tionen, die ich mit jenen gesehenen Scenen verband, und ich mochte nun im Winter am Kamin über mei- nem Buche sitzen oder in wollüstigem Nichtsthun im Sommer unter einem Baum ausgestreckt liegen, meine Stunden waren immer angefüllt mit allen den nebelhaften und üppigen Träumen, welche viel- leicht die Essenz jener Poesie waren, welche zu verkörpern ich nicht das Genie besaß. Diese Stimmung ist nicht für das Leben mit Men- schen gemacht. Bald verfolgte ich etwas mit rastlo- ser Thätigkeit, bald lebte ich blos in thatenloser Re- flection. Nichts gelang meinen Wünschen gemäß, und mein Wesen wurde endlich tief von jener bittern melancholischen Philosophie durchdrungen, die mir, gleich Faust, lehrte, daß Wissen nichts sey als un- nützer Stoff, daß in Hoffnung nichts als Trug liege -- und die den Fluch auf mich legte, gleich ihm, durch die Genüsse der Jugend, wie alle Lockungen des Vergnügens, immer die Gegenwart eines feindlichen Geistes der Finsterniß zu fühlen.
Die Erfahrung langer und bitterer Jahre läßt mich jetzt zweifeln, ob diese Erde je eine lebende Form hervorbringen kann, die den Visionen desjenigen genügen möchte, welcher zu lange nur in den Schö- pfungen seiner Phantasie verloren lebte."
Ein andermal heißt es von einem gepriesenen Manne:
"Er war eine von den macadamisirten Vollkom- menheiten der Gesellschaft. Sein größter Fehler war
tionen, die ich mit jenen geſehenen Scenen verband, und ich mochte nun im Winter am Kamin über mei- nem Buche ſitzen oder in wollüſtigem Nichtsthun im Sommer unter einem Baum ausgeſtreckt liegen, meine Stunden waren immer angefüllt mit allen den nebelhaften und üppigen Träumen, welche viel- leicht die Eſſenz jener Poeſie waren, welche zu verkörpern ich nicht das Genie beſaß. Dieſe Stimmung iſt nicht für das Leben mit Men- ſchen gemacht. Bald verfolgte ich etwas mit raſtlo- ſer Thätigkeit, bald lebte ich blos in thatenloſer Re- flection. Nichts gelang meinen Wünſchen gemäß, und mein Weſen wurde endlich tief von jener bittern melancholiſchen Philoſophie durchdrungen, die mir, gleich Fauſt, lehrte, daß Wiſſen nichts ſey als un- nützer Stoff, daß in Hoffnung nichts als Trug liege — und die den Fluch auf mich legte, gleich ihm, durch die Genüſſe der Jugend, wie alle Lockungen des Vergnügens, immer die Gegenwart eines feindlichen Geiſtes der Finſterniß zu fühlen.
Die Erfahrung langer und bitterer Jahre läßt mich jetzt zweifeln, ob dieſe Erde je eine lebende Form hervorbringen kann, die den Viſionen desjenigen genügen möchte, welcher zu lange nur in den Schö- pfungen ſeiner Phantaſie verloren lebte.“
Ein andermal heißt es von einem geprieſenen Manne:
„Er war eine von den macadamiſirten Vollkom- menheiten der Geſellſchaft. Sein größter Fehler war
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tionen, die ich mit jenen geſehenen Scenen verband,
und ich mochte nun im Winter am Kamin über mei-
nem Buche ſitzen oder in wollüſtigem Nichtsthun im
Sommer unter einem Baum ausgeſtreckt liegen,
meine Stunden waren immer angefüllt mit allen
den nebelhaften und üppigen Träumen, welche viel-
leicht die Eſſenz jener Poeſie waren, welche zu
verkörpern ich nicht das Genie beſaß.
Dieſe Stimmung iſt nicht für das Leben mit Men-
ſchen gemacht. Bald verfolgte ich etwas mit raſtlo-
ſer Thätigkeit, bald lebte ich blos in thatenloſer Re-
flection. Nichts gelang meinen Wünſchen gemäß,
und mein Weſen wurde endlich tief von jener bittern
melancholiſchen Philoſophie durchdrungen, die mir,
gleich Fauſt, lehrte, daß Wiſſen nichts ſey als un-
nützer Stoff, daß in Hoffnung nichts als Trug liege —
und die den Fluch auf mich legte, gleich ihm, durch
die Genüſſe der Jugend, wie alle Lockungen des
Vergnügens, immer die Gegenwart eines feindlichen
Geiſtes der Finſterniß zu fühlen.
Die Erfahrung langer und bitterer Jahre läßt mich
jetzt zweifeln, ob dieſe Erde je eine lebende Form
hervorbringen kann, die den Viſionen desjenigen
genügen möchte, welcher zu lange nur in den Schö-
pfungen ſeiner Phantaſie verloren lebte.“
Ein andermal heißt es von einem geprieſenen
Manne:
„Er war eine von den macadamiſirten Vollkom-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/114>, abgerufen am 24.11.2024.
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