Der Anfang der sonst guten Rede des neuen Pairs erregte ein allgemeines Gelächter, denn der langen alten Gewohnheit getreu, redete er die Lords, wie den Sprecher des Unterhauses mit "Sir" statt "My- lords" an. Er war selbst so sehr dadurch deconte- nancirt, daß er sich vor die Stirne schlug, und eine ganze Weile sprachlos blieb, aber durch viele freund- liche hear, hear, doch bald wieder seine Fassung gewann.
Lord Holland zeichnete sich, wie gewöhnlich, durch Schärfe und frappante Aufstellungen aus; Lord King durch vieles, zuweilen nicht sehr geschmackvolles Wi- tzeln; Lord Landsdowne durch ruhigen, sachgemäßen, mehr verständigen als glänzenden Vortrag. Lord Grey sprach von Allen mit dem meisten äußern An- stande, den die englischen Redner fast ohne Ausnahme entweder zu sehr verschmähen, oder seiner nicht mäch- tig werden können. Einen ähnlichen Mangel an An- stand bietet das Local des Unterhauses dar, das ei- nem schmutzigen Kaffeehause gleicht, und auch das Benehmen vieler Volksrepräsentanten, die mit dem Hut auf dem Kopfe oft auf den Bänken ausgestreckt liegen, und sich während der Reden ihrer Collegen von Allotrien unterhalten, erscheint seltsam. Local und Verhandlung im Oberhause sind dagegen sehr schicklich.
Wenn ich von dem Totaleindruck dieser Tage auf mich Rechenschaft geben soll, so muß ich sagen, daß er erhebend und wehmüthig zugleich war. Das
Der Anfang der ſonſt guten Rede des neuen Pairs erregte ein allgemeines Gelächter, denn der langen alten Gewohnheit getreu, redete er die Lords, wie den Sprecher des Unterhauſes mit „Sir“ ſtatt „My- lords“ an. Er war ſelbſt ſo ſehr dadurch deconte- nancirt, daß er ſich vor die Stirne ſchlug, und eine ganze Weile ſprachlos blieb, aber durch viele freund- liche hear, hear, doch bald wieder ſeine Faſſung gewann.
Lord Holland zeichnete ſich, wie gewöhnlich, durch Schärfe und frappante Aufſtellungen aus; Lord King durch vieles, zuweilen nicht ſehr geſchmackvolles Wi- tzeln; Lord Landsdowne durch ruhigen, ſachgemäßen, mehr verſtändigen als glänzenden Vortrag. Lord Grey ſprach von Allen mit dem meiſten äußern An- ſtande, den die engliſchen Redner faſt ohne Ausnahme entweder zu ſehr verſchmähen, oder ſeiner nicht mäch- tig werden können. Einen ähnlichen Mangel an An- ſtand bietet das Local des Unterhauſes dar, das ei- nem ſchmutzigen Kaffeehauſe gleicht, und auch das Benehmen vieler Volksrepräſentanten, die mit dem Hut auf dem Kopfe oft auf den Bänken ausgeſtreckt liegen, und ſich während der Reden ihrer Collegen von Allotrien unterhalten, erſcheint ſeltſam. Local und Verhandlung im Oberhauſe ſind dagegen ſehr ſchicklich.
Wenn ich von dem Totaleindruck dieſer Tage auf mich Rechenſchaft geben ſoll, ſo muß ich ſagen, daß er erhebend und wehmüthig zugleich war. Das
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Der Anfang der ſonſt guten Rede des neuen Pairs
erregte ein allgemeines Gelächter, denn der langen
alten Gewohnheit getreu, redete er die Lords, wie
den Sprecher des Unterhauſes mit „Sir“ ſtatt „My-
lords“ an. Er war ſelbſt ſo ſehr dadurch deconte-
nancirt, daß er ſich vor die Stirne ſchlug, und eine
ganze Weile ſprachlos blieb, aber durch viele freund-
liche hear, hear, doch bald wieder ſeine Faſſung
gewann.
Lord Holland zeichnete ſich, wie gewöhnlich, durch
Schärfe und frappante Aufſtellungen aus; Lord King
durch vieles, zuweilen nicht ſehr geſchmackvolles Wi-
tzeln; Lord Landsdowne durch ruhigen, ſachgemäßen,
mehr verſtändigen als glänzenden Vortrag. Lord
Grey ſprach von Allen mit dem meiſten äußern An-
ſtande, den die engliſchen Redner faſt ohne Ausnahme
entweder zu ſehr verſchmähen, oder ſeiner nicht mäch-
tig werden können. Einen ähnlichen Mangel an An-
ſtand bietet das Local des Unterhauſes dar, das ei-
nem ſchmutzigen Kaffeehauſe gleicht, und auch das
Benehmen vieler Volksrepräſentanten, die mit dem
Hut auf dem Kopfe oft auf den Bänken ausgeſtreckt
liegen, und ſich während der Reden ihrer Collegen
von Allotrien unterhalten, erſcheint ſeltſam. Local
und Verhandlung im Oberhauſe ſind dagegen ſehr
ſchicklich.
Wenn ich von dem Totaleindruck dieſer Tage auf
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/40>, abgerufen am 24.11.2024.
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