es auch nur, wo man unschuldig, oder aus Liebe zu einem Andern leidet. Du meine, theure Julie, haft kaum andere Leiden gekannt, ich aber darf nicht so stolz von mir sprechen.
Den 23sten.
Haymarket-Theater ist jetzt mit sehr guten Schau- spielern besetzt, und das Rendezvous aller, nach be- endigter Season vacant gewordener gai Ladies. Ich saß gestern in meiner Loge, ganz aufmerksam auf das Stück, als sich plötzlich der allerniedlichste Fuß, in einen netten Schuh und perlfarbnen seidnen Strumpf gehüllt, auf den Stuhl neben mir aufstützte. Ich sah mich um, und ein paar prächtige braune Augen lä- chelten mich schalkhaft aus einem Philinengesichte an, das ein großer italienischer Strohhut halb verdeckte, während ein ganz einfaches, sehr weißes Kleid, von einem ponceaurothen Bande unter der züchtig ver- deckten Brust zusammengehalten, den ganzen Putz der kleinen Person ausmachte, welche kaum 18 Som- mer zu zählen schien.
Alle Dandies, und auch viele junge Leute in der großen Welt, die dies eben nicht sind, pflegen hier Maitressen zu halten, denen sie ein eignes Haus miethen, sie darin einrichten, und ihre müßigen Au- genblicke dort zubringen, ganz wie ehemals die pe- tites maisons in Frankreich. Sie kommen bald auf
es auch nur, wo man unſchuldig, oder aus Liebe zu einem Andern leidet. Du meine, theure Julie, haft kaum andere Leiden gekannt, ich aber darf nicht ſo ſtolz von mir ſprechen.
Den 23ſten.
Haymarket-Theater iſt jetzt mit ſehr guten Schau- ſpielern beſetzt, und das Rendezvous aller, nach be- endigter Seaſon vacant gewordener gai Ladies. Ich ſaß geſtern in meiner Loge, ganz aufmerkſam auf das Stück, als ſich plötzlich der allerniedlichſte Fuß, in einen netten Schuh und perlfarbnen ſeidnen Strumpf gehüllt, auf den Stuhl neben mir aufſtützte. Ich ſah mich um, und ein paar prächtige braune Augen lä- chelten mich ſchalkhaft aus einem Philinengeſichte an, das ein großer italieniſcher Strohhut halb verdeckte, während ein ganz einfaches, ſehr weißes Kleid, von einem ponceaurothen Bande unter der züchtig ver- deckten Bruſt zuſammengehalten, den ganzen Putz der kleinen Perſon ausmachte, welche kaum 18 Som- mer zu zählen ſchien.
Alle Dandies, und auch viele junge Leute in der großen Welt, die dies eben nicht ſind, pflegen hier Maitreſſen zu halten, denen ſie ein eignes Haus miethen, ſie darin einrichten, und ihre müßigen Au- genblicke dort zubringen, ganz wie ehemals die pe- tites maisons in Frankreich. Sie kommen bald auf
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0121"n="105"/>
es auch nur, wo man unſchuldig, oder aus Liebe zu<lb/>
einem Andern leidet. Du meine, theure Julie, haft<lb/>
kaum andere Leiden gekannt, ich aber darf nicht ſo<lb/>ſtolz von mir ſprechen.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Den 23ſten.</hi></dateline></opener><lb/><p>Haymarket-Theater iſt jetzt mit ſehr guten Schau-<lb/>ſpielern beſetzt, und das Rendezvous aller, nach be-<lb/>
endigter Seaſon vacant gewordener <hirendition="#aq">gai Ladies.</hi> Ich<lb/>ſaß geſtern in meiner Loge, ganz aufmerkſam auf<lb/>
das Stück, als ſich plötzlich der allerniedlichſte Fuß,<lb/>
in einen netten Schuh und perlfarbnen ſeidnen Strumpf<lb/>
gehüllt, auf den Stuhl neben mir aufſtützte. Ich ſah<lb/>
mich um, und ein paar prächtige braune Augen lä-<lb/>
chelten mich ſchalkhaft aus einem Philinengeſichte an,<lb/>
das ein großer italieniſcher Strohhut halb verdeckte,<lb/>
während ein ganz einfaches, ſehr weißes Kleid, von<lb/>
einem ponceaurothen Bande unter der züchtig ver-<lb/>
deckten Bruſt zuſammengehalten, den ganzen Putz<lb/>
der kleinen Perſon ausmachte, welche kaum 18 Som-<lb/>
mer zu zählen ſchien.</p><lb/><p>Alle Dandies, und auch viele junge Leute in der<lb/>
großen Welt, die dies eben nicht ſind, pflegen hier<lb/>
Maitreſſen zu halten, denen ſie ein eignes Haus<lb/>
miethen, ſie darin einrichten, und ihre müßigen Au-<lb/>
genblicke dort zubringen, ganz wie ehemals die <hirendition="#aq">pe-<lb/>
tites maisons</hi> in Frankreich. Sie kommen bald auf<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[105/0121]
es auch nur, wo man unſchuldig, oder aus Liebe zu
einem Andern leidet. Du meine, theure Julie, haft
kaum andere Leiden gekannt, ich aber darf nicht ſo
ſtolz von mir ſprechen.
Den 23ſten.
Haymarket-Theater iſt jetzt mit ſehr guten Schau-
ſpielern beſetzt, und das Rendezvous aller, nach be-
endigter Seaſon vacant gewordener gai Ladies. Ich
ſaß geſtern in meiner Loge, ganz aufmerkſam auf
das Stück, als ſich plötzlich der allerniedlichſte Fuß,
in einen netten Schuh und perlfarbnen ſeidnen Strumpf
gehüllt, auf den Stuhl neben mir aufſtützte. Ich ſah
mich um, und ein paar prächtige braune Augen lä-
chelten mich ſchalkhaft aus einem Philinengeſichte an,
das ein großer italieniſcher Strohhut halb verdeckte,
während ein ganz einfaches, ſehr weißes Kleid, von
einem ponceaurothen Bande unter der züchtig ver-
deckten Bruſt zuſammengehalten, den ganzen Putz
der kleinen Perſon ausmachte, welche kaum 18 Som-
mer zu zählen ſchien.
Alle Dandies, und auch viele junge Leute in der
großen Welt, die dies eben nicht ſind, pflegen hier
Maitreſſen zu halten, denen ſie ein eignes Haus
miethen, ſie darin einrichten, und ihre müßigen Au-
genblicke dort zubringen, ganz wie ehemals die pe-
tites maisons in Frankreich. Sie kommen bald auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/121>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.