den Tönen der Mitternachtsglocke vom Thurm herab, einen recht romanhaften Eindruck.
Noch mehr war dies der Fall, als wir in die Gruft hinabstiegen, wo in einem aufgebrochenen zinnernen Sarge das Gerippe des Herzogs von Bedford, des Reichsverwesers liegt, der vor 600 Jahren vom Kar- dinal Beaufort vergiftet wurde. Es ist durch die Länge der Zeit so braun und glatt wie polirtes Ma- hagoniholz geworden, und neugierige Antiquare ha- ben es deshalb schon mehrerer Knochen beraubt. Auch der Küster, ein Irländer, ergriff ohne Umstände ei- nen der Beinknochen, und ihn wie einen Knüppel in der Luft schwingend, bemerkte er: der Knochen wäre so schön und hart durch die Zeit geworden, daß er einen vortrefflichen Shileila abgeben könnte. Was würde der stolze Herzog gesagt haben, wenn er bei Lebzeiten erfahren, wie so geringe Leute einst mit seinem armen Leichnam umgehen würden.
Den soliden Bau damaliger Zeiten beweist am be- sten die über tausend Jahr alte prachtvolle hölzerne Decke, die noch so schön und wohlerhalten ist, als wenn in der angegebenen Zahl keine Nullen hinter der 1 stünden. Die bunten Fenster, nebst dem gol- denen Grab des heiligen Alban, sind leider auch in Cromwells Zeit größtentheils zerstört worden.
Noch zeitig genug, um die Hälfte der Nacht aus- zuruhen, kam ich in London an, und mein erstes Geschäft am Morgen war, vorliegenden, zum Paket
den Tönen der Mitternachtsglocke vom Thurm herab, einen recht romanhaften Eindruck.
Noch mehr war dies der Fall, als wir in die Gruft hinabſtiegen, wo in einem aufgebrochenen zinnernen Sarge das Gerippe des Herzogs von Bedford, des Reichsverweſers liegt, der vor 600 Jahren vom Kar- dinal Beaufort vergiftet wurde. Es iſt durch die Länge der Zeit ſo braun und glatt wie polirtes Ma- hagoniholz geworden, und neugierige Antiquare ha- ben es deshalb ſchon mehrerer Knochen beraubt. Auch der Küſter, ein Irländer, ergriff ohne Umſtände ei- nen der Beinknochen, und ihn wie einen Knüppel in der Luft ſchwingend, bemerkte er: der Knochen wäre ſo ſchön und hart durch die Zeit geworden, daß er einen vortrefflichen Shileila abgeben könnte. Was würde der ſtolze Herzog geſagt haben, wenn er bei Lebzeiten erfahren, wie ſo geringe Leute einſt mit ſeinem armen Leichnam umgehen würden.
Den ſoliden Bau damaliger Zeiten beweist am be- ſten die über tauſend Jahr alte prachtvolle hölzerne Decke, die noch ſo ſchön und wohlerhalten iſt, als wenn in der angegebenen Zahl keine Nullen hinter der 1 ſtünden. Die bunten Fenſter, nebſt dem gol- denen Grab des heiligen Alban, ſind leider auch in Cromwells Zeit größtentheils zerſtört worden.
Noch zeitig genug, um die Hälfte der Nacht aus- zuruhen, kam ich in London an, und mein erſtes Geſchäft am Morgen war, vorliegenden, zum Paket
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den Tönen der Mitternachtsglocke vom Thurm herab,
einen recht romanhaften Eindruck.
Noch mehr war dies der Fall, als wir in die Gruft
hinabſtiegen, wo in einem aufgebrochenen zinnernen
Sarge das Gerippe des Herzogs von Bedford, des
Reichsverweſers liegt, der vor 600 Jahren vom Kar-
dinal Beaufort vergiftet wurde. Es iſt durch die
Länge der Zeit ſo braun und glatt wie polirtes Ma-
hagoniholz geworden, und neugierige Antiquare ha-
ben es deshalb ſchon mehrerer Knochen beraubt. Auch
der Küſter, ein Irländer, ergriff ohne Umſtände ei-
nen der Beinknochen, und ihn wie einen Knüppel in
der Luft ſchwingend, bemerkte er: der Knochen wäre
ſo ſchön und hart durch die Zeit geworden, daß er
einen vortrefflichen Shileila abgeben könnte. Was
würde der ſtolze Herzog geſagt haben, wenn er bei
Lebzeiten erfahren, wie ſo geringe Leute einſt mit
ſeinem armen Leichnam umgehen würden.
Den ſoliden Bau damaliger Zeiten beweist am be-
ſten die über tauſend Jahr alte prachtvolle hölzerne
Decke, die noch ſo ſchön und wohlerhalten iſt, als
wenn in der angegebenen Zahl keine Nullen hinter
der 1 ſtünden. Die bunten Fenſter, nebſt dem gol-
denen Grab des heiligen Alban, ſind leider auch in
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Noch zeitig genug, um die Hälfte der Nacht aus-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/250>, abgerufen am 24.11.2024.
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