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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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componirt er selbst geistvoll hier in England die Ver-
zierungen seiner Stammburg am Harze, und seine
Gemahlin führt seine Zeichnungen auf Glas mit un-
gemeiner Kunstfertigkeit aus; so daß in wenig Jah-
ren die Schloßkapelle ganz mit ihren eigenen Arbeiten
auf den bunten Fenstern prangen wird. Die deutsche
Hausfrau ist dabei keine moderne, bloße schöngeistige
Künstlerin, sondern versteht eben so gut, wie eine der
alten Ritterdamen, die ihr Pinsel darstellt, vortreffli-
ches Bier im eignen Hause zu brauen, von dem sie
mir neulich eine Probe verehrte, die ich mit der Dank-
barkeit eines Gastes aus Walhalla austrank.

Ein großes Fest bei Lord Hertford mit Concert,
Ball, französischer Comödie etc. versammelte Abends die
sashionable und auch halb fashionable Welt *), in
einem prächtigen und sehr geschmackvoll meublirten
Hause. Das Eigenthümliche desselben ist, daß alte
Zimmer in fleischfarbnen Stuck und Gold, mit schwar-
zen Bronzen, sehr großen Spiegeln, und seidnen Vor-
hängen in Cramoisi und weiß, eins wie das andere
ausgeziert sind, und eben durch diese Einfachheit gran-
diosen Effekt hervorbringen. Nur der Saal (für Lon-
don von ungewöhnlichem Umfang) ist weiß und gold,
der Boden mit Scharlachtuch belegt, und Meubles
und Vorhänge von derselben Farbe. Die Gesellschaft,
c'est a dire die Foule war übrigens nicht belebter
als gewöhnlich, das Ganze magnifiquement ennuyeux.

*) Wie es in England viertel, halbe, breiviertel und ganze
Blutpferde giebt, so werden auch Fashionables ebenso und
noch subtiler geviertheilt.

componirt er ſelbſt geiſtvoll hier in England die Ver-
zierungen ſeiner Stammburg am Harze, und ſeine
Gemahlin führt ſeine Zeichnungen auf Glas mit un-
gemeiner Kunſtfertigkeit aus; ſo daß in wenig Jah-
ren die Schloßkapelle ganz mit ihren eigenen Arbeiten
auf den bunten Fenſtern prangen wird. Die deutſche
Hausfrau iſt dabei keine moderne, bloße ſchöngeiſtige
Künſtlerin, ſondern verſteht eben ſo gut, wie eine der
alten Ritterdamen, die ihr Pinſel darſtellt, vortreffli-
ches Bier im eignen Hauſe zu brauen, von dem ſie
mir neulich eine Probe verehrte, die ich mit der Dank-
barkeit eines Gaſtes aus Walhalla austrank.

Ein großes Feſt bei Lord Hertford mit Concert,
Ball, franzöſiſcher Comödie ꝛc. verſammelte Abends die
ſaſhionable und auch halb faſhionable Welt *), in
einem prächtigen und ſehr geſchmackvoll meublirten
Hauſe. Das Eigenthümliche deſſelben iſt, daß alte
Zimmer in fleiſchfarbnen Stuck und Gold, mit ſchwar-
zen Bronzen, ſehr großen Spiegeln, und ſeidnen Vor-
hängen in Cramoiſi und weiß, eins wie das andere
ausgeziert ſind, und eben durch dieſe Einfachheit gran-
dioſen Effekt hervorbringen. Nur der Saal (für Lon-
don von ungewöhnlichem Umfang) iſt weiß und gold,
der Boden mit Scharlachtuch belegt, und Meubles
und Vorhänge von derſelben Farbe. Die Geſellſchaft,
c’est a dire die Foule war übrigens nicht belebter
als gewöhnlich, das Ganze magnifiquement ennuyeux.

*) Wie es in England viertel, halbe, breiviertel und ganze
Blutpferde giebt, ſo werden auch Faſhionables ebenſo und
noch ſubtiler geviertheilt.
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[416/0462] componirt er ſelbſt geiſtvoll hier in England die Ver- zierungen ſeiner Stammburg am Harze, und ſeine Gemahlin führt ſeine Zeichnungen auf Glas mit un- gemeiner Kunſtfertigkeit aus; ſo daß in wenig Jah- ren die Schloßkapelle ganz mit ihren eigenen Arbeiten auf den bunten Fenſtern prangen wird. Die deutſche Hausfrau iſt dabei keine moderne, bloße ſchöngeiſtige Künſtlerin, ſondern verſteht eben ſo gut, wie eine der alten Ritterdamen, die ihr Pinſel darſtellt, vortreffli- ches Bier im eignen Hauſe zu brauen, von dem ſie mir neulich eine Probe verehrte, die ich mit der Dank- barkeit eines Gaſtes aus Walhalla austrank. Ein großes Feſt bei Lord Hertford mit Concert, Ball, franzöſiſcher Comödie ꝛc. verſammelte Abends die ſaſhionable und auch halb faſhionable Welt *), in einem prächtigen und ſehr geſchmackvoll meublirten Hauſe. Das Eigenthümliche deſſelben iſt, daß alte Zimmer in fleiſchfarbnen Stuck und Gold, mit ſchwar- zen Bronzen, ſehr großen Spiegeln, und ſeidnen Vor- hängen in Cramoiſi und weiß, eins wie das andere ausgeziert ſind, und eben durch dieſe Einfachheit gran- dioſen Effekt hervorbringen. Nur der Saal (für Lon- don von ungewöhnlichem Umfang) iſt weiß und gold, der Boden mit Scharlachtuch belegt, und Meubles und Vorhänge von derſelben Farbe. Die Geſellſchaft, c’est a dire die Foule war übrigens nicht belebter als gewöhnlich, das Ganze magnifiquement ennuyeux. *) Wie es in England viertel, halbe, breiviertel und ganze Blutpferde giebt, ſo werden auch Faſhionables ebenſo und noch ſubtiler geviertheilt.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/462>, abgerufen am 22.11.2024.