licher Anblick. Nur eine einzige Loge blieb stehen, und in dieser rettete sich, durch seine Kaltblütigkeit nicht von der Stelle zu weichen, der Schauspieler Farren, der unversehrt die ganze entsetzliche Cata- strophe mit ansah, eine nur zu ächte Tragödie, die sich keiner erwartet hatte.
Jetzt ist im Getümmel der Season Alles schon wie- der vergessen. Bei allen dem giebt dieses geräusch- volle Leben weit weniger Stoff als man denken sollte, und den es gibt, vergißt man im ewigen Trouble.
Ein Familiendine bei dem großen R., den man mit dem Sultan verglichen hat, weil dieser der Herrscher aller Gläubigen und jener der Gläubiger aller Herr- scher sey, kam als Abwechslung dazwischen. Dieser Mann hat wirklich etwas ganz Originelles. Er war heute besonders lustig, und ließ seine neue östreichi- sche Consularuniform holen, die ihm, wie er sagte, sein Freund M ... ch von Wien geschickt habe, zeigte sie uns, und ließ sich nachher sogar bereden, sie vor dem Spiegel anzuprobiren und damit einherzustol- ziren, ja wie Virtuosen, wenn sie einmal angefan- gen haben, nicht wieder aufhören können, so ließ er nun auch noch andere prächtige Hofkleider bringen, und wechselte mehrmal die Toilette, wie auf dem Theater, eine Kindlichkeit bei solchem Geld-Heros, die ich fast mit Heinrich dem IV. vergleichen möchte, als dieser beim Eintritt des fremden Gesandten sei- nem Sohne eben als Reitpferd diente.
Es war übrigens ziemlich komisch anzusehen, wie der sonst so kaufmännisch ernste Mann, sich mit den
licher Anblick. Nur eine einzige Loge blieb ſtehen, und in dieſer rettete ſich, durch ſeine Kaltblütigkeit nicht von der Stelle zu weichen, der Schauſpieler Farren, der unverſehrt die ganze entſetzliche Cata- ſtrophe mit anſah, eine nur zu ächte Tragödie, die ſich keiner erwartet hatte.
Jetzt iſt im Getümmel der Seaſon Alles ſchon wie- der vergeſſen. Bei allen dem giebt dieſes geräuſch- volle Leben weit weniger Stoff als man denken ſollte, und den es gibt, vergißt man im ewigen Trouble.
Ein Familiendiné bei dem großen R., den man mit dem Sultan verglichen hat, weil dieſer der Herrſcher aller Gläubigen und jener der Gläubiger aller Herr- ſcher ſey, kam als Abwechslung dazwiſchen. Dieſer Mann hat wirklich etwas ganz Originelles. Er war heute beſonders luſtig, und ließ ſeine neue öſtreichi- ſche Conſularuniform holen, die ihm, wie er ſagte, ſein Freund M … ch von Wien geſchickt habe, zeigte ſie uns, und ließ ſich nachher ſogar bereden, ſie vor dem Spiegel anzuprobiren und damit einherzuſtol- ziren, ja wie Virtuoſen, wenn ſie einmal angefan- gen haben, nicht wieder aufhören können, ſo ließ er nun auch noch andere prächtige Hofkleider bringen, und wechſelte mehrmal die Toilette, wie auf dem Theater, eine Kindlichkeit bei ſolchem Geld-Heros, die ich faſt mit Heinrich dem IV. vergleichen möchte, als dieſer beim Eintritt des fremden Geſandten ſei- nem Sohne eben als Reitpferd diente.
Es war übrigens ziemlich komiſch anzuſehen, wie der ſonſt ſo kaufmänniſch ernſte Mann, ſich mit den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0350"n="332"/>
licher Anblick. Nur eine einzige Loge blieb ſtehen,<lb/>
und in dieſer rettete ſich, durch ſeine Kaltblütigkeit<lb/>
nicht von der Stelle zu weichen, der Schauſpieler<lb/>
Farren, der unverſehrt die ganze entſetzliche Cata-<lb/>ſtrophe mit anſah, eine nur zu ächte Tragödie, die<lb/>ſich keiner erwartet hatte.</p><lb/><p>Jetzt iſt im Getümmel der Seaſon Alles ſchon wie-<lb/>
der vergeſſen. Bei allen dem giebt dieſes geräuſch-<lb/>
volle Leben weit weniger Stoff als man denken ſollte,<lb/>
und den es gibt, vergißt man im ewigen Trouble.</p><lb/><p>Ein Familiendin<hirendition="#aq">é</hi> bei dem großen R., den man mit<lb/>
dem Sultan verglichen hat, weil dieſer der Herrſcher<lb/>
aller Gläubigen und jener der Gläubiger aller Herr-<lb/>ſcher ſey, kam als Abwechslung dazwiſchen. Dieſer<lb/>
Mann hat wirklich etwas ganz Originelles. Er war<lb/>
heute beſonders luſtig, und ließ ſeine neue öſtreichi-<lb/>ſche Conſularuniform holen, die ihm, wie er ſagte,<lb/>ſein Freund M … ch von Wien geſchickt habe, zeigte<lb/>ſie uns, und ließ ſich nachher ſogar bereden, ſie vor<lb/>
dem Spiegel anzuprobiren und damit einherzuſtol-<lb/>
ziren, ja wie Virtuoſen, wenn ſie einmal angefan-<lb/>
gen haben, nicht wieder aufhören können, ſo ließ er<lb/>
nun auch noch andere prächtige Hofkleider bringen,<lb/>
und wechſelte mehrmal die Toilette, wie auf dem<lb/>
Theater, eine Kindlichkeit bei ſolchem Geld-Heros,<lb/>
die ich faſt mit Heinrich dem <hirendition="#aq">IV.</hi> vergleichen möchte,<lb/>
als dieſer beim Eintritt des fremden Geſandten ſei-<lb/>
nem <choice><sic>Sobne</sic><corr>Sohne</corr></choice> eben als Reitpferd diente.</p><lb/><p>Es war übrigens ziemlich komiſch anzuſehen, wie<lb/>
der ſonſt ſo kaufmänniſch ernſte Mann, ſich mit den<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[332/0350]
licher Anblick. Nur eine einzige Loge blieb ſtehen,
und in dieſer rettete ſich, durch ſeine Kaltblütigkeit
nicht von der Stelle zu weichen, der Schauſpieler
Farren, der unverſehrt die ganze entſetzliche Cata-
ſtrophe mit anſah, eine nur zu ächte Tragödie, die
ſich keiner erwartet hatte.
Jetzt iſt im Getümmel der Seaſon Alles ſchon wie-
der vergeſſen. Bei allen dem giebt dieſes geräuſch-
volle Leben weit weniger Stoff als man denken ſollte,
und den es gibt, vergißt man im ewigen Trouble.
Ein Familiendiné bei dem großen R., den man mit
dem Sultan verglichen hat, weil dieſer der Herrſcher
aller Gläubigen und jener der Gläubiger aller Herr-
ſcher ſey, kam als Abwechslung dazwiſchen. Dieſer
Mann hat wirklich etwas ganz Originelles. Er war
heute beſonders luſtig, und ließ ſeine neue öſtreichi-
ſche Conſularuniform holen, die ihm, wie er ſagte,
ſein Freund M … ch von Wien geſchickt habe, zeigte
ſie uns, und ließ ſich nachher ſogar bereden, ſie vor
dem Spiegel anzuprobiren und damit einherzuſtol-
ziren, ja wie Virtuoſen, wenn ſie einmal angefan-
gen haben, nicht wieder aufhören können, ſo ließ er
nun auch noch andere prächtige Hofkleider bringen,
und wechſelte mehrmal die Toilette, wie auf dem
Theater, eine Kindlichkeit bei ſolchem Geld-Heros,
die ich faſt mit Heinrich dem IV. vergleichen möchte,
als dieſer beim Eintritt des fremden Geſandten ſei-
nem Sohne eben als Reitpferd diente.
Es war übrigens ziemlich komiſch anzuſehen, wie
der ſonſt ſo kaufmänniſch ernſte Mann, ſich mit den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/350>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.