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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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Den Abend schloß ich auf einem Ball bei'm Mar-
schall Beresford, zu Ehren der Marquise von Luley,
Schwester Don Miguels, die sich aber nicht wenig
zu ennuyiren schien, da sie nur portugiesisch spricht,
und daher ausser dem Wirth nicht mit Vielen reden
konnte.

Der Marschall selbst ist ein interessanter, imposant
aussehender Krieger, gegen den der Partheigeist sich
sehr ungerecht äußert. Er ist bei sehr einnehmenden
Manieren zugleich ein Mann von durchgreifendem
Charakter, wie ihn manche Regierungen noch außer
Portugal brauchen könnten, stark wie ein Löwe und
klug wie die Schlangen. Er hält Don Miguels Recht
auf die portugiesische Krone für besser begründet als
das seines Bruders, und beweist in der That, daß
man bei der Beurtheilung der Personen in jenem
Lande einen ganz andern Maßstab als den unsrigen
anlegen muß, wenn man billig seyn will. So äußerte
er unter andern, die Erziehung Don Miguels sey
absichtlich so vernachlässigt worden, daß er im drei
und zwanzigsten Jahre noch nicht habe schreiben kön-
nen, zu viel dürfe man also von einem solchen Prin-
zen nicht erwarten, demungeachtet sey er durch viele
glänzende persönliche Eigenschaften ausgezeichnet, und
den Zeitungen dürfe man nicht alles auf's Wort glau-
ben. Dieses Letztere wenigstens darf Niemand be-
zweifeln.


Den Abend ſchloß ich auf einem Ball bei’m Mar-
ſchall Beresford, zu Ehren der Marquiſe von Luley,
Schweſter Don Miguels, die ſich aber nicht wenig
zu ennuyiren ſchien, da ſie nur portugieſiſch ſpricht,
und daher auſſer dem Wirth nicht mit Vielen reden
konnte.

Der Marſchall ſelbſt iſt ein intereſſanter, impoſant
ausſehender Krieger, gegen den der Partheigeiſt ſich
ſehr ungerecht äußert. Er iſt bei ſehr einnehmenden
Manieren zugleich ein Mann von durchgreifendem
Charakter, wie ihn manche Regierungen noch außer
Portugal brauchen könnten, ſtark wie ein Löwe und
klug wie die Schlangen. Er hält Don Miguels Recht
auf die portugieſiſche Krone für beſſer begründet als
das ſeines Bruders, und beweist in der That, daß
man bei der Beurtheilung der Perſonen in jenem
Lande einen ganz andern Maßſtab als den unſrigen
anlegen muß, wenn man billig ſeyn will. So äußerte
er unter andern, die Erziehung Don Miguels ſey
abſichtlich ſo vernachläſſigt worden, daß er im drei
und zwanzigſten Jahre noch nicht habe ſchreiben kön-
nen, zu viel dürfe man alſo von einem ſolchen Prin-
zen nicht erwarten, demungeachtet ſey er durch viele
glänzende perſönliche Eigenſchaften ausgezeichnet, und
den Zeitungen dürfe man nicht alles auf’s Wort glau-
ben. Dieſes Letztere wenigſtens darf Niemand be-
zweifeln.


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[348/0366] Den Abend ſchloß ich auf einem Ball bei’m Mar- ſchall Beresford, zu Ehren der Marquiſe von Luley, Schweſter Don Miguels, die ſich aber nicht wenig zu ennuyiren ſchien, da ſie nur portugieſiſch ſpricht, und daher auſſer dem Wirth nicht mit Vielen reden konnte. Der Marſchall ſelbſt iſt ein intereſſanter, impoſant ausſehender Krieger, gegen den der Partheigeiſt ſich ſehr ungerecht äußert. Er iſt bei ſehr einnehmenden Manieren zugleich ein Mann von durchgreifendem Charakter, wie ihn manche Regierungen noch außer Portugal brauchen könnten, ſtark wie ein Löwe und klug wie die Schlangen. Er hält Don Miguels Recht auf die portugieſiſche Krone für beſſer begründet als das ſeines Bruders, und beweist in der That, daß man bei der Beurtheilung der Perſonen in jenem Lande einen ganz andern Maßſtab als den unſrigen anlegen muß, wenn man billig ſeyn will. So äußerte er unter andern, die Erziehung Don Miguels ſey abſichtlich ſo vernachläſſigt worden, daß er im drei und zwanzigſten Jahre noch nicht habe ſchreiben kön- nen, zu viel dürfe man alſo von einem ſolchen Prin- zen nicht erwarten, demungeachtet ſey er durch viele glänzende perſönliche Eigenſchaften ausgezeichnet, und den Zeitungen dürfe man nicht alles auf’s Wort glau- ben. Dieſes Letztere wenigſtens darf Niemand be- zweifeln.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/366>, abgerufen am 24.11.2024.