sein Haus hell erleuchtet, hörte Tanzmusik und trat mitten in eine große Gesellschaft, die verwundert mein Reise-Costüm und meine Jagdmütze betrachtete. Es war die Hochzeit der Tochter vom Hause, welche man feierte, und herzlich bewillkommte der Vater mich dabei, als er mich erkannte. Ich entschuldigte bei der Braut mein unhochzeitliches Kleid, trank ein Glas Eispunsch auf ihr Wohlergehen, ein anders auf das des Vaters, tanzte eine Polonaise und entschwand a la francaise.
Gleich darauf machte ich meine Nachttoilette und legte mich im Wagen behaglich zur Ruhe.
Als ich erwachte, befand ich mich schon eine Sta- tion vor Cassel, an demselben Ort, wo wir vor 10 Jahren die seltsame entree mit einer aufrecht stehen- den, zerbrochenen Wagendeichsel machen mußten, auf der der Postillon zu reiten schien. Ich frühstückte hier, vielfach jener Reise gedenkend, fuhr durch die traurig schöne Hauptstadt ohne mich aufzuhalten, später durch einen herrlichen Buchenwald, der im hellen Sonnen- schein wie grünes Gold erglänzte, machte bei Ve- stuffeln romantische Betrachtungen über einen komi- schen Berg, den der Vorzeit mosige Trümmer deckten, und traf, durch lange einförmige Gegenden forteilend, zu meiner Eßstunde im alten Bischofssitze zu Osna- brück ein.
Die zweite Nacht schläft man immer noch besser als die erste im Wagen, dessen Bewegung, auf mich we-
ſein Haus hell erleuchtet, hörte Tanzmuſik und trat mitten in eine große Geſellſchaft, die verwundert mein Reiſe-Coſtüm und meine Jagdmütze betrachtete. Es war die Hochzeit der Tochter vom Hauſe, welche man feierte, und herzlich bewillkommte der Vater mich dabei, als er mich erkannte. Ich entſchuldigte bei der Braut mein unhochzeitliches Kleid, trank ein Glas Eispunſch auf ihr Wohlergehen, ein anders auf das des Vaters, tanzte eine Polonaiſe und entſchwand à la française.
Gleich darauf machte ich meine Nachttoilette und legte mich im Wagen behaglich zur Ruhe.
Als ich erwachte, befand ich mich ſchon eine Sta- tion vor Caſſel, an demſelben Ort, wo wir vor 10 Jahren die ſeltſame entrée mit einer aufrecht ſtehen- den, zerbrochenen Wagendeichſel machen mußten, auf der der Poſtillon zu reiten ſchien. Ich frühſtückte hier, vielfach jener Reiſe gedenkend, fuhr durch die traurig ſchöne Hauptſtadt ohne mich aufzuhalten, ſpäter durch einen herrlichen Buchenwald, der im hellen Sonnen- ſchein wie grünes Gold erglänzte, machte bei Ve- ſtuffeln romantiſche Betrachtungen über einen komi- ſchen Berg, den der Vorzeit moſige Trümmer deckten, und traf, durch lange einförmige Gegenden forteilend, zu meiner Eßſtunde im alten Biſchofsſitze zu Osna- brück ein.
Die zweite Nacht ſchläft man immer noch beſſer als die erſte im Wagen, deſſen Bewegung, auf mich we-
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ſein Haus hell erleuchtet, hörte Tanzmuſik und trat
mitten in eine große Geſellſchaft, die verwundert
mein Reiſe-Coſtüm und meine Jagdmütze betrachtete.
Es war die Hochzeit der Tochter vom Hauſe, welche
man feierte, und herzlich bewillkommte der Vater
mich dabei, als er mich erkannte. Ich entſchuldigte
bei der Braut mein unhochzeitliches Kleid,
trank ein Glas Eispunſch auf ihr Wohlergehen, ein
anders auf das des Vaters, tanzte eine Polonaiſe
und entſchwand à la française.
Gleich darauf machte ich meine Nachttoilette und
legte mich im Wagen behaglich zur Ruhe.
Als ich erwachte, befand ich mich ſchon eine Sta-
tion vor Caſſel, an demſelben Ort, wo wir vor 10
Jahren die ſeltſame entrée mit einer aufrecht ſtehen-
den, zerbrochenen Wagendeichſel machen mußten, auf
der der Poſtillon zu reiten ſchien. Ich frühſtückte hier,
vielfach jener Reiſe gedenkend, fuhr durch die traurig
ſchöne Hauptſtadt ohne mich aufzuhalten, ſpäter durch
einen herrlichen Buchenwald, der im hellen Sonnen-
ſchein wie grünes Gold erglänzte, machte bei Ve-
ſtuffeln romantiſche Betrachtungen über einen komi-
ſchen Berg, den der Vorzeit moſige Trümmer deckten,
und traf, durch lange einförmige Gegenden forteilend,
zu meiner Eßſtunde im alten Biſchofsſitze zu Osna-
brück ein.
Die zweite Nacht ſchläft man immer noch beſſer als
die erſte im Wagen, deſſen Bewegung, auf mich we-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/64>, abgerufen am 24.11.2024.
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