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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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als die unsrige, und daher dem dichterischen Ge-
müth, das überall das Vollkommene, es sey klein
oder groß, mit Vergnügen gewahr wird, ein immer
neu anziehendes Bild darstellt.



Ich hielt heute früh die Nachlese, und besah
noch die uralte Kirche All Saints, wo ich, leider in
sehr schlechter Erhaltung, vortreffliche bunte Gläser
antraf, besonders eine Jungfrau mit dem Christus-
Kinde von einer Schönheit, und Lieblichkeit des
Ausdruckes, deren Raphael sich nicht zu schämen
hätte. Ferner St. Mary's alte Kirche, die ein selt-
sames Thor hat, auf dem eine Menge Hieroglyphen
und die Zeichen des Zodiaks in Stein zierlich ausge-
hauen sind. Da ich den Erzbischof von York in
London hatte kennen lernen, so schrieb ich ihm ge-
stern ein Billet, und bat ihn um die Erlaubniß, seine
Villa, wo er jetzt residirt, und ihm selbst meinen
Besuch zu machen. Er hat mir sehr artig geantwor-
tet, und mich gebeten, einige Tage bei ihm zu blei-
ben. Da ich dazu keine Lust habe, so nahm ich blos
ein Dine auf heute an, und fuhr um 5 Uhr hinaus.

Ich fand einen vortrefflich gehaltnen, üppig
fruchtbaren pleasure ground und ein stattliches altes
gothisches Gebäude in einem ganz besondern Style,
der mir sehr wohl gefiel. Es war nicht sehr groß,

als die unſrige, und daher dem dichteriſchen Ge-
müth, das überall das Vollkommene, es ſey klein
oder groß, mit Vergnügen gewahr wird, ein immer
neu anziehendes Bild darſtellt.



Ich hielt heute früh die Nachleſe, und beſah
noch die uralte Kirche All Saints, wo ich, leider in
ſehr ſchlechter Erhaltung, vortreffliche bunte Gläſer
antraf, beſonders eine Jungfrau mit dem Chriſtus-
Kinde von einer Schönheit, und Lieblichkeit des
Ausdruckes, deren Raphael ſich nicht zu ſchämen
hätte. Ferner St. Mary’s alte Kirche, die ein ſelt-
ſames Thor hat, auf dem eine Menge Hieroglyphen
und die Zeichen des Zodiaks in Stein zierlich ausge-
hauen ſind. Da ich den Erzbiſchof von York in
London hatte kennen lernen, ſo ſchrieb ich ihm ge-
ſtern ein Billet, und bat ihn um die Erlaubniß, ſeine
Villa, wo er jetzt reſidirt, und ihm ſelbſt meinen
Beſuch zu machen. Er hat mir ſehr artig geantwor-
tet, und mich gebeten, einige Tage bei ihm zu blei-
ben. Da ich dazu keine Luſt habe, ſo nahm ich blos
ein Diné auf heute an, und fuhr um 5 Uhr hinaus.

Ich fand einen vortrefflich gehaltnen, üppig
fruchtbaren pleasure ground und ein ſtattliches altes
gothiſches Gebäude in einem ganz beſondern Style,
der mir ſehr wohl gefiel. Es war nicht ſehr groß,

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[187/0203] als die unſrige, und daher dem dichteriſchen Ge- müth, das überall das Vollkommene, es ſey klein oder groß, mit Vergnügen gewahr wird, ein immer neu anziehendes Bild darſtellt. Den 20ſten. Ich hielt heute früh die Nachleſe, und beſah noch die uralte Kirche All Saints, wo ich, leider in ſehr ſchlechter Erhaltung, vortreffliche bunte Gläſer antraf, beſonders eine Jungfrau mit dem Chriſtus- Kinde von einer Schönheit, und Lieblichkeit des Ausdruckes, deren Raphael ſich nicht zu ſchämen hätte. Ferner St. Mary’s alte Kirche, die ein ſelt- ſames Thor hat, auf dem eine Menge Hieroglyphen und die Zeichen des Zodiaks in Stein zierlich ausge- hauen ſind. Da ich den Erzbiſchof von York in London hatte kennen lernen, ſo ſchrieb ich ihm ge- ſtern ein Billet, und bat ihn um die Erlaubniß, ſeine Villa, wo er jetzt reſidirt, und ihm ſelbſt meinen Beſuch zu machen. Er hat mir ſehr artig geantwor- tet, und mich gebeten, einige Tage bei ihm zu blei- ben. Da ich dazu keine Luſt habe, ſo nahm ich blos ein Diné auf heute an, und fuhr um 5 Uhr hinaus. Ich fand einen vortrefflich gehaltnen, üppig fruchtbaren pleasure ground und ein ſtattliches altes gothiſches Gebäude in einem ganz beſondern Style, der mir ſehr wohl gefiel. Es war nicht ſehr groß,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/203>, abgerufen am 24.11.2024.