nen sehr feinen und liebenswürdigen Mann. Das Schiff wimmelte von Besuchern, die fortwährend die Strickleitern hinanklimmten, und man konnte nicht ohne das lebhafteste Interesse diese Schiffsmannschaft betrachten, die so heiter den größten Gefahren und Mühseligkeiten entgegen gieng, nur der Wissenschaft zu Liebe, und um eine erhabene Neugierde zu be- friedigen.
Zum Mittagsessen war ich bei einem Major der Hor- seguards eingeladen, welches in ihren Baraken statt fand. Es herrscht eine, viele Vortheile gewährende Sitte bei dem englischen Militair, ich meine die soge- nannte mess. Sie besteht darin, daß jedes Regiment seinen gemeinschaftlichen Tisch hat, zu dem jeder Offi- zier verpflichtet ist, ein Gewisses beizutragen, er mag nun davon profitiren oder nicht. Er hat aber das Recht dafür, täglich daselbst zu essen, und nach dem bestimmten Satz auch einen Gast mitzubringen. Ein Comite besorgt die Oekonomie, und schafft das Nöthige an. Am Tische selbst präsidirt ein Offizier nach dem andern, vom Obristen bis zum jüngsten Lieutenant herab, und bleibt, so lange er in Funktion ist, mit der nöthigen Autorität dazu bekleidet. Der Ton der Offiziere ist vortrefflich, und weit mehr gentlemanlike als in der Regel auf dem Continent, wenigstens was ich davon hier bei den Garden gesehen habe. Ob- gleich im Dienst die strengste Subordination herrscht, so sind sich doch ausser dem Dienst die Herren so voll- kommen gleich, daß es dem Fremden durchaus un- möglich wäre, aus ihrem Benehmen die obern und
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nen ſehr feinen und liebenswürdigen Mann. Das Schiff wimmelte von Beſuchern, die fortwährend die Strickleitern hinanklimmten, und man konnte nicht ohne das lebhafteſte Intereſſe dieſe Schiffsmannſchaft betrachten, die ſo heiter den größten Gefahren und Mühſeligkeiten entgegen gieng, nur der Wiſſenſchaft zu Liebe, und um eine erhabene Neugierde zu be- friedigen.
Zum Mittagseſſen war ich bei einem Major der Hor- ſeguards eingeladen, welches in ihren Baraken ſtatt fand. Es herrſcht eine, viele Vortheile gewährende Sitte bei dem engliſchen Militair, ich meine die ſoge- nannte mess. Sie beſteht darin, daß jedes Regiment ſeinen gemeinſchaftlichen Tiſch hat, zu dem jeder Offi- zier verpflichtet iſt, ein Gewiſſes beizutragen, er mag nun davon profitiren oder nicht. Er hat aber das Recht dafür, täglich daſelbſt zu eſſen, und nach dem beſtimmten Satz auch einen Gaſt mitzubringen. Ein Comité beſorgt die Oekonomie, und ſchafft das Nöthige an. Am Tiſche ſelbſt präſidirt ein Offizier nach dem andern, vom Obriſten bis zum jüngſten Lieutenant herab, und bleibt, ſo lange er in Funktion iſt, mit der nöthigen Autorität dazu bekleidet. Der Ton der Offiziere iſt vortrefflich, und weit mehr gentlemanlike als in der Regel auf dem Continent, wenigſtens was ich davon hier bei den Garden geſehen habe. Ob- gleich im Dienſt die ſtrengſte Subordination herrſcht, ſo ſind ſich doch auſſer dem Dienſt die Herren ſo voll- kommen gleich, daß es dem Fremden durchaus un- möglich wäre, aus ihrem Benehmen die obern und
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nen ſehr feinen und liebenswürdigen Mann. Das
Schiff wimmelte von Beſuchern, die fortwährend die
Strickleitern hinanklimmten, und man konnte nicht
ohne das lebhafteſte Intereſſe dieſe Schiffsmannſchaft
betrachten, die ſo heiter den größten Gefahren und
Mühſeligkeiten entgegen gieng, nur der Wiſſenſchaft
zu Liebe, und um eine erhabene Neugierde zu be-
friedigen.
Zum Mittagseſſen war ich bei einem Major der Hor-
ſeguards eingeladen, welches in ihren Baraken ſtatt
fand. Es herrſcht eine, viele Vortheile gewährende
Sitte bei dem engliſchen Militair, ich meine die ſoge-
nannte mess. Sie beſteht darin, daß jedes Regiment
ſeinen gemeinſchaftlichen Tiſch hat, zu dem jeder Offi-
zier verpflichtet iſt, ein Gewiſſes beizutragen, er mag
nun davon profitiren oder nicht. Er hat aber das
Recht dafür, täglich daſelbſt zu eſſen, und nach dem
beſtimmten Satz auch einen Gaſt mitzubringen. Ein
Comité beſorgt die Oekonomie, und ſchafft das Nöthige
an. Am Tiſche ſelbſt präſidirt ein Offizier nach dem
andern, vom Obriſten bis zum jüngſten Lieutenant
herab, und bleibt, ſo lange er in Funktion iſt, mit
der nöthigen Autorität dazu bekleidet. Der Ton der
Offiziere iſt vortrefflich, und weit mehr gentlemanlike
als in der Regel auf dem Continent, wenigſtens was
ich davon hier bei den Garden geſehen habe. Ob-
gleich im Dienſt die ſtrengſte Subordination herrſcht,
ſo ſind ſich doch auſſer dem Dienſt die Herren ſo voll-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/449>, abgerufen am 24.11.2024.
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