Gewissens ankämpfen ließ, kann ihn jetzt nur, Blitzen gleich, augenblicklich noch mit Erschütterung durch- zucken. Er ist seiner und des Lebens überdrüßig, und kämpfend, wie er mit bitterem Hohne sagt: "gleich einem rings umstellten Eber" fällt er endlich -- ein großer Verbrecher, aber dennoch ein König und ein Held.
Gleich meifterhaft ward auch das Gefecht mit Mac- duff ausgeführt, was so leicht ungeschickten Schau- spielern mißräth. Nichts Uebereiltes, und doch Alles Feuer, ja alles Gräßliche des Endes -- der letzten Wuth und Verzweiflung hineingelegt.
Ich vergesse nie die lächerliche Wirkung dieser Scene bei der ersten Aufführung der Spikerschen Ue- bersetzung des Macbeth in Berlin. Macbeth und sein Gegner überhaspelten sich dabei dergestalt, daß sie wider ihren Willen hinter die Coulissen geriethen, ehe sie noch mit ihren Reden zu Ende waren, wes- halb das von dort heraus schallende "Halt, genug" (dessen Vorhergehendes man nicht mehr gehört hatte) vollkommen so klang, als wenn der überrannte Mac- beth, mit vorgehaltenem Degen den weitern Kampf deprecirend, geschrieen hätte: Laßt's gut seyn, -- halt genug!
Lady Macbeth, obgleich nur von einer Schauspie- lerin zweiten Ranges gespielt, denn leider gibt es seit Mistriß Siddons und Miß Oneils Abgang keine erste mehr, gefiel mir in ihrer schwachen Darstellung doch besser als viele gerngroße Künstlerinnen unseres
Briefe eines Verstorbenen. IV. 17
Gewiſſens ankämpfen ließ, kann ihn jetzt nur, Blitzen gleich, augenblicklich noch mit Erſchütterung durch- zucken. Er iſt ſeiner und des Lebens überdrüßig, und kämpfend, wie er mit bitterem Hohne ſagt: „gleich einem rings umſtellten Eber“ fällt er endlich — ein großer Verbrecher, aber dennoch ein König und ein Held.
Gleich meifterhaft ward auch das Gefecht mit Mac- duff ausgeführt, was ſo leicht ungeſchickten Schau- ſpielern mißräth. Nichts Uebereiltes, und doch Alles Feuer, ja alles Gräßliche des Endes — der letzten Wuth und Verzweiflung hineingelegt.
Ich vergeſſe nie die lächerliche Wirkung dieſer Scene bei der erſten Aufführung der Spikerſchen Ue- berſetzung des Macbeth in Berlin. Macbeth und ſein Gegner überhaſpelten ſich dabei dergeſtalt, daß ſie wider ihren Willen hinter die Couliſſen geriethen, ehe ſie noch mit ihren Reden zu Ende waren, wes- halb das von dort heraus ſchallende „Halt, genug“ (deſſen Vorhergehendes man nicht mehr gehört hatte) vollkommen ſo klang, als wenn der überrannte Mac- beth, mit vorgehaltenem Degen den weitern Kampf deprecirend, geſchrieen hätte: Laßt’s gut ſeyn, — halt genug!
Lady Macbeth, obgleich nur von einer Schauſpie- lerin zweiten Ranges geſpielt, denn leider gibt es ſeit Miſtriß Siddons und Miß Oneils Abgang keine erſte mehr, gefiel mir in ihrer ſchwachen Darſtellung doch beſſer als viele gerngroße Künſtlerinnen unſeres
Briefe eines Verſtorbenen. IV. 17
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Gewiſſens ankämpfen ließ, kann ihn jetzt nur, Blitzen
gleich, augenblicklich noch mit Erſchütterung durch-
zucken. Er iſt ſeiner und des Lebens überdrüßig,
und kämpfend, wie er mit bitterem Hohne ſagt:
„gleich einem rings umſtellten Eber“ fällt er endlich
— ein großer Verbrecher, aber dennoch ein König
und ein Held.
Gleich meifterhaft ward auch das Gefecht mit Mac-
duff ausgeführt, was ſo leicht ungeſchickten Schau-
ſpielern mißräth. Nichts Uebereiltes, und doch Alles
Feuer, ja alles Gräßliche des Endes — der letzten
Wuth und Verzweiflung hineingelegt.
Ich vergeſſe nie die lächerliche Wirkung dieſer
Scene bei der erſten Aufführung der Spikerſchen Ue-
berſetzung des Macbeth in Berlin. Macbeth und
ſein Gegner überhaſpelten ſich dabei dergeſtalt, daß
ſie wider ihren Willen hinter die Couliſſen geriethen,
ehe ſie noch mit ihren Reden zu Ende waren, wes-
halb das von dort heraus ſchallende „Halt, genug“
(deſſen Vorhergehendes man nicht mehr gehört hatte)
vollkommen ſo klang, als wenn der überrannte Mac-
beth, mit vorgehaltenem Degen den weitern Kampf
deprecirend, geſchrieen hätte: Laßt’s gut ſeyn, —
halt genug!
Lady Macbeth, obgleich nur von einer Schauſpie-
lerin zweiten Ranges geſpielt, denn leider gibt es
ſeit Miſtriß Siddons und Miß Oneils Abgang keine
erſte mehr, gefiel mir in ihrer ſchwachen Darſtellung
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/273>, abgerufen am 24.11.2024.
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