Es war viel von Politik die Rede, und dem pracht- vollen Kriegsanfang mit Vertilgung der türkischen Flotte.
Welche Inconsequenz ist es doch, Engländer so sprechen zu hören! aber seit Napoleons Fall wissen die leitenden Politiker fast alle nicht mehr recht, was sie wollen. Die jammervollen Resultate ihres Con- gresses genügten ihnen zwar selber nicht, aber den- noch erschien keine Originalidee, sie weiter zu treiben, kein Hauptwille steht mehr hinter ihnen, und das Schicksal Europa's hängt schon nicht mehr von seinen Führern, sondern von dem Zufalle ab. Cannings Erscheinung war nur eine transitorische, und wie sind seine Nachfolger beschaffen! Die Zerstörung der Flotte ihres sichersten und treuesten Bundesgenossen ohne Krieg ist wohl der beste Beweis dafür, obgleich ich mich als Mensch und Griechenfreund herzlich darüber freue.
Wir werden aber bei diesen Mißgeburten politischer Systeme, bei diesem Schwanken aller Orten, gewiß noch seltsame Dinge erleben, und vielleicht Zusam- menstellungen, die man jetzt für unmöglich hält. Canning selbst ist zum Theil daran Schuld, da seine angefangenen Pläne nicht reif wurden, und ein Mann von eminentem Genie auf einem hohen Platze immer seinen Nachfolgern verderblich wird, wenn diese Pyg- mäen sind. Die jetzigen Minister haben ganz das Ansehen, als wollten sie England langsam dem Ab- grund zuführen, den Canning für Andere gegraben hat.
Es war viel von Politik die Rede, und dem pracht- vollen Kriegsanfang mit Vertilgung der türkiſchen Flotte.
Welche Inconſequenz iſt es doch, Engländer ſo ſprechen zu hören! aber ſeit Napoleons Fall wiſſen die leitenden Politiker faſt alle nicht mehr recht, was ſie wollen. Die jammervollen Reſultate ihres Con- greſſes genügten ihnen zwar ſelber nicht, aber den- noch erſchien keine Originalidee, ſie weiter zu treiben, kein Hauptwille ſteht mehr hinter ihnen, und das Schickſal Europa’s hängt ſchon nicht mehr von ſeinen Führern, ſondern von dem Zufalle ab. Cannings Erſcheinung war nur eine tranſitoriſche, und wie ſind ſeine Nachfolger beſchaffen! Die Zerſtörung der Flotte ihres ſicherſten und treueſten Bundesgenoſſen ohne Krieg iſt wohl der beſte Beweis dafür, obgleich ich mich als Menſch und Griechenfreund herzlich darüber freue.
Wir werden aber bei dieſen Mißgeburten politiſcher Syſteme, bei dieſem Schwanken aller Orten, gewiß noch ſeltſame Dinge erleben, und vielleicht Zuſam- menſtellungen, die man jetzt für unmöglich hält. Canning ſelbſt iſt zum Theil daran Schuld, da ſeine angefangenen Pläne nicht reif wurden, und ein Mann von eminentem Genie auf einem hohen Platze immer ſeinen Nachfolgern verderblich wird, wenn dieſe Pyg- mäen ſind. Die jetzigen Miniſter haben ganz das Anſehen, als wollten ſie England langſam dem Ab- grund zuführen, den Canning für Andere gegraben hat.
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Es war viel von Politik die Rede, und dem pracht-
vollen Kriegsanfang mit Vertilgung der türkiſchen
Flotte.
Welche Inconſequenz iſt es doch, Engländer ſo
ſprechen zu hören! aber ſeit Napoleons Fall wiſſen
die leitenden Politiker faſt alle nicht mehr recht, was
ſie wollen. Die jammervollen Reſultate ihres Con-
greſſes genügten ihnen zwar ſelber nicht, aber den-
noch erſchien keine Originalidee, ſie weiter zu treiben,
kein Hauptwille ſteht mehr hinter ihnen, und das
Schickſal Europa’s hängt ſchon nicht mehr von ſeinen
Führern, ſondern von dem Zufalle ab. Cannings
Erſcheinung war nur eine tranſitoriſche, und wie ſind
ſeine Nachfolger beſchaffen! Die Zerſtörung der Flotte
ihres ſicherſten und treueſten Bundesgenoſſen ohne
Krieg iſt wohl der beſte Beweis dafür, obgleich ich
mich als Menſch und Griechenfreund herzlich darüber
freue.
Wir werden aber bei dieſen Mißgeburten politiſcher
Syſteme, bei dieſem Schwanken aller Orten, gewiß
noch ſeltſame Dinge erleben, und vielleicht Zuſam-
menſtellungen, die man jetzt für unmöglich hält.
Canning ſelbſt iſt zum Theil daran Schuld, da ſeine
angefangenen Pläne nicht reif wurden, und ein Mann
von eminentem Genie auf einem hohen Platze immer
ſeinen Nachfolgern verderblich wird, wenn dieſe Pyg-
mäen ſind. Die jetzigen Miniſter haben ganz das
Anſehen, als wollten ſie England langſam dem Ab-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/263>, abgerufen am 24.11.2024.
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