Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

sey ein Stuart, und habe daher das legitime Recht
zum Throne. Ich unterhielt mich eine halbe Stunde
mit ihm, ohne ihn auf dieses Thema bringen zu kön-
nen. Er brach immer vorsichtig, ja schlau ab, und
sprach dabei höchst interessant über verschiedene Dinge,
unter andern über Amerika, das er lange bereist,
hatte auch in seinem Benehmen und Aeußern nicht
die mindeste Spur von Wahnsinn. Endlich gelang
es mir, indem ich bei Gelegenheit von Walter Scotts
Romanen des Prätendenten vielfach erwähnte, ihn
wärmer zu machen, und als ich endlich vertraulich
sagte: "Ich weiß, Sie selbst sind ein Stuart," schien
er zu erschrecken, und den Finger auf den Mund
legend, flüsterte er: "Davon dürfen wir hier nicht
sprechen. Ich bin es -- aber nur von der Zeit kann
ich den Sieg der Gerechtigkeit erwarten. Das Licht
wird aber bald hell leuchten!" Ich gehe nach Wa-
les, erwiederte ich (dort ist er her, und sein Vater
ein reicher Gutsbesitzer) wollen Sie mir die Adresse
Ihres Vaters mittheilen, damit ich Ihre Grüße an
ihn ausrichten kann? Mit großem Vergnügen, er-
wiederte er, geben Sie mir Ihr Taschenbuch, ich
werde die Adresse hineinschreiben. Ich gab es ihm,
und er schrieb nun seinen wirklichen Namen B.
G .... hinein, und indem er lächelnd darauf hin-
wies, sagte er mir ins Ohr: Unter diesem Namen
passirt mein Vater dort. Leben Sie wohl -- und
mit gnädigem Winke der Hand entließ er mich.

So etwas ist doch recht schrecklich! Eine einzige
fixe Idee macht den liebenswürdigsten Menschen zum

ſey ein Stuart, und habe daher das legitime Recht
zum Throne. Ich unterhielt mich eine halbe Stunde
mit ihm, ohne ihn auf dieſes Thema bringen zu kön-
nen. Er brach immer vorſichtig, ja ſchlau ab, und
ſprach dabei höchſt intereſſant über verſchiedene Dinge,
unter andern über Amerika, das er lange bereiſt,
hatte auch in ſeinem Benehmen und Aeußern nicht
die mindeſte Spur von Wahnſinn. Endlich gelang
es mir, indem ich bei Gelegenheit von Walter Scotts
Romanen des Prätendenten vielfach erwähnte, ihn
wärmer zu machen, und als ich endlich vertraulich
ſagte: „Ich weiß, Sie ſelbſt ſind ein Stuart,“ ſchien
er zu erſchrecken, und den Finger auf den Mund
legend, flüſterte er: „Davon dürfen wir hier nicht
ſprechen. Ich bin es — aber nur von der Zeit kann
ich den Sieg der Gerechtigkeit erwarten. Das Licht
wird aber bald hell leuchten!“ Ich gehe nach Wa-
les, erwiederte ich (dort iſt er her, und ſein Vater
ein reicher Gutsbeſitzer) wollen Sie mir die Adreſſe
Ihres Vaters mittheilen, damit ich Ihre Grüße an
ihn ausrichten kann? Mit großem Vergnügen, er-
wiederte er, geben Sie mir Ihr Taſchenbuch, ich
werde die Adreſſe hineinſchreiben. Ich gab es ihm,
und er ſchrieb nun ſeinen wirklichen Namen B.
G .... hinein, und indem er lächelnd darauf hin-
wies, ſagte er mir ins Ohr: Unter dieſem Namen
paſſirt mein Vater dort. Leben Sie wohl — und
mit gnädigem Winke der Hand entließ er mich.

So etwas iſt doch recht ſchrecklich! Eine einzige
fixe Idee macht den liebenswürdigſten Menſchen zum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0124" n="108"/>
&#x017F;ey ein Stuart, und habe <hi rendition="#g">daher</hi> das legitime Recht<lb/>
zum Throne. Ich unterhielt mich eine halbe Stunde<lb/>
mit ihm, ohne ihn auf die&#x017F;es Thema bringen zu kön-<lb/>
nen. Er brach immer vor&#x017F;ichtig, ja &#x017F;chlau ab, und<lb/>
&#x017F;prach dabei höch&#x017F;t intere&#x017F;&#x017F;ant über ver&#x017F;chiedene Dinge,<lb/>
unter andern über Amerika, das er lange berei&#x017F;t,<lb/>
hatte auch in &#x017F;einem Benehmen und Aeußern nicht<lb/>
die minde&#x017F;te Spur von Wahn&#x017F;inn. Endlich gelang<lb/>
es mir, indem ich bei Gelegenheit von Walter Scotts<lb/>
Romanen des Prätendenten vielfach erwähnte, ihn<lb/>
wärmer zu machen, und als ich endlich vertraulich<lb/>
&#x017F;agte: &#x201E;Ich weiß, Sie &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ind ein Stuart,&#x201C; &#x017F;chien<lb/>
er zu er&#x017F;chrecken, und den Finger auf den Mund<lb/>
legend, flü&#x017F;terte er: &#x201E;Davon dürfen wir <hi rendition="#g">hier</hi> nicht<lb/>
&#x017F;prechen. Ich bin es &#x2014; aber nur von der Zeit kann<lb/>
ich den Sieg der Gerechtigkeit erwarten. Das Licht<lb/>
wird aber bald hell leuchten!&#x201C; Ich gehe nach Wa-<lb/>
les, erwiederte ich (dort i&#x017F;t er her, und &#x017F;ein Vater<lb/>
ein reicher Gutsbe&#x017F;itzer) wollen Sie mir die Adre&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Ihres Vaters mittheilen, damit ich Ihre Grüße an<lb/>
ihn ausrichten kann? Mit großem Vergnügen, er-<lb/>
wiederte er, geben Sie mir Ihr Ta&#x017F;chenbuch, ich<lb/>
werde die Adre&#x017F;&#x017F;e hinein&#x017F;chreiben. Ich gab es ihm,<lb/>
und er &#x017F;chrieb nun &#x017F;einen wirklichen Namen B.<lb/>
G .... hinein, und indem er lächelnd darauf hin-<lb/>
wies, &#x017F;agte er mir ins Ohr: Unter die&#x017F;em Namen<lb/>
pa&#x017F;&#x017F;irt mein Vater dort. Leben Sie wohl &#x2014; und<lb/>
mit gnädigem Winke der Hand entließ er mich.</p><lb/>
          <p>So etwas i&#x017F;t doch recht &#x017F;chrecklich! Eine einzige<lb/>
fixe Idee macht den liebenswürdig&#x017F;ten Men&#x017F;chen zum<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0124] ſey ein Stuart, und habe daher das legitime Recht zum Throne. Ich unterhielt mich eine halbe Stunde mit ihm, ohne ihn auf dieſes Thema bringen zu kön- nen. Er brach immer vorſichtig, ja ſchlau ab, und ſprach dabei höchſt intereſſant über verſchiedene Dinge, unter andern über Amerika, das er lange bereiſt, hatte auch in ſeinem Benehmen und Aeußern nicht die mindeſte Spur von Wahnſinn. Endlich gelang es mir, indem ich bei Gelegenheit von Walter Scotts Romanen des Prätendenten vielfach erwähnte, ihn wärmer zu machen, und als ich endlich vertraulich ſagte: „Ich weiß, Sie ſelbſt ſind ein Stuart,“ ſchien er zu erſchrecken, und den Finger auf den Mund legend, flüſterte er: „Davon dürfen wir hier nicht ſprechen. Ich bin es — aber nur von der Zeit kann ich den Sieg der Gerechtigkeit erwarten. Das Licht wird aber bald hell leuchten!“ Ich gehe nach Wa- les, erwiederte ich (dort iſt er her, und ſein Vater ein reicher Gutsbeſitzer) wollen Sie mir die Adreſſe Ihres Vaters mittheilen, damit ich Ihre Grüße an ihn ausrichten kann? Mit großem Vergnügen, er- wiederte er, geben Sie mir Ihr Taſchenbuch, ich werde die Adreſſe hineinſchreiben. Ich gab es ihm, und er ſchrieb nun ſeinen wirklichen Namen B. G .... hinein, und indem er lächelnd darauf hin- wies, ſagte er mir ins Ohr: Unter dieſem Namen paſſirt mein Vater dort. Leben Sie wohl — und mit gnädigem Winke der Hand entließ er mich. So etwas iſt doch recht ſchrecklich! Eine einzige fixe Idee macht den liebenswürdigſten Menſchen zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/124
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/124>, abgerufen am 24.11.2024.