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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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Ein ächt Erzbischöfliches Dine beschloß den ange-
nehmen Abend. Dabei fiel mir das Verhältniß der
vornehmen englischen Geistlichen zu ihren Weibern
wieder recht sonderbar auf. Ich sagte Dir, glaub' ich,
schon, daß diese weder den Titel noch Namen ihrer
Männer tragen, sondern, wie bloße Freundinnen,
blos den ihrigen behalten. Die hiesige Dame des
Hauses war indeß eine Lady in her own right von
angesehener Familie und dabei eine sehr artige Frau.
Sie hat 10 Söhne und 3 Töchter. Von den letzten
befand sich nur eine zugegen, ohngefähr 20 Jahr alt,
die ein bei Weibern seltnes Unglück gehabt hat, näm-
lich ein Bein zu verlieren, das man ihr nach einem
Falle vom Pferde abnehmen mußte. Die Kleidung
versteckt aber bei einer Frau diesen Mangel weit bes-
ser als bei einem Manne, und ich bemerkte nicht
einmal einen gehinderten Gang an ihr, ehe ich davon
unterrichtet war.



Ich vergaß gestern einer drolligen Geschichte zu
erwähnen, die bei Tische erzählt wurde, und gewiß
das stärkste Beispiel von Distraktion aufstellt, welches
Du, den sich köpfenden Irländer abgerechnet, noch
gehört haben wirst. Lord Seaford erzählte von sei-
nem Onkel dem alten Grafen von Warwick, der
schon früher wegen seiner Zerstreutheit berühmt war,
daß er einst in einem wichtigen Geschäft von War-

Ein ächt Erzbiſchöfliches Diné beſchloß den ange-
nehmen Abend. Dabei fiel mir das Verhältniß der
vornehmen engliſchen Geiſtlichen zu ihren Weibern
wieder recht ſonderbar auf. Ich ſagte Dir, glaub’ ich,
ſchon, daß dieſe weder den Titel noch Namen ihrer
Männer tragen, ſondern, wie bloße Freundinnen,
blos den ihrigen behalten. Die hieſige Dame des
Hauſes war indeß eine Lady in her own right von
angeſehener Familie und dabei eine ſehr artige Frau.
Sie hat 10 Söhne und 3 Töchter. Von den letzten
befand ſich nur eine zugegen, ohngefähr 20 Jahr alt,
die ein bei Weibern ſeltnes Unglück gehabt hat, näm-
lich ein Bein zu verlieren, das man ihr nach einem
Falle vom Pferde abnehmen mußte. Die Kleidung
verſteckt aber bei einer Frau dieſen Mangel weit beſ-
ſer als bei einem Manne, und ich bemerkte nicht
einmal einen gehinderten Gang an ihr, ehe ich davon
unterrichtet war.



Ich vergaß geſtern einer drolligen Geſchichte zu
erwähnen, die bei Tiſche erzählt wurde, und gewiß
das ſtärkſte Beiſpiel von Diſtraktion aufſtellt, welches
Du, den ſich köpfenden Irländer abgerechnet, noch
gehört haben wirſt. Lord Seaford erzählte von ſei-
nem Onkel dem alten Grafen von Warwick, der
ſchon früher wegen ſeiner Zerſtreutheit berühmt war,
daß er einſt in einem wichtigen Geſchäft von War-

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[190/0206] Ein ächt Erzbiſchöfliches Diné beſchloß den ange- nehmen Abend. Dabei fiel mir das Verhältniß der vornehmen engliſchen Geiſtlichen zu ihren Weibern wieder recht ſonderbar auf. Ich ſagte Dir, glaub’ ich, ſchon, daß dieſe weder den Titel noch Namen ihrer Männer tragen, ſondern, wie bloße Freundinnen, blos den ihrigen behalten. Die hieſige Dame des Hauſes war indeß eine Lady in her own right von angeſehener Familie und dabei eine ſehr artige Frau. Sie hat 10 Söhne und 3 Töchter. Von den letzten befand ſich nur eine zugegen, ohngefähr 20 Jahr alt, die ein bei Weibern ſeltnes Unglück gehabt hat, näm- lich ein Bein zu verlieren, das man ihr nach einem Falle vom Pferde abnehmen mußte. Die Kleidung verſteckt aber bei einer Frau dieſen Mangel weit beſ- ſer als bei einem Manne, und ich bemerkte nicht einmal einen gehinderten Gang an ihr, ehe ich davon unterrichtet war. Scarborough den 21ſten. Ich vergaß geſtern einer drolligen Geſchichte zu erwähnen, die bei Tiſche erzählt wurde, und gewiß das ſtärkſte Beiſpiel von Diſtraktion aufſtellt, welches Du, den ſich köpfenden Irländer abgerechnet, noch gehört haben wirſt. Lord Seaford erzählte von ſei- nem Onkel dem alten Grafen von Warwick, der ſchon früher wegen ſeiner Zerſtreutheit berühmt war, daß er einſt in einem wichtigen Geſchäft von War-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/206>, abgerufen am 24.11.2024.