den Engländern viel zu viel, und Gott weiß, wie sehr mal a propos!
Den 16ten.
Nachdem ich mich bei allen hohen Herrschaften diesen Morgen beurlaubt, widmete ich den Rest des Tages meinem Freunde Sp .., der mit seiner Familie zeigt, daß man das Hofleben und die große Welt mit der einfachsten Häuslichkeit und gewinnendsten Herzens- güte sehr wohl verbinden kann. Ein junger Eng- länder, Sekretär bei Herrn Canning, der deutsch wie seine Muttersprache redet, unterbielt uns mit launigen Schilderungen der englischen Gesellschaft, deren Unbeholfenheit und Mangel an Gutmüthig- keit er bitter rügte, wobei er natürlich gute Gelegen- heit fand, den Deutschen, wie besonders den An- wesenden Verbindliches zu sagen. So urtheilen die Engländer jedoch nur im Auslande. Zurückgekommen, nehmen sie schnell wieder die ge- wohnte Kälte und stolze Indifferenz an, die einen Fremden wie ein geringeres Wesen betrachtet, und lachen höhnisch der deutschen Bonhomie, die sie frü- her gelobt, so lange sie der Gegenstand derselben waren, während sie doch zu jeder Zeit die wahrhaft lächerliche Ehrfurcht, die wir für den Namen Eng- länder hegen, nur als schuldigen Tribut ihrer hohen Vorzüge ansehen.
Dies ist der letzte Brief, liebe Julie, den Du von hier erhältst. Morgen früh, nicht mit dem Hahnen-
den Engländern viel zu viel, und Gott weiß, wie ſehr mal à propos!
Den 16ten.
Nachdem ich mich bei allen hohen Herrſchaften dieſen Morgen beurlaubt, widmete ich den Reſt des Tages meinem Freunde Sp .., der mit ſeiner Familie zeigt, daß man das Hofleben und die große Welt mit der einfachſten Häuslichkeit und gewinnendſten Herzens- güte ſehr wohl verbinden kann. Ein junger Eng- länder, Sekretär bei Herrn Canning, der deutſch wie ſeine Mutterſprache redet, unterbielt uns mit launigen Schilderungen der engliſchen Geſellſchaft, deren Unbeholfenheit und Mangel an Gutmüthig- keit er bitter rügte, wobei er natürlich gute Gelegen- heit fand, den Deutſchen, wie beſonders den An- weſenden Verbindliches zu ſagen. So urtheilen die Engländer jedoch nur im Auslande. Zurückgekommen, nehmen ſie ſchnell wieder die ge- wohnte Kälte und ſtolze Indifferenz an, die einen Fremden wie ein geringeres Weſen betrachtet, und lachen höhniſch der deutſchen Bonhomie, die ſie frü- her gelobt, ſo lange ſie der Gegenſtand derſelben waren, während ſie doch zu jeder Zeit die wahrhaft lächerliche Ehrfurcht, die wir für den Namen Eng- länder hegen, nur als ſchuldigen Tribut ihrer hohen Vorzüge anſehen.
Dies iſt der letzte Brief, liebe Julie, den Du von hier erhältſt. Morgen früh, nicht mit dem Hahnen-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0061"n="21"/>
den Engländern viel zu viel, und Gott weiß, wie<lb/>ſehr <hirendition="#aq">mal à propos!</hi></p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Den 16ten.</hi></dateline></opener><lb/><p>Nachdem ich mich bei allen hohen Herrſchaften dieſen<lb/>
Morgen beurlaubt, widmete ich den Reſt des Tages<lb/>
meinem Freunde Sp .., der mit ſeiner Familie zeigt,<lb/>
daß man das Hofleben und die große Welt mit der<lb/>
einfachſten Häuslichkeit und gewinnendſten Herzens-<lb/>
güte ſehr wohl verbinden kann. Ein junger Eng-<lb/>
länder, Sekretär bei Herrn Canning, der deutſch<lb/>
wie ſeine Mutterſprache redet, unterbielt uns mit<lb/>
launigen Schilderungen der engliſchen Geſellſchaft,<lb/>
deren Unbeholfenheit und Mangel an Gutmüthig-<lb/>
keit er bitter rügte, wobei er natürlich gute Gelegen-<lb/>
heit fand, den Deutſchen, wie beſonders den An-<lb/>
weſenden Verbindliches zu ſagen. <hirendition="#g">So urtheilen<lb/>
die Engländer jedoch nur im Auslande</hi>.<lb/>
Zurückgekommen, nehmen ſie ſchnell wieder die ge-<lb/>
wohnte Kälte und ſtolze Indifferenz an, die einen<lb/>
Fremden wie ein geringeres Weſen betrachtet, und<lb/>
lachen höhniſch der deutſchen Bonhomie, die ſie frü-<lb/>
her gelobt, ſo lange <hirendition="#g">ſie</hi> der Gegenſtand derſelben<lb/>
waren, während ſie doch zu jeder Zeit die wahrhaft<lb/>
lächerliche Ehrfurcht, die wir für den Namen Eng-<lb/>
länder hegen, nur als ſchuldigen Tribut ihrer hohen<lb/>
Vorzüge anſehen.</p><lb/><p>Dies iſt der letzte Brief, liebe Julie, den Du von<lb/>
hier erhältſt. Morgen <hirendition="#g">früh</hi>, nicht mit dem Hahnen-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[21/0061]
den Engländern viel zu viel, und Gott weiß, wie
ſehr mal à propos!
Den 16ten.
Nachdem ich mich bei allen hohen Herrſchaften dieſen
Morgen beurlaubt, widmete ich den Reſt des Tages
meinem Freunde Sp .., der mit ſeiner Familie zeigt,
daß man das Hofleben und die große Welt mit der
einfachſten Häuslichkeit und gewinnendſten Herzens-
güte ſehr wohl verbinden kann. Ein junger Eng-
länder, Sekretär bei Herrn Canning, der deutſch
wie ſeine Mutterſprache redet, unterbielt uns mit
launigen Schilderungen der engliſchen Geſellſchaft,
deren Unbeholfenheit und Mangel an Gutmüthig-
keit er bitter rügte, wobei er natürlich gute Gelegen-
heit fand, den Deutſchen, wie beſonders den An-
weſenden Verbindliches zu ſagen. So urtheilen
die Engländer jedoch nur im Auslande.
Zurückgekommen, nehmen ſie ſchnell wieder die ge-
wohnte Kälte und ſtolze Indifferenz an, die einen
Fremden wie ein geringeres Weſen betrachtet, und
lachen höhniſch der deutſchen Bonhomie, die ſie frü-
her gelobt, ſo lange ſie der Gegenſtand derſelben
waren, während ſie doch zu jeder Zeit die wahrhaft
lächerliche Ehrfurcht, die wir für den Namen Eng-
länder hegen, nur als ſchuldigen Tribut ihrer hohen
Vorzüge anſehen.
Dies iſt der letzte Brief, liebe Julie, den Du von
hier erhältſt. Morgen früh, nicht mit dem Hahnen-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/61>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.