nieße ich schon wahrhaft meine jetzige Mäßigkeit, ich fühle mich dabei ganz ätherisch leicht, über das Ani- malische erhabner als gewöhnlich. -- Von andern Verirrungen ist gar nicht mehr die Rede, und dies Alles giebt mir wirklich einen Vorgeschmack der ein- stigen reineren Freuden -- des Alters. Denn für gewisse Dinge -- gestehen wir es nur frank und frei, -- hat der böse Franzose wenigstens halb recht, wel- cher sagt: que c'est le vice qui nous quitte, et bien rarement nous, qui quittons le vice. Selbst die ehrlichsten der Schwärmer fanden die sicherste Tu- gend nur im Messer, wie der große Origines.
Den 9ten.
Nie habe ich einen Doctor gehabt, der es so gut mit dem -- Apotheker meint. Jeden Tag zwei Me- dicinen; ich ernähre mich mit nichts anderm, da ich aber leider ernstlich krank bin, nehme ich gelassen was verlangt wird. Eine Krankenwärterin, wie Du es bist, vermisse ich aber sehr, und meine dürre und trockne Wirthin, welche sich doch östers sehr gutwil- lig dazu anbietet, wäre ein schlechter Ersatz. Indes- sen lese ich viel, und bin ganz heiter. Wollte ich mich melancholischen Selbstquälereien überlassen, so könnte ich mich, ausser den positiven Ursachen dazu, noch negativ darüber ärgern, daß jetzt, wo ich zu Haus bleiben muß, fortwährend das schönste Wetter
nieße ich ſchon wahrhaft meine jetzige Mäßigkeit, ich fühle mich dabei ganz ätheriſch leicht, über das Ani- maliſche erhabner als gewöhnlich. — Von andern Verirrungen iſt gar nicht mehr die Rede, und dies Alles giebt mir wirklich einen Vorgeſchmack der ein- ſtigen reineren Freuden — des Alters. Denn für gewiſſe Dinge — geſtehen wir es nur frank und frei, — hat der böſe Franzoſe wenigſtens halb recht, wel- cher ſagt: que c’est le vice qui nous quitte, et bien rarement nous, qui quittons le vice. Selbſt die ehrlichſten der Schwärmer fanden die ſicherſte Tu- gend nur im Meſſer, wie der große Origines.
Den 9ten.
Nie habe ich einen Doctor gehabt, der es ſo gut mit dem — Apotheker meint. Jeden Tag zwei Me- dicinen; ich ernähre mich mit nichts anderm, da ich aber leider ernſtlich krank bin, nehme ich gelaſſen was verlangt wird. Eine Krankenwärterin, wie Du es biſt, vermiſſe ich aber ſehr, und meine dürre und trockne Wirthin, welche ſich doch öſters ſehr gutwil- lig dazu anbietet, wäre ein ſchlechter Erſatz. Indeſ- ſen leſe ich viel, und bin ganz heiter. Wollte ich mich melancholiſchen Selbſtquälereien überlaſſen, ſo könnte ich mich, auſſer den poſitiven Urſachen dazu, noch negativ darüber ärgern, daß jetzt, wo ich zu Haus bleiben muß, fortwährend das ſchönſte Wetter
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nieße ich ſchon wahrhaft meine jetzige Mäßigkeit, ich
fühle mich dabei ganz ätheriſch leicht, über das Ani-
maliſche erhabner als gewöhnlich. — Von andern
Verirrungen iſt gar nicht mehr die Rede, und dies
Alles giebt mir wirklich einen Vorgeſchmack der ein-
ſtigen reineren Freuden — des Alters. Denn für
gewiſſe Dinge — geſtehen wir es nur frank und frei,
— hat der böſe Franzoſe wenigſtens halb recht, wel-
cher ſagt: que c’est le vice qui nous quitte, et bien
rarement nous, qui quittons le vice. Selbſt die
ehrlichſten der Schwärmer fanden die ſicherſte Tu-
gend nur im Meſſer, wie der große Origines.
Den 9ten.
Nie habe ich einen Doctor gehabt, der es ſo gut
mit dem — Apotheker meint. Jeden Tag zwei Me-
dicinen; ich ernähre mich mit nichts anderm, da ich
aber leider ernſtlich krank bin, nehme ich gelaſſen was
verlangt wird. Eine Krankenwärterin, wie Du es
biſt, vermiſſe ich aber ſehr, und meine dürre und
trockne Wirthin, welche ſich doch öſters ſehr gutwil-
lig dazu anbietet, wäre ein ſchlechter Erſatz. Indeſ-
ſen leſe ich viel, und bin ganz heiter. Wollte ich
mich melancholiſchen Selbſtquälereien überlaſſen, ſo
könnte ich mich, auſſer den poſitiven Urſachen dazu,
noch negativ darüber ärgern, daß jetzt, wo ich zu
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/328>, abgerufen am 24.11.2024.
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