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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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gleichsam erobere, und hierbei, fuhr ich fort, wird
unser Napoleon kein Waterloo erleben.

"Gewiß," erwiederte er, "mein etwas fades Com-
pliment überhörend, ganz abgesehen von unsern eignen
Produktionen, stehen wir schon durch das Aufnehmen
und völlige Aneignen des Fremden auf einer sehr
hohen Stufe der Bildung. Die andern Nationen
werden bald schon deshalb deutsch lernen, weil sie
inne werden müssen, daß sie sich damit das Lernen
fast aller andern Sprachen gewissermassen ersparen
können. Denn von welcher besitzen wir nicht die ge-
diegensten Werke in vortrefflichen deutschen Ueber-
setzungen? die alten Classiker, die Meisterwerke des
neueren Europas, indische und morgenländische Lite-
ratur, hat sie nicht alle der Reichthum und die Viel-
seitigkeit der deutschen Sprache, wie der treue deutsche
Fleiß und tief in sie eindringende Genius besser wie-
dergegeben, als es in andern Sprachen der Fall ist?
Frankreich," fuhr er fort, "hat gar viel seines einstigen
Uebergewichts in der Literatur dem Umstande zu
verdanken gehabt, daß es am frühesten aus dem
Griechischen und Lateinischen leidliche Uebersetzungen
lieferte, aber wie vollständig hat Deutschland es seit-
dem übertroffen!"

Im politischen Felde schien er nicht viel auf die so
beliebten Constitutions-Theorien zu geben. Ich ver-
theidigte mich und meine Meinung indeß ziemlich
warm. Er kam hier auf seine Lieblings-Idee, die
er mehrmals wiederholte, nämlich daß Jeder nur
darum bekümmert seyn solle, in seiner speciellen

gleichſam erobere, und hierbei, fuhr ich fort, wird
unſer Napoleon kein Waterloo erleben.

„Gewiß,“ erwiederte er, „mein etwas fades Com-
pliment überhörend, ganz abgeſehen von unſern eignen
Produktionen, ſtehen wir ſchon durch das Aufnehmen
und völlige Aneignen des Fremden auf einer ſehr
hohen Stufe der Bildung. Die andern Nationen
werden bald ſchon deshalb deutſch lernen, weil ſie
inne werden müſſen, daß ſie ſich damit das Lernen
faſt aller andern Sprachen gewiſſermaſſen erſparen
können. Denn von welcher beſitzen wir nicht die ge-
diegenſten Werke in vortrefflichen deutſchen Ueber-
ſetzungen? die alten Claſſiker, die Meiſterwerke des
neueren Europas, indiſche und morgenländiſche Lite-
ratur, hat ſie nicht alle der Reichthum und die Viel-
ſeitigkeit der deutſchen Sprache, wie der treue deutſche
Fleiß und tief in ſie eindringende Genius beſſer wie-
dergegeben, als es in andern Sprachen der Fall iſt?
Frankreich,“ fuhr er fort, „hat gar viel ſeines einſtigen
Uebergewichts in der Literatur dem Umſtande zu
verdanken gehabt, daß es am früheſten aus dem
Griechiſchen und Lateiniſchen leidliche Ueberſetzungen
lieferte, aber wie vollſtändig hat Deutſchland es ſeit-
dem übertroffen!“

Im politiſchen Felde ſchien er nicht viel auf die ſo
beliebten Conſtitutions-Theorien zu geben. Ich ver-
theidigte mich und meine Meinung indeß ziemlich
warm. Er kam hier auf ſeine Lieblings-Idee, die
er mehrmals wiederholte, nämlich daß Jeder nur
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[15/0055] gleichſam erobere, und hierbei, fuhr ich fort, wird unſer Napoleon kein Waterloo erleben. „Gewiß,“ erwiederte er, „mein etwas fades Com- pliment überhörend, ganz abgeſehen von unſern eignen Produktionen, ſtehen wir ſchon durch das Aufnehmen und völlige Aneignen des Fremden auf einer ſehr hohen Stufe der Bildung. Die andern Nationen werden bald ſchon deshalb deutſch lernen, weil ſie inne werden müſſen, daß ſie ſich damit das Lernen faſt aller andern Sprachen gewiſſermaſſen erſparen können. Denn von welcher beſitzen wir nicht die ge- diegenſten Werke in vortrefflichen deutſchen Ueber- ſetzungen? die alten Claſſiker, die Meiſterwerke des neueren Europas, indiſche und morgenländiſche Lite- ratur, hat ſie nicht alle der Reichthum und die Viel- ſeitigkeit der deutſchen Sprache, wie der treue deutſche Fleiß und tief in ſie eindringende Genius beſſer wie- dergegeben, als es in andern Sprachen der Fall iſt? Frankreich,“ fuhr er fort, „hat gar viel ſeines einſtigen Uebergewichts in der Literatur dem Umſtande zu verdanken gehabt, daß es am früheſten aus dem Griechiſchen und Lateiniſchen leidliche Ueberſetzungen lieferte, aber wie vollſtändig hat Deutſchland es ſeit- dem übertroffen!“ Im politiſchen Felde ſchien er nicht viel auf die ſo beliebten Conſtitutions-Theorien zu geben. Ich ver- theidigte mich und meine Meinung indeß ziemlich warm. Er kam hier auf ſeine Lieblings-Idee, die er mehrmals wiederholte, nämlich daß Jeder nur darum bekümmert ſeyn ſolle, in ſeiner ſpeciellen

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/55>, abgerufen am 22.11.2024.