die Kenntniß dieser Sprache gänzlich abging, und brüllte daher oft mit seiner Stentorstimme Worte heraus, welche alle Damen zum Weglaufen gezwun- gen haben müßten, wenn sie ihre Bedeutung verstan- den hätten.
Man genirte sich übrigens gar nicht, ihn auszula- chen, (was nicht zu thun auch beinahe unmöglich war); ich habe aber nie bemerkt, daß dies seiner Exstase und glücklichen Selbstzufriedenheit im Ge- ringsten Eintrag gethan hätte. Ja, einmal losge- lassen, war es sogar schwer, ihn wieder zu zähmen, und vom Piano wegzubringen, um andern, weniger belustigenden Talenten Platz zu machen.
In diesem letzten Concert sah ich ausserdem noch zwei merkwürdige Personen anderer Art, ein schon bejahrtes Paar, das un beau matin -- schwarz ge- worden war, aber schwarz, sage ich, wie Tinte. Es ist sonderbar, daß ein schwarz gewordener Weißer fast Grauen erregt, während dies bei einem Neger gar nicht statt findet. Noch sonderbarer ist der Grund dieses Schwarzwerdens. Man hat nämlich eine neue, wie man behauptet, spezifische Medizin gegen die Epi- lepsie und Krämpfe erfunden, deren Hauptbestand- theile ein Präparat von Zink und Silber sind. Setzt man sich jedoch während dem Gebrauch derselben im Geringsten dem Sonnenlichte aus, so wird man schwarz, und zwar für immer.
Dieses Unglück war denn auch den armen Leuten begegnet, die ich erwähnt, und hier heißt es freilich mehr als je: Le remede est pire que le mal!
die Kenntniß dieſer Sprache gänzlich abging, und brüllte daher oft mit ſeiner Stentorſtimme Worte heraus, welche alle Damen zum Weglaufen gezwun- gen haben müßten, wenn ſie ihre Bedeutung verſtan- den hätten.
Man genirte ſich übrigens gar nicht, ihn auszula- chen, (was nicht zu thun auch beinahe unmöglich war); ich habe aber nie bemerkt, daß dies ſeiner Exſtaſe und glücklichen Selbſtzufriedenheit im Ge- ringſten Eintrag gethan hätte. Ja, einmal losge- laſſen, war es ſogar ſchwer, ihn wieder zu zähmen, und vom Piano wegzubringen, um andern, weniger beluſtigenden Talenten Platz zu machen.
In dieſem letzten Concert ſah ich auſſerdem noch zwei merkwürdige Perſonen anderer Art, ein ſchon bejahrtes Paar, das un beau matin — ſchwarz ge- worden war, aber ſchwarz, ſage ich, wie Tinte. Es iſt ſonderbar, daß ein ſchwarz gewordener Weißer faſt Grauen erregt, während dies bei einem Neger gar nicht ſtatt findet. Noch ſonderbarer iſt der Grund dieſes Schwarzwerdens. Man hat nämlich eine neue, wie man behauptet, ſpezifiſche Medizin gegen die Epi- lepſie und Krämpfe erfunden, deren Hauptbeſtand- theile ein Präparat von Zink und Silber ſind. Setzt man ſich jedoch während dem Gebrauch derſelben im Geringſten dem Sonnenlichte aus, ſo wird man ſchwarz, und zwar für immer.
Dieſes Unglück war denn auch den armen Leuten begegnet, die ich erwähnt, und hier heißt es freilich mehr als je: Le remêde est pire que le mal!
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die Kenntniß dieſer Sprache gänzlich abging, und
brüllte daher oft mit ſeiner Stentorſtimme Worte
heraus, welche alle Damen zum Weglaufen gezwun-
gen haben müßten, wenn ſie ihre Bedeutung verſtan-
den hätten.
Man genirte ſich übrigens gar nicht, ihn auszula-
chen, (was nicht zu thun auch beinahe unmöglich
war); ich habe aber nie bemerkt, daß dies ſeiner
Exſtaſe und glücklichen Selbſtzufriedenheit im Ge-
ringſten Eintrag gethan hätte. Ja, einmal losge-
laſſen, war es ſogar ſchwer, ihn wieder zu zähmen,
und vom Piano wegzubringen, um andern, weniger
beluſtigenden Talenten Platz zu machen.
In dieſem letzten Concert ſah ich auſſerdem noch
zwei merkwürdige Perſonen anderer Art, ein ſchon
bejahrtes Paar, das un beau matin — ſchwarz ge-
worden war, aber ſchwarz, ſage ich, wie Tinte. Es
iſt ſonderbar, daß ein ſchwarz gewordener Weißer
faſt Grauen erregt, während dies bei einem Neger
gar nicht ſtatt findet. Noch ſonderbarer iſt der Grund
dieſes Schwarzwerdens. Man hat nämlich eine neue,
wie man behauptet, ſpezifiſche Medizin gegen die Epi-
lepſie und Krämpfe erfunden, deren Hauptbeſtand-
theile ein Präparat von Zink und Silber ſind. Setzt
man ſich jedoch während dem Gebrauch derſelben im
Geringſten dem Sonnenlichte aus, ſo wird man
ſchwarz, und zwar für immer.
Dieſes Unglück war denn auch den armen Leuten
begegnet, die ich erwähnt, und hier heißt es freilich
mehr als je: Le remêde est pire que le mal!
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/440>, abgerufen am 24.11.2024.
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