Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

über. Und grade so macht es Fortuna! Sie fährt
auf ihrem Glückswagen fortwährend durch die Welt,
und wirft mit verbundenen Augen ihre Gaben aus.
Wie selten wird sie aber einer von uns gewahr, und
bückt sich darnach, sie aufzuheben. Ja meistens sucht
er eben im günstigen Moment wo anders.

Als ich indeß zu Hause kam, fand ich diesmal
wirklich eine Gabe des Schicksals, und eine sehr
theure -- einen langen Brief von Dir . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .

Der Herr von S., dessen Du als späten Badegast
erwähnst, ist ein alter Bekannter von mir, ein selt-
sames Original, dem wir Alle gut waren, und den-
noch Alle unwiderstehlich zum Besten haben mußten,
und dem fortwährend die ernstesten und lächerlichsten
Dinge zugleich begegneten. Du hast Dich selbst über-
zeugen können, daß er wie eine Carrikatur aussieht,
und von allen am wenigsten zum Liebesglück geschaf-
fen schien. Nichts destoweniger war er als junger
Lieutenant wie ein Wahnsinniger in eine der schön-
sten Frauen seiner Zeit, die Baronin B ... verliebt,
und als diese eines Abends ihn durch ihren beißenden
Spott auf das Aeußerste gebracht, stach er sich vor
ihren Augen den Degen durch den Leib. Das Eisen
war mitten durch die Lunge gegangen, so daß ein
Licht, welches man an die Wunde hielt, vom Athem-
holen verlöschte. Dem ungeachtet wurde unser tragi-
scher Narr geheilt, und Frau von B ..., die ohne-

über. Und grade ſo macht es Fortuna! Sie fährt
auf ihrem Glückswagen fortwährend durch die Welt,
und wirft mit verbundenen Augen ihre Gaben aus.
Wie ſelten wird ſie aber einer von uns gewahr, und
bückt ſich darnach, ſie aufzuheben. Ja meiſtens ſucht
er eben im günſtigen Moment wo anders.

Als ich indeß zu Hauſe kam, fand ich diesmal
wirklich eine Gabe des Schickſals, und eine ſehr
theure — einen langen Brief von Dir . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .

Der Herr von S., deſſen Du als ſpäten Badegaſt
erwähnſt, iſt ein alter Bekannter von mir, ein ſelt-
ſames Original, dem wir Alle gut waren, und den-
noch Alle unwiderſtehlich zum Beſten haben mußten,
und dem fortwährend die ernſteſten und lächerlichſten
Dinge zugleich begegneten. Du haſt Dich ſelbſt über-
zeugen können, daß er wie eine Carrikatur ausſieht,
und von allen am wenigſten zum Liebesglück geſchaf-
fen ſchien. Nichts deſtoweniger war er als junger
Lieutenant wie ein Wahnſinniger in eine der ſchön-
ſten Frauen ſeiner Zeit, die Baronin B … verliebt,
und als dieſe eines Abends ihn durch ihren beißenden
Spott auf das Aeußerſte gebracht, ſtach er ſich vor
ihren Augen den Degen durch den Leib. Das Eiſen
war mitten durch die Lunge gegangen, ſo daß ein
Licht, welches man an die Wunde hielt, vom Athem-
holen verlöſchte. Dem ungeachtet wurde unſer tragi-
ſcher Narr geheilt, und Frau von B …, die ohne-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0157" n="141"/>
über. Und grade &#x017F;o macht es Fortuna! Sie fährt<lb/>
auf ihrem Glückswagen fortwährend durch die Welt,<lb/>
und wirft mit verbundenen Augen ihre Gaben aus.<lb/>
Wie &#x017F;elten wird &#x017F;ie aber einer von uns gewahr, und<lb/>
bückt &#x017F;ich darnach, &#x017F;ie aufzuheben. Ja mei&#x017F;tens &#x017F;ucht<lb/>
er eben im gün&#x017F;tigen Moment wo anders.</p><lb/>
          <p>Als ich indeß zu Hau&#x017F;e kam, fand ich diesmal<lb/>
wirklich eine Gabe des Schick&#x017F;als, und eine &#x017F;ehr<lb/>
theure &#x2014; einen langen Brief von Dir . . .<lb/>
. . . . . . . . . . .<lb/>
. . . . . . . . . . .<lb/>
. . . . . . . . . . .<lb/>
. . . . . . . . . . .</p><lb/>
          <p>Der Herr von S., de&#x017F;&#x017F;en Du als &#x017F;päten Badega&#x017F;t<lb/>
erwähn&#x017F;t, i&#x017F;t ein alter Bekannter von mir, ein &#x017F;elt-<lb/>
&#x017F;ames Original, dem wir Alle gut waren, und den-<lb/>
noch Alle unwider&#x017F;tehlich zum Be&#x017F;ten haben mußten,<lb/>
und dem fortwährend die ern&#x017F;te&#x017F;ten und lächerlich&#x017F;ten<lb/>
Dinge zugleich begegneten. Du ha&#x017F;t Dich &#x017F;elb&#x017F;t über-<lb/>
zeugen können, daß er wie eine Carrikatur aus&#x017F;ieht,<lb/>
und von allen am wenig&#x017F;ten zum Liebesglück ge&#x017F;chaf-<lb/>
fen &#x017F;chien. Nichts de&#x017F;toweniger war er als junger<lb/>
Lieutenant wie ein Wahn&#x017F;inniger in eine der &#x017F;chön-<lb/>
&#x017F;ten Frauen &#x017F;einer Zeit, die Baronin B &#x2026; verliebt,<lb/>
und als die&#x017F;e eines Abends ihn durch ihren beißenden<lb/>
Spott auf das Aeußer&#x017F;te gebracht, &#x017F;tach er &#x017F;ich vor<lb/>
ihren Augen den Degen durch den Leib. Das Ei&#x017F;en<lb/>
war mitten durch die Lunge gegangen, &#x017F;o daß ein<lb/>
Licht, welches man an die Wunde hielt, vom Athem-<lb/>
holen verlö&#x017F;chte. Dem ungeachtet wurde un&#x017F;er tragi-<lb/>
&#x017F;cher Narr geheilt, und Frau von B &#x2026;, die ohne-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0157] über. Und grade ſo macht es Fortuna! Sie fährt auf ihrem Glückswagen fortwährend durch die Welt, und wirft mit verbundenen Augen ihre Gaben aus. Wie ſelten wird ſie aber einer von uns gewahr, und bückt ſich darnach, ſie aufzuheben. Ja meiſtens ſucht er eben im günſtigen Moment wo anders. Als ich indeß zu Hauſe kam, fand ich diesmal wirklich eine Gabe des Schickſals, und eine ſehr theure — einen langen Brief von Dir . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Herr von S., deſſen Du als ſpäten Badegaſt erwähnſt, iſt ein alter Bekannter von mir, ein ſelt- ſames Original, dem wir Alle gut waren, und den- noch Alle unwiderſtehlich zum Beſten haben mußten, und dem fortwährend die ernſteſten und lächerlichſten Dinge zugleich begegneten. Du haſt Dich ſelbſt über- zeugen können, daß er wie eine Carrikatur ausſieht, und von allen am wenigſten zum Liebesglück geſchaf- fen ſchien. Nichts deſtoweniger war er als junger Lieutenant wie ein Wahnſinniger in eine der ſchön- ſten Frauen ſeiner Zeit, die Baronin B … verliebt, und als dieſe eines Abends ihn durch ihren beißenden Spott auf das Aeußerſte gebracht, ſtach er ſich vor ihren Augen den Degen durch den Leib. Das Eiſen war mitten durch die Lunge gegangen, ſo daß ein Licht, welches man an die Wunde hielt, vom Athem- holen verlöſchte. Dem ungeachtet wurde unſer tragi- ſcher Narr geheilt, und Frau von B …, die ohne-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/157
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/157>, abgerufen am 27.11.2024.