Eines der gehaltreichsten Häuser für mich ist das eines vornehmen Schotten, Grafen von W ..., dem Abkömmling in directer Linie von Macduff. In sei- ner Nüstkammer wird noch ein Ast, angeblich aus Birnams Wald, gezeigt, wahrscheinlich eine Re- liquie von der Qualität aller andern. Wer daran glaubt, wird selig!
Die Familie ist höchst gebildet, und der schottische Sinn überhaupt dem deutschen näher verwandt als der englische. Von den liebenswürdigen Töchtern lernte ich eine neue Manier, Lieblinge aus dem Vö- gelgeschlecht in treuerer und dauerhafterer Copie auf- zubewahren als durch Ausstopfung. Die Federn werden ausgerupft, und nebst Schnabel und Klauen in der natürlichen Form auf starkes Velinpapier oder lakirtes Holz aufgeklebt, welches ein höchst ähnliches und keinem Verderben ausgesetztes Basrelief des Thieres abgibt.
Carl X. brachte eine Zeit lang bei Lord W .... in Schottland zu, und hat ihm einen alten Haushof- meister zurückgelassen, der drollig genug gleich dem in der Pucelle: Bonneau heißt, und auch noch von je- ner fast ausgestorbenen Diener-Race der hommes de confiance ist, die man jetzt höchstens nur auf der Bühne antrifft. Als solcher, der im Hause nun schon 25 Jahre fungirt, darf er, gegen die englische Sitte, welche Dienern nie die geringste Annäherung anders
Briefe eines Verstorbenen. IV. 24
Den 6ten Juni.
Eines der gehaltreichſten Häuſer für mich iſt das eines vornehmen Schotten, Grafen von W …, dem Abkömmling in directer Linie von Macduff. In ſei- ner Nüſtkammer wird noch ein Aſt, angeblich aus Birnams Wald, gezeigt, wahrſcheinlich eine Re- liquie von der Qualität aller andern. Wer daran glaubt, wird ſelig!
Die Familie iſt höchſt gebildet, und der ſchottiſche Sinn überhaupt dem deutſchen näher verwandt als der engliſche. Von den liebenswürdigen Töchtern lernte ich eine neue Manier, Lieblinge aus dem Vö- gelgeſchlecht in treuerer und dauerhafterer Copie auf- zubewahren als durch Ausſtopfung. Die Federn werden ausgerupft, und nebſt Schnabel und Klauen in der natürlichen Form auf ſtarkes Velinpapier oder lakirtes Holz aufgeklebt, welches ein höchſt ähnliches und keinem Verderben ausgeſetztes Basrelief des Thieres abgibt.
Carl X. brachte eine Zeit lang bei Lord W .... in Schottland zu, und hat ihm einen alten Haushof- meiſter zurückgelaſſen, der drollig genug gleich dem in der Pucelle: Bonneau heißt, und auch noch von je- ner faſt ausgeſtorbenen Diener-Race der hommes de confiance iſt, die man jetzt höchſtens nur auf der Bühne antrifft. Als ſolcher, der im Hauſe nun ſchon 25 Jahre fungirt, darf er, gegen die engliſche Sitte, welche Dienern nie die geringſte Annäherung anders
Briefe eines Verſtorbenen. IV. 24
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Den 6ten Juni.
Eines der gehaltreichſten Häuſer für mich iſt das
eines vornehmen Schotten, Grafen von W …, dem
Abkömmling in directer Linie von Macduff. In ſei-
ner Nüſtkammer wird noch ein Aſt, angeblich aus
Birnams Wald, gezeigt, wahrſcheinlich eine Re-
liquie von der Qualität aller andern. Wer daran
glaubt, wird ſelig!
Die Familie iſt höchſt gebildet, und der ſchottiſche
Sinn überhaupt dem deutſchen näher verwandt als
der engliſche. Von den liebenswürdigen Töchtern
lernte ich eine neue Manier, Lieblinge aus dem Vö-
gelgeſchlecht in treuerer und dauerhafterer Copie auf-
zubewahren als durch Ausſtopfung. Die Federn
werden ausgerupft, und nebſt Schnabel und Klauen
in der natürlichen Form auf ſtarkes Velinpapier oder
lakirtes Holz aufgeklebt, welches ein höchſt ähnliches
und keinem Verderben ausgeſetztes Basrelief des
Thieres abgibt.
Carl X. brachte eine Zeit lang bei Lord W .... in
Schottland zu, und hat ihm einen alten Haushof-
meiſter zurückgelaſſen, der drollig genug gleich dem in
der Pucelle: Bonneau heißt, und auch noch von je-
ner faſt ausgeſtorbenen Diener-Race der hommes
de confiance iſt, die man jetzt höchſtens nur auf der
Bühne antrifft. Als ſolcher, der im Hauſe nun ſchon
25 Jahre fungirt, darf er, gegen die engliſche Sitte,
welche Dienern nie die geringſte Annäherung anders
Briefe eines Verſtorbenen. IV. 24
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/389>, abgerufen am 13.11.2024.
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