Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.und gewiß ist eine so liebliche Coquetterie der größte Den 3ten. Es geht mir wie den Vögeln, die im Mai immer "Nun habe ich nur noch einen Tag," sagte sie Ich schlug ihr schüchtern vor, an diesem Tage auf O Natur, ländliche Freuden *), wie schön seyd *) Auf diese paßte wahrscheinlich nicht, was ich einen liebens-
würdigen Prinzen, dem die Ironie nicht fremd ist, einmal so ergötzlich zu seinen Hofleuten sagen hörte: Nur mit Ei- nem verschont mich, mit Euern ländlichen, schändlichen Ver- gnügungen und mit Euern häuslichen, scheuslichen Freuden! A. d. H. und gewiß iſt eine ſo liebliche Coquetterie der größte Den 3ten. Es geht mir wie den Vögeln, die im Mai immer „Nun habe ich nur noch einen Tag,“ ſagte ſie Ich ſchlug ihr ſchüchtern vor, an dieſem Tage auf O Natur, ländliche Freuden *), wie ſchön ſeyd *) Auf dieſe paßte wahrſcheinlich nicht, was ich einen liebens-
wuͤrdigen Prinzen, dem die Ironie nicht fremd iſt, einmal ſo ergoͤtzlich zu ſeinen Hofleuten ſagen hoͤrte: Nur mit Ei- nem verſchont mich, mit Euern laͤndlichen, ſchaͤndlichen Ver- gnuͤgungen und mit Euern haͤuslichen, ſcheuslichen Freuden! A. d. H. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0380" n="360"/> und gewiß iſt eine ſo liebliche Coquetterie der größte<lb/> Reiz, wenn auch nicht das größte Verdienſt der<lb/> Frauen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <opener> <dateline> <hi rendition="#et">Den 3ten.</hi> </dateline> </opener><lb/> <p>Es geht mir wie den Vögeln, die im Mai immer<lb/> am liebendſten geſtimmt ſind, und zu verdenken iſt<lb/> es mir daher nicht, wenn ich in dieſer Jahreszeit der<lb/> flötenden Nachtigall nur mit klopfendem Herzen zu-<lb/> hören kann.</p><lb/> <p>„Nun habe ich nur noch <hi rendition="#g">einen</hi> Tag,“ ſagte ſie<lb/> geſtern am Sonnabend, „nach welchem ich wohl län-<lb/> ger als einen Monat nicht mehr frei ſeyn werde, und<lb/> der iſt morgen, in jeder Hinſicht <hi rendition="#g">mein</hi> Tag, wo ich<lb/> noch einmal meinem Wunſche nach leben kann, dann<lb/> bleibe ich auf lange, lange Zeit eine arme Sclavin!“</p><lb/> <p>Ich ſchlug ihr ſchüchtern vor, an dieſem Tage auf<lb/> dem Lande mit mir zu eſſen, früh dorthin zuſammen<lb/> zu reiten, wozu ich mein Pferd als einen Phönix<lb/> von Sanftmuth rekommandirte, Abends aber, um<lb/> ſie nicht zu ſehr zu ermüden, zurück zu fahren, was<lb/> ſie nach vielen Bitten endlich genehmigte.</p><lb/> <p>O Natur, ländliche Freuden <note place="foot" n="*)">Auf dieſe paßte wahrſcheinlich nicht, was ich einen liebens-<lb/> wuͤrdigen Prinzen, dem die Ironie nicht fremd iſt, einmal<lb/> ſo ergoͤtzlich zu ſeinen Hofleuten ſagen hoͤrte: Nur mit Ei-<lb/> nem verſchont mich, mit Euern laͤndlichen, ſchaͤndlichen Ver-<lb/> gnuͤgungen und mit Euern haͤuslichen, ſcheuslichen Freuden!<lb/><hi rendition="#et">A. d. H.</hi></note>, wie ſchön ſeyd<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [360/0380]
und gewiß iſt eine ſo liebliche Coquetterie der größte
Reiz, wenn auch nicht das größte Verdienſt der
Frauen.
Den 3ten.
Es geht mir wie den Vögeln, die im Mai immer
am liebendſten geſtimmt ſind, und zu verdenken iſt
es mir daher nicht, wenn ich in dieſer Jahreszeit der
flötenden Nachtigall nur mit klopfendem Herzen zu-
hören kann.
„Nun habe ich nur noch einen Tag,“ ſagte ſie
geſtern am Sonnabend, „nach welchem ich wohl län-
ger als einen Monat nicht mehr frei ſeyn werde, und
der iſt morgen, in jeder Hinſicht mein Tag, wo ich
noch einmal meinem Wunſche nach leben kann, dann
bleibe ich auf lange, lange Zeit eine arme Sclavin!“
Ich ſchlug ihr ſchüchtern vor, an dieſem Tage auf
dem Lande mit mir zu eſſen, früh dorthin zuſammen
zu reiten, wozu ich mein Pferd als einen Phönix
von Sanftmuth rekommandirte, Abends aber, um
ſie nicht zu ſehr zu ermüden, zurück zu fahren, was
ſie nach vielen Bitten endlich genehmigte.
O Natur, ländliche Freuden *), wie ſchön ſeyd
*) Auf dieſe paßte wahrſcheinlich nicht, was ich einen liebens-
wuͤrdigen Prinzen, dem die Ironie nicht fremd iſt, einmal
ſo ergoͤtzlich zu ſeinen Hofleuten ſagen hoͤrte: Nur mit Ei-
nem verſchont mich, mit Euern laͤndlichen, ſchaͤndlichen Ver-
gnuͤgungen und mit Euern haͤuslichen, ſcheuslichen Freuden!
A. d. H.
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