sel- fishness; there's good sense in it" und ferner, nicht etwa satyrisch, sondern ganz ernsthaft eifrig ge- meint:
"Good nature is quite mauvais ton in London, and really it is a bad style to take up, and will never do."
Freilich, wenn man jedes Gefühl auf das spitz- findigste analysiren und verfolgen will, so wird man vielleicht immer eine Art von Egoismus im tiefsten Grunde entdecken, aber eine edle Scham wirft eben deßhalb bei allen andern Nationen einen Schleier dar- über, wie auch der Geschlechtstrieb etwas sehr Na- türliches und Wahres ist, und dennoch, auch vom Rohsten, verborgen wird.
Hier schämt man sich aber der crassesten Eigen- liebe so wenig, daß mich ein vornehmer Engländer einmal belehrte, ein guter foxhunter müsse sich durch nichts in der Verfolgung des Fuchses irre machen lassen, und wenn sein Vater vor ihm, über eine Bar- riere gestürzt, da läge, so würde er "if he could'nt help it" mit seinem Pferde unbedenklich über oder
belacht und verachtet, wie es in keinem andern Lan- de der Fall mehr iſt, wo man ſich ſolcher Geſinnun- gen wenigſtens ſchämt, wenn man ſie hat. „We are a selfish people, ſagt ein beliebter Modeſchrift- ſteller, I confess, and I do believe that what in other countries is called „amor patriae“ is amongst us, nothing but, a huge conglomeration of love of ourselves; but I am glad of it; I like sel- fishness; there’s good sense in it“ und ferner, nicht etwa ſatyriſch, ſondern ganz ernſthaft eifrig ge- meint:
„Good nature is quite mauvais ton in London, and really it is a bad style to take up, and will never do.“
Freilich, wenn man jedes Gefühl auf das ſpitz- findigſte analyſiren und verfolgen will, ſo wird man vielleicht immer eine Art von Egoismus im tiefſten Grunde entdecken, aber eine edle Scham wirft eben deßhalb bei allen andern Nationen einen Schleier dar- über, wie auch der Geſchlechtstrieb etwas ſehr Na- türliches und Wahres iſt, und dennoch, auch vom Rohſten, verborgen wird.
Hier ſchämt man ſich aber der craſſeſten Eigen- liebe ſo wenig, daß mich ein vornehmer Engländer einmal belehrte, ein guter foxhunter müſſe ſich durch nichts in der Verfolgung des Fuchſes irre machen laſſen, und wenn ſein Vater vor ihm, über eine Bar- riere geſtürzt, da läge, ſo würde er „if he could’nt help it“ mit ſeinem Pferde unbedenklich über oder
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belacht und verachtet, wie es in keinem andern Lan-
de der Fall mehr iſt, wo man ſich ſolcher Geſinnun-
gen wenigſtens ſchämt, wenn man ſie hat. „We
are a selfish people, ſagt ein beliebter Modeſchrift-
ſteller, I confess, and I do believe that what in
other countries is called „amor patriae“ is amongst
us, nothing but, a huge conglomeration of love of
ourselves; but I am glad of it; I like sel-
fishness; there’s good sense in it“ und ferner,
nicht etwa ſatyriſch, ſondern ganz ernſthaft eifrig ge-
meint:
„Good nature is quite mauvais ton in London,
and really it is a bad style to take up, and will
never do.“
Freilich, wenn man jedes Gefühl auf das ſpitz-
findigſte analyſiren und verfolgen will, ſo wird man
vielleicht immer eine Art von Egoismus im tiefſten
Grunde entdecken, aber eine edle Scham wirft eben
deßhalb bei allen andern Nationen einen Schleier dar-
über, wie auch der Geſchlechtstrieb etwas ſehr Na-
türliches und Wahres iſt, und dennoch, auch vom
Rohſten, verborgen wird.
Hier ſchämt man ſich aber der craſſeſten Eigen-
liebe ſo wenig, daß mich ein vornehmer Engländer
einmal belehrte, ein guter foxhunter müſſe ſich durch
nichts in der Verfolgung des Fuchſes irre machen
laſſen, und wenn ſein Vater vor ihm, über eine Bar-
riere geſtürzt, da läge, ſo würde er „if he could’nt
help it“ mit ſeinem Pferde unbedenklich über oder
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/420>, abgerufen am 24.11.2024.
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