Seit gestern bin ich hier mit großer Gesellschaft bei einer sehr fashionablen Dame. Das Haus ist so ge- schmackvoll und reich als möglich, aber zu vornehm schon, und zu prätentiös, um wahrhaft angenehm zu seyn, wenigstens für mich. Ueberdieß ist ein gewisser L ... da, ein Patentwitzbold, von dem die sehr de- bonnaire Gesellschaft jedes Wort bewundern zu müßen glaubt, und nur aus Furcht vor seiner bösen Zunge ihm Anhänglichkeit heuchelt. Solche geistige Bret- teurs sind mir in den Tod zuwider, besonders wenn sie, wie dieser, mit einem widrigen Aeußern nur Galle und Schärfe, ohne alle Grazie, besitzen. Sie erscheinen in der menschlichen Gesellschaft gleich gifti- gen Insekten, denen man aus erbärmlicher Schwäche hilft, sich mit Andrer Blut zu nähren, nur damit sie einem das eigne nicht abzapfen.
Lieblicher als die Menschen sprachen mich die todten Gegenstände an, besonders eine freundliche hier herr- schende Sitte, alle Zimmer mit einer Menge Vasen und Behältern aller Art voll frischer Blumen zu par- fümiren. Unter den Gemälden bewunderte ich einen Morillo, Joseph darstellend, welcher den kleinen Je- susknaben führt. In dem schönen Kinde liegt die künftige Größe und göttliche Natur des Erlösers noch schlummernd halb verborgen, was sich besonders in dem ahnend aufblickenden Auge wundervoll aus- spricht. Joseph erscheint als ein schlichter Mann in
R. Park, den 9ten.
Seit geſtern bin ich hier mit großer Geſellſchaft bei einer ſehr faſhionablen Dame. Das Haus iſt ſo ge- ſchmackvoll und reich als möglich, aber zu vornehm ſchon, und zu prätentiös, um wahrhaft angenehm zu ſeyn, wenigſtens für mich. Ueberdieß iſt ein gewiſſer L … da, ein Patentwitzbold, von dem die ſehr de- bonnaire Geſellſchaft jedes Wort bewundern zu müßen glaubt, und nur aus Furcht vor ſeiner böſen Zunge ihm Anhänglichkeit heuchelt. Solche geiſtige Bret- teurs ſind mir in den Tod zuwider, beſonders wenn ſie, wie dieſer, mit einem widrigen Aeußern nur Galle und Schärfe, ohne alle Grazie, beſitzen. Sie erſcheinen in der menſchlichen Geſellſchaft gleich gifti- gen Inſekten, denen man aus erbärmlicher Schwäche hilft, ſich mit Andrer Blut zu nähren, nur damit ſie einem das eigne nicht abzapfen.
Lieblicher als die Menſchen ſprachen mich die todten Gegenſtände an, beſonders eine freundliche hier herr- ſchende Sitte, alle Zimmer mit einer Menge Vaſen und Behältern aller Art voll friſcher Blumen zu par- fümiren. Unter den Gemälden bewunderte ich einen Morillo, Joſeph darſtellend, welcher den kleinen Je- ſusknaben führt. In dem ſchönen Kinde liegt die künftige Größe und göttliche Natur des Erlöſers noch ſchlummernd halb verborgen, was ſich beſonders in dem ahnend aufblickenden Auge wundervoll aus- ſpricht. Joſeph erſcheint als ein ſchlichter Mann in
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R. Park, den 9ten.
Seit geſtern bin ich hier mit großer Geſellſchaft bei
einer ſehr faſhionablen Dame. Das Haus iſt ſo ge-
ſchmackvoll und reich als möglich, aber zu vornehm
ſchon, und zu prätentiös, um wahrhaft angenehm zu
ſeyn, wenigſtens für mich. Ueberdieß iſt ein gewiſſer
L … da, ein Patentwitzbold, von dem die ſehr de-
bonnaire Geſellſchaft jedes Wort bewundern zu müßen
glaubt, und nur aus Furcht vor ſeiner böſen Zunge
ihm Anhänglichkeit heuchelt. Solche geiſtige Bret-
teurs ſind mir in den Tod zuwider, beſonders wenn
ſie, wie dieſer, mit einem widrigen Aeußern nur
Galle und Schärfe, ohne alle Grazie, beſitzen. Sie
erſcheinen in der menſchlichen Geſellſchaft gleich gifti-
gen Inſekten, denen man aus erbärmlicher Schwäche
hilft, ſich mit Andrer Blut zu nähren, nur damit ſie
einem das eigne nicht abzapfen.
Lieblicher als die Menſchen ſprachen mich die todten
Gegenſtände an, beſonders eine freundliche hier herr-
ſchende Sitte, alle Zimmer mit einer Menge Vaſen
und Behältern aller Art voll friſcher Blumen zu par-
fümiren. Unter den Gemälden bewunderte ich einen
Morillo, Joſeph darſtellend, welcher den kleinen Je-
ſusknaben führt. In dem ſchönen Kinde liegt die
künftige Größe und göttliche Natur des Erlöſers
noch ſchlummernd halb verborgen, was ſich beſonders
in dem ahnend aufblickenden Auge wundervoll aus-
ſpricht. Joſeph erſcheint als ein ſchlichter Mann in
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/368>, abgerufen am 24.11.2024.
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