Minute gewartet werden. Ich eilte also schleunigst von dannen, um in keine ähnliche Verlegenheit zu gerathen.
Auf dem Rückweg kam ich bei einer Bude vorbei, wo man ausschrie, daß hier gezeigt werde: der be- rühmte deutsche Zwerg mit drei Zwergkindern, fer- ner das lebende Skelet, und endlich das dickste Mäd- chen, das je gesehen worden sey. Ich bezahlte der Curiosität wegen meinen Schilling, ging hinein, und nachdem ich 1/4tel Stunde hatte warten müssen, bis noch fünf andere Angeführte sich zu mir gesellten, wurde der Vorhang weggezogen, um die imperti- nenteste Charlatanerie zu produciren, die mir je vor- gekommen ist. Als lebendes Skelet erschien ein ganz gewöhnlicher Mensch, nicht viel magrer als ich selbst bin, und zur Erklärung dieser Ueberraschung wurde entschuldigend angeführt, er sey als Skelet aus Frankreich angekommen, aber hier durch die engli- schen guten Beefsteaks unaufhaltsam corpulenter ge- worden. Darauf kam "die fetteste Frau in der Chri- stenheit" das vortrefflichste Pendant zum Skelet, denn sie war nicht dicker als die Königin von Vir- giniawater.
Zuletzt zeigten sich die sogenannten Zwerge, welche nichts anders als -- kleine Kinder des Unterneh- mers waren, die man in eine Art Vogelbauer ge- steckt hatte, der ihr Gesicht verhüllte, und nur Beine und Hände frei sehen ließ, mit welchen letzteren die kleinen Dinger mit großen Klingeln einen furchtbaren
Minute gewartet werden. Ich eilte alſo ſchleunigſt von dannen, um in keine ähnliche Verlegenheit zu gerathen.
Auf dem Rückweg kam ich bei einer Bude vorbei, wo man ausſchrie, daß hier gezeigt werde: der be- rühmte deutſche Zwerg mit drei Zwergkindern, fer- ner das lebende Skelet, und endlich das dickſte Mäd- chen, das je geſehen worden ſey. Ich bezahlte der Curioſität wegen meinen Schilling, ging hinein, und nachdem ich ¼tel Stunde hatte warten müſſen, bis noch fünf andere Angeführte ſich zu mir geſellten, wurde der Vorhang weggezogen, um die imperti- nenteſte Charlatanerie zu produciren, die mir je vor- gekommen iſt. Als lebendes Skelet erſchien ein ganz gewöhnlicher Menſch, nicht viel magrer als ich ſelbſt bin, und zur Erklärung dieſer Ueberraſchung wurde entſchuldigend angeführt, er ſey als Skelet aus Frankreich angekommen, aber hier durch die engli- ſchen guten Beefſteaks unaufhaltſam corpulenter ge- worden. Darauf kam „die fetteſte Frau in der Chri- ſtenheit“ das vortrefflichſte Pendant zum Skelet, denn ſie war nicht dicker als die Königin von Vir- giniawater.
Zuletzt zeigten ſich die ſogenannten Zwerge, welche nichts anders als — kleine Kinder des Unterneh- mers waren, die man in eine Art Vogelbauer ge- ſteckt hatte, der ihr Geſicht verhüllte, und nur Beine und Hände frei ſehen ließ, mit welchen letzteren die kleinen Dinger mit großen Klingeln einen furchtbaren
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Minute gewartet werden. Ich eilte alſo ſchleunigſt
von dannen, um in keine ähnliche Verlegenheit zu
gerathen.
Auf dem Rückweg kam ich bei einer Bude vorbei,
wo man ausſchrie, daß hier gezeigt werde: der be-
rühmte deutſche Zwerg mit drei Zwergkindern, fer-
ner das lebende Skelet, und endlich das dickſte Mäd-
chen, das je geſehen worden ſey. Ich bezahlte der
Curioſität wegen meinen Schilling, ging hinein, und
nachdem ich ¼tel Stunde hatte warten müſſen, bis
noch fünf andere Angeführte ſich zu mir geſellten,
wurde der Vorhang weggezogen, um die imperti-
nenteſte Charlatanerie zu produciren, die mir je vor-
gekommen iſt. Als lebendes Skelet erſchien ein ganz
gewöhnlicher Menſch, nicht viel magrer als ich ſelbſt
bin, und zur Erklärung dieſer Ueberraſchung wurde
entſchuldigend angeführt, er ſey als Skelet aus
Frankreich angekommen, aber hier durch die engli-
ſchen guten Beefſteaks unaufhaltſam corpulenter ge-
worden. Darauf kam „die fetteſte Frau in der Chri-
ſtenheit“ das vortrefflichſte Pendant zum Skelet,
denn ſie war nicht dicker als die Königin von Vir-
giniawater.
Zuletzt zeigten ſich die ſogenannten Zwerge, welche
nichts anders als — kleine Kinder des Unterneh-
mers waren, die man in eine Art Vogelbauer ge-
ſteckt hatte, der ihr Geſicht verhüllte, und nur Beine
und Hände frei ſehen ließ, mit welchen letzteren die
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/133>, abgerufen am 27.11.2024.
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