der vollen Kraft des mittlern Alters, mehr Würde des Charakters als des Standes verrathend. Wild und originell ist die Landschaft, oben aus dunkeln Wolken lauschen liebreizende Engelsköpfe hervor. Dies Gemälde hat der Besitzer, wie er mir sagte, mit 2500 L. St. bezahlt.
Im Garten gefiel mir ein Gewächshaus für Pal- men, so leicht und durchsichtig, fast ganz aus Glas bestehend, daß es einem Eispalaste glich. Häßlich finde ich dagegen eine sehr überhand nehmende Lieb- haberei für alte verkrüppelte Baumstämme, die man vielfach im geschornen Rasen eingräbt, und theils mit Climatis beranken läßt, theils mit ver- borgnen Blumentöpfen bestellt. Ganze Ruinen die- ser Art werden gebildet, welches nebst manchem An- dern den sinkenden guten Geschmack für Gärten in England verräth.
Für mich ist das Leben auf dem Lande hier in ge- wisser Hinsicht zu gesellig. Wer z. B. lesen will, geht in die Bibliothek, wo er selten allein ist, und wer Briefe zu besorgen hat, schreibt sie an einem allgemeinen großen Sekretair eben so öffentlich, wor- auf sie in ein durchbrochenes Kästchen gesteckt wer- den, das ein Bedienter jeden Morgen zur Post trägt. Daß man alles dies allein und auf seiner Stube thut, ist eben nicht üblich, befremdet daher, und wird nicht recht gern gesehen. So frühstückte auch mancher Fremde wohl lieber auf seiner Stube, wozu aber nicht zu gelangen ist, wenn man sich nicht durch Krankheit entschuldigen kann.
der vollen Kraft des mittlern Alters, mehr Würde des Charakters als des Standes verrathend. Wild und originell iſt die Landſchaft, oben aus dunkeln Wolken lauſchen liebreizende Engelsköpfe hervor. Dies Gemälde hat der Beſitzer, wie er mir ſagte, mit 2500 L. St. bezahlt.
Im Garten gefiel mir ein Gewächshaus für Pal- men, ſo leicht und durchſichtig, faſt ganz aus Glas beſtehend, daß es einem Eispalaſte glich. Häßlich finde ich dagegen eine ſehr überhand nehmende Lieb- haberei für alte verkrüppelte Baumſtämme, die man vielfach im geſchornen Raſen eingräbt, und theils mit Climatis beranken läßt, theils mit ver- borgnen Blumentöpfen beſtellt. Ganze Ruinen die- ſer Art werden gebildet, welches nebſt manchem An- dern den ſinkenden guten Geſchmack für Gärten in England verräth.
Für mich iſt das Leben auf dem Lande hier in ge- wiſſer Hinſicht zu geſellig. Wer z. B. leſen will, geht in die Bibliothek, wo er ſelten allein iſt, und wer Briefe zu beſorgen hat, ſchreibt ſie an einem allgemeinen großen Sekretair eben ſo öffentlich, wor- auf ſie in ein durchbrochenes Käſtchen geſteckt wer- den, das ein Bedienter jeden Morgen zur Poſt trägt. Daß man alles dies allein und auf ſeiner Stube thut, iſt eben nicht üblich, befremdet daher, und wird nicht recht gern geſehen. So frühſtückte auch mancher Fremde wohl lieber auf ſeiner Stube, wozu aber nicht zu gelangen iſt, wenn man ſich nicht durch Krankheit entſchuldigen kann.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0369"n="351"/>
der vollen Kraft des mittlern Alters, mehr Würde<lb/>
des Charakters als des Standes verrathend. Wild<lb/>
und originell iſt die Landſchaft, oben aus dunkeln<lb/>
Wolken lauſchen liebreizende Engelsköpfe hervor. Dies<lb/>
Gemälde hat der Beſitzer, wie er mir ſagte, mit<lb/>
2500 L. St. bezahlt.</p><lb/><p>Im Garten gefiel mir ein Gewächshaus für Pal-<lb/>
men, ſo leicht und durchſichtig, faſt ganz aus Glas<lb/>
beſtehend, daß es einem Eispalaſte glich. Häßlich<lb/>
finde ich dagegen eine ſehr überhand nehmende Lieb-<lb/>
haberei für alte verkrüppelte Baumſtämme, die<lb/>
man vielfach im geſchornen Raſen eingräbt, und<lb/>
theils mit Climatis beranken läßt, theils mit ver-<lb/>
borgnen Blumentöpfen beſtellt. Ganze Ruinen die-<lb/>ſer Art werden gebildet, welches nebſt manchem An-<lb/>
dern den ſinkenden guten Geſchmack für Gärten in<lb/>
England verräth.</p><lb/><p>Für mich iſt das Leben auf dem Lande hier in ge-<lb/>
wiſſer Hinſicht zu geſellig. Wer z. B. leſen will,<lb/>
geht in die Bibliothek, wo er ſelten allein iſt, und<lb/>
wer Briefe zu beſorgen hat, ſchreibt ſie an einem<lb/>
allgemeinen großen Sekretair eben ſo öffentlich, wor-<lb/>
auf ſie in ein durchbrochenes Käſtchen geſteckt wer-<lb/>
den, das ein Bedienter jeden Morgen zur Poſt trägt.<lb/>
Daß man alles dies allein und auf ſeiner Stube thut,<lb/>
iſt eben nicht üblich, befremdet daher, und wird nicht<lb/>
recht gern geſehen. So frühſtückte auch mancher<lb/>
Fremde wohl lieber auf ſeiner Stube, wozu aber nicht<lb/>
zu gelangen iſt, wenn man ſich nicht durch Krankheit<lb/>
entſchuldigen kann.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[351/0369]
der vollen Kraft des mittlern Alters, mehr Würde
des Charakters als des Standes verrathend. Wild
und originell iſt die Landſchaft, oben aus dunkeln
Wolken lauſchen liebreizende Engelsköpfe hervor. Dies
Gemälde hat der Beſitzer, wie er mir ſagte, mit
2500 L. St. bezahlt.
Im Garten gefiel mir ein Gewächshaus für Pal-
men, ſo leicht und durchſichtig, faſt ganz aus Glas
beſtehend, daß es einem Eispalaſte glich. Häßlich
finde ich dagegen eine ſehr überhand nehmende Lieb-
haberei für alte verkrüppelte Baumſtämme, die
man vielfach im geſchornen Raſen eingräbt, und
theils mit Climatis beranken läßt, theils mit ver-
borgnen Blumentöpfen beſtellt. Ganze Ruinen die-
ſer Art werden gebildet, welches nebſt manchem An-
dern den ſinkenden guten Geſchmack für Gärten in
England verräth.
Für mich iſt das Leben auf dem Lande hier in ge-
wiſſer Hinſicht zu geſellig. Wer z. B. leſen will,
geht in die Bibliothek, wo er ſelten allein iſt, und
wer Briefe zu beſorgen hat, ſchreibt ſie an einem
allgemeinen großen Sekretair eben ſo öffentlich, wor-
auf ſie in ein durchbrochenes Käſtchen geſteckt wer-
den, das ein Bedienter jeden Morgen zur Poſt trägt.
Daß man alles dies allein und auf ſeiner Stube thut,
iſt eben nicht üblich, befremdet daher, und wird nicht
recht gern geſehen. So frühſtückte auch mancher
Fremde wohl lieber auf ſeiner Stube, wozu aber nicht
zu gelangen iſt, wenn man ſich nicht durch Krankheit
entſchuldigen kann.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/369>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.