Unsre Minister würden sich nicht wenig wundern, wenn eine der löschpapiernen Zeitungen so mit ihnen umspränge.
Morgen begebe ich mich nach der Stadt zurück, denn wie einst die Römer Rom, nennen auch die Engländer London nur "die Stadt."
London, den 22sten.
Ich kam grade noch zur rechten Zeit an, um einem großen Dine beim neuen Premier beizuwohnen, zu dem ich die Einladung schon in Brighton erhalten.
Dieser ausgezeichnete Mann macht die Honneurs seines Hauses eben so angenehm, als er die Herzen seiner Zuhörer im Parlament hinzureißen weiß. Schöngeist und Staatsmann tour a tour, fehlt ihm nichts als eine bessere Gesundheit, denn er schien mir sehr leidend. Mistriß Canning ist ebenfalls eine geistreiche Frau. Man behauptet, daß sie das De- partement der Zeitungen im Hause habe, d. h. diese lesen müsse, um ihrem Manne die nöthigen Auszüge daraus mitzutheilen, und auch selbst manchmal einen Partheiartikel darin zu schreiben nicht verschmähe.
Ein Concert bei Gräfin A. ... war sehr besucht. Galli und Madame Pasta, die vor Kurzem angekom- men sind, und die Oper sehr heben werden, sangen darin. Die Zimmer waren gepfropft voll, und meh- rere junge Herren lagen auf dem Teppich zu den
Unſre Miniſter würden ſich nicht wenig wundern, wenn eine der löſchpapiernen Zeitungen ſo mit ihnen umſpränge.
Morgen begebe ich mich nach der Stadt zurück, denn wie einſt die Römer Rom, nennen auch die Engländer London nur „die Stadt.“
London, den 22ſten.
Ich kam grade noch zur rechten Zeit an, um einem großen Diné beim neuen Premier beizuwohnen, zu dem ich die Einladung ſchon in Brighton erhalten.
Dieſer ausgezeichnete Mann macht die Honneurs ſeines Hauſes eben ſo angenehm, als er die Herzen ſeiner Zuhörer im Parlament hinzureißen weiß. Schöngeiſt und Staatsmann tour à tour, fehlt ihm nichts als eine beſſere Geſundheit, denn er ſchien mir ſehr leidend. Miſtriß Canning iſt ebenfalls eine geiſtreiche Frau. Man behauptet, daß ſie das De- partement der Zeitungen im Hauſe habe, d. h. dieſe leſen müſſe, um ihrem Manne die nöthigen Auszüge daraus mitzutheilen, und auch ſelbſt manchmal einen Partheiartikel darin zu ſchreiben nicht verſchmähe.
Ein Concert bei Gräfin A. … war ſehr beſucht. Galli und Madame Paſta, die vor Kurzem angekom- men ſind, und die Oper ſehr heben werden, ſangen darin. Die Zimmer waren gepfropft voll, und meh- rere junge Herren lagen auf dem Teppich zu den
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Unſre Miniſter würden ſich nicht wenig wundern,
wenn eine der löſchpapiernen Zeitungen ſo mit ihnen
umſpränge.
Morgen begebe ich mich nach der Stadt zurück,
denn wie einſt die Römer Rom, nennen auch die
Engländer London nur „die Stadt.“
London, den 22ſten.
Ich kam grade noch zur rechten Zeit an, um einem
großen Diné beim neuen Premier beizuwohnen, zu
dem ich die Einladung ſchon in Brighton erhalten.
Dieſer ausgezeichnete Mann macht die Honneurs
ſeines Hauſes eben ſo angenehm, als er die Herzen
ſeiner Zuhörer im Parlament hinzureißen weiß.
Schöngeiſt und Staatsmann tour à tour, fehlt ihm
nichts als eine beſſere Geſundheit, denn er ſchien
mir ſehr leidend. Miſtriß Canning iſt ebenfalls eine
geiſtreiche Frau. Man behauptet, daß ſie das De-
partement der Zeitungen im Hauſe habe, d. h. dieſe
leſen müſſe, um ihrem Manne die nöthigen Auszüge
daraus mitzutheilen, und auch ſelbſt manchmal einen
Partheiartikel darin zu ſchreiben nicht verſchmähe.
Ein Concert bei Gräfin A. … war ſehr beſucht.
Galli und Madame Paſta, die vor Kurzem angekom-
men ſind, und die Oper ſehr heben werden, ſangen
darin. Die Zimmer waren gepfropft voll, und meh-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/27>, abgerufen am 24.11.2024.
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