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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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Am folgenden Tage wurde abermals, und zwar
diesmal in Gesellschaft der Damen, ausgeritten, und
später, nach dem Luncheon, eine Wasserfahrt auf
Lord D . . . . s eleganter Jacht gemacht. Bis zur
Themse fuhr ich die Gesellschaft four in hand, was
ich in der letzten Zeit so wenig geübt habe, daß an
einem Kreuzwege meine leaders (Vorderpferde) mit
ihren Köpfen wider meinen Willen in das Innere
einer quer vorbeieilenden Diligence geriethen, und
dadurch in beiden Wägen, sowohl vor als hinter
mir, einige Schreie des Schreckens hervorriefen, was
den alten Child, der mich als seinen Schüler ansieht,
sehr entrüstete.

An einem Tage verlor ich so, wie der große Corse,
all meinen Ruhm in der großen Kunst, die Zügel
zu führen, die man vom Throne regieren, vom
Bocke fahren nennt. Ich mußte daher auch den letz-
teren abdiciren, weil die Damen behaupteten, daß
ihr Leben, während ich diesen Platz einnähme, in zu
großer Gefahr schwebte.

Dieß verdroß mich so sehr, daß ich, auf der Jacht
angekommen, sogleich die Strickleitern hinaufklet-
terte, und im Mastkorbe blieb, wo ich, von einem
lauen Zephyr gefächelt, gemächlich die stets sich än-
dernde Aussicht bewundern, und über meinen tiefen
Sturz philosophiren konnte.


Am folgenden Tage wurde abermals, und zwar
diesmal in Geſellſchaft der Damen, ausgeritten, und
ſpäter, nach dem Luncheon, eine Waſſerfahrt auf
Lord D . . . . s eleganter Jacht gemacht. Bis zur
Themſe fuhr ich die Geſellſchaft four in hand, was
ich in der letzten Zeit ſo wenig geübt habe, daß an
einem Kreuzwege meine leaders (Vorderpferde) mit
ihren Köpfen wider meinen Willen in das Innere
einer quer vorbeieilenden Diligence geriethen, und
dadurch in beiden Wägen, ſowohl vor als hinter
mir, einige Schreie des Schreckens hervorriefen, was
den alten Child, der mich als ſeinen Schüler anſieht,
ſehr entrüſtete.

An einem Tage verlor ich ſo, wie der große Corſe,
all meinen Ruhm in der großen Kunſt, die Zügel
zu führen, die man vom Throne regieren, vom
Bocke fahren nennt. Ich mußte daher auch den letz-
teren abdiciren, weil die Damen behaupteten, daß
ihr Leben, während ich dieſen Platz einnähme, in zu
großer Gefahr ſchwebte.

Dieß verdroß mich ſo ſehr, daß ich, auf der Jacht
angekommen, ſogleich die Strickleitern hinaufklet-
terte, und im Maſtkorbe blieb, wo ich, von einem
lauen Zephyr gefächelt, gemächlich die ſtets ſich än-
dernde Ausſicht bewundern, und über meinen tiefen
Sturz philoſophiren konnte.


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[387/0407] Am folgenden Tage wurde abermals, und zwar diesmal in Geſellſchaft der Damen, ausgeritten, und ſpäter, nach dem Luncheon, eine Waſſerfahrt auf Lord D . . . . s eleganter Jacht gemacht. Bis zur Themſe fuhr ich die Geſellſchaft four in hand, was ich in der letzten Zeit ſo wenig geübt habe, daß an einem Kreuzwege meine leaders (Vorderpferde) mit ihren Köpfen wider meinen Willen in das Innere einer quer vorbeieilenden Diligence geriethen, und dadurch in beiden Wägen, ſowohl vor als hinter mir, einige Schreie des Schreckens hervorriefen, was den alten Child, der mich als ſeinen Schüler anſieht, ſehr entrüſtete. An einem Tage verlor ich ſo, wie der große Corſe, all meinen Ruhm in der großen Kunſt, die Zügel zu führen, die man vom Throne regieren, vom Bocke fahren nennt. Ich mußte daher auch den letz- teren abdiciren, weil die Damen behaupteten, daß ihr Leben, während ich dieſen Platz einnähme, in zu großer Gefahr ſchwebte. Dieß verdroß mich ſo ſehr, daß ich, auf der Jacht angekommen, ſogleich die Strickleitern hinaufklet- terte, und im Maſtkorbe blieb, wo ich, von einem lauen Zephyr gefächelt, gemächlich die ſtets ſich än- dernde Ausſicht bewundern, und über meinen tiefen Sturz philoſophiren konnte.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/407>, abgerufen am 27.11.2024.