London nur der, welcher du jour in den Beracken ist -- nach dem Essen aber macht sich's jeder bequem, und ich sah heute einen der jungen Lieutenants sich im Schlafrock und Pantoffeln mit dem Obristen, der in Uniform blieb, zu einer Partie Whist hinsetzen. Die Herren haben mich, wenn mich kein anderes En- gagement hindert, so lange ich in der Gegend bleibe, für immer zu ihrer Tafel gebeten, und sind ausser- ordentlich freundschaftlich für mich.
Am Morgen hatte ich Frogmore besehen, und noch einige Stunden mit Besichtigung der Gemälde in Windsor zugebracht. Im Thronsaal sind viele nicht üble Schlachtenbilder von West, die Thaten Eduards III. und des schwarzen Prinzen vorstellend, ein Gewühl von Rittern, schnaubenden Rossen, alten Trachten und Pferdeschmuck, Lanzen, Schwerdtern und Fah- nen, das gut zur Dekoration eines Königssaales paßt. In einem andern Zimmer frappirte mich das höchst ausdrucksvolle Portrait eines Herzogs von Savoyen, ein wahres Herrscherideal. Luther und Erasmus, von Holbein, bilden ein paar gute Pendants, und zugleich Contraste. Das feine und sarkastische Gesicht des Letzteren scheint eben die Worte aussprechen zu wollen, die er dem Pabste schrieb, als ihm dieser vorwarf, daß er die Fasten nicht halte: "Heiliger Vater, meine Seele ist katholisch, mein Magen aber protestantisch."
Die Schönheiten am Hofe Carls des Zweiten, die eine ganze Wand daneben schmücken, könnten leicht
London nur der, welcher du jour in den Beracken iſt — nach dem Eſſen aber macht ſich’s jeder bequem, und ich ſah heute einen der jungen Lieutenants ſich im Schlafrock und Pantoffeln mit dem Obriſten, der in Uniform blieb, zu einer Partie Whiſt hinſetzen. Die Herren haben mich, wenn mich kein anderes En- gagement hindert, ſo lange ich in der Gegend bleibe, für immer zu ihrer Tafel gebeten, und ſind auſſer- ordentlich freundſchaftlich für mich.
Am Morgen hatte ich Frogmore beſehen, und noch einige Stunden mit Beſichtigung der Gemälde in Windſor zugebracht. Im Thronſaal ſind viele nicht üble Schlachtenbilder von Weſt, die Thaten Eduards III. und des ſchwarzen Prinzen vorſtellend, ein Gewühl von Rittern, ſchnaubenden Roſſen, alten Trachten und Pferdeſchmuck, Lanzen, Schwerdtern und Fah- nen, das gut zur Dekoration eines Königsſaales paßt. In einem andern Zimmer frappirte mich das höchſt ausdrucksvolle Portrait eines Herzogs von Savoyen, ein wahres Herrſcherideal. Luther und Erasmus, von Holbein, bilden ein paar gute Pendants, und zugleich Contraſte. Das feine und ſarkaſtiſche Geſicht des Letzteren ſcheint eben die Worte ausſprechen zu wollen, die er dem Pabſte ſchrieb, als ihm dieſer vorwarf, daß er die Faſten nicht halte: „Heiliger Vater, meine Seele iſt katholiſch, mein Magen aber proteſtantiſch.“
Die Schönheiten am Hofe Carls des Zweiten, die eine ganze Wand daneben ſchmücken, könnten leicht
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London nur der, welcher du jour in den Beracken
iſt — nach dem Eſſen aber macht ſich’s jeder bequem,
und ich ſah heute einen der jungen Lieutenants ſich
im Schlafrock und Pantoffeln mit dem Obriſten, der
in Uniform blieb, zu einer Partie Whiſt hinſetzen.
Die Herren haben mich, wenn mich kein anderes En-
gagement hindert, ſo lange ich in der Gegend bleibe,
für immer zu ihrer Tafel gebeten, und ſind auſſer-
ordentlich freundſchaftlich für mich.
Am Morgen hatte ich Frogmore beſehen, und noch
einige Stunden mit Beſichtigung der Gemälde in
Windſor zugebracht. Im Thronſaal ſind viele nicht
üble Schlachtenbilder von Weſt, die Thaten Eduards III.
und des ſchwarzen Prinzen vorſtellend, ein Gewühl
von Rittern, ſchnaubenden Roſſen, alten Trachten
und Pferdeſchmuck, Lanzen, Schwerdtern und Fah-
nen, das gut zur Dekoration eines Königsſaales paßt.
In einem andern Zimmer frappirte mich das höchſt
ausdrucksvolle Portrait eines Herzogs von Savoyen,
ein wahres Herrſcherideal. Luther und Erasmus,
von Holbein, bilden ein paar gute Pendants, und
zugleich Contraſte. Das feine und ſarkaſtiſche Geſicht
des Letzteren ſcheint eben die Worte ausſprechen zu
wollen, die er dem Pabſte ſchrieb, als ihm dieſer
vorwarf, daß er die Faſten nicht halte: „Heiliger
Vater, meine Seele iſt katholiſch, mein Magen aber
proteſtantiſch.“
Die Schönheiten am Hofe Carls des Zweiten, die
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/175>, abgerufen am 24.11.2024.
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