Die Bescheide der Ministerien, die Du mir über die ..... Sache mittheilst, bleiben auch beim Alten, obgleich sie äusserst verbindlich sind. Ist es aber nicht sonderbar, daß bei uns die niedern Behörden sich eben so sehr durch Tracasserieen und unhöflichen, ich möchte sagen, oft höhnischen Styl auszeichnen, als die höheren (mit einer einzigen Ausnahme) sich nur in raffinirt artigen Formen bewegen. Erhalten diese letztern dadurch nicht ganz das Ansehn der bittersten Ironie? Du kannst das unsrer G ..... schen Dilet- tanten-Academie als Preisfrage für's nächste Jahr aufstellen.
Apropos, wer ist der sehr kluge Minister, von dem H. spricht? Aha, ich errathe -- aber die Minister sind ja schon ex officio so klug, daß man schwer wissen kann, welchen sie meint, den überständigen dagegen errieth ich auf der Stelle, so wie den armen, dermalen horizontalen, dessen Krankheit mich herzlich betrübt, denn gesund steht er, meiner Meinung nach, gar sehr perpendiculair, hoch über Mißgunst und Neid, durch Würde des Charakters, wie Geschäftserfahrung und Fähigkeit. Es giebt dagegen in der That einige Staatsbeamten bei uns, denen man jeder Zeit ver- sucht wäre, mit Bürgers Leonore zuzurufen: Bist lebend, Liebster, oder todt?
Der Himmel erhalte uns Beiden geistig und kör- perlich bessere Gesundheit, und mir vor allem Deine zärtliche Freundschaft, das nöthigste Element zu mei- nem Wohlseyn.
Dein treuer L.
Die Beſcheide der Miniſterien, die Du mir über die ..... Sache mittheilſt, bleiben auch beim Alten, obgleich ſie äuſſerſt verbindlich ſind. Iſt es aber nicht ſonderbar, daß bei uns die niedern Behörden ſich eben ſo ſehr durch Tracaſſerieen und unhöflichen, ich möchte ſagen, oft höhniſchen Styl auszeichnen, als die höheren (mit einer einzigen Ausnahme) ſich nur in raffinirt artigen Formen bewegen. Erhalten dieſe letztern dadurch nicht ganz das Anſehn der bitterſten Ironie? Du kannſt das unſrer G ..... ſchen Dilet- tanten-Academie als Preisfrage für’s nächſte Jahr aufſtellen.
Apropos, wer iſt der ſehr kluge Miniſter, von dem H. ſpricht? Aha, ich errathe — aber die Miniſter ſind ja ſchon ex officio ſo klug, daß man ſchwer wiſſen kann, welchen ſie meint, den überſtändigen dagegen errieth ich auf der Stelle, ſo wie den armen, dermalen horizontalen, deſſen Krankheit mich herzlich betrübt, denn geſund ſteht er, meiner Meinung nach, gar ſehr perpendiculair, hoch über Mißgunſt und Neid, durch Würde des Charakters, wie Geſchäftserfahrung und Fähigkeit. Es giebt dagegen in der That einige Staatsbeamten bei uns, denen man jeder Zeit ver- ſucht wäre, mit Bürgers Leonore zuzurufen: Biſt lebend, Liebſter, oder todt?
Der Himmel erhalte uns Beiden geiſtig und kör- perlich beſſere Geſundheit, und mir vor allem Deine zärtliche Freundſchaft, das nöthigſte Element zu mei- nem Wohlſeyn.
Dein treuer L.
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Die Beſcheide der Miniſterien, die Du mir über
die ..... Sache mittheilſt, bleiben auch beim Alten,
obgleich ſie äuſſerſt verbindlich ſind. Iſt es aber nicht
ſonderbar, daß bei uns die niedern Behörden ſich
eben ſo ſehr durch Tracaſſerieen und unhöflichen, ich
möchte ſagen, oft höhniſchen Styl auszeichnen, als
die höheren (mit einer einzigen Ausnahme) ſich nur
in raffinirt artigen Formen bewegen. Erhalten dieſe
letztern dadurch nicht ganz das Anſehn der bitterſten
Ironie? Du kannſt das unſrer G ..... ſchen Dilet-
tanten-Academie als Preisfrage für’s nächſte Jahr
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Apropos, wer iſt der ſehr kluge Miniſter, von dem
H. ſpricht? Aha, ich errathe — aber die Miniſter ſind
ja ſchon ex officio ſo klug, daß man ſchwer wiſſen
kann, welchen ſie meint, den überſtändigen dagegen
errieth ich auf der Stelle, ſo wie den armen, dermalen
horizontalen, deſſen Krankheit mich herzlich betrübt,
denn geſund ſteht er, meiner Meinung nach, gar
ſehr perpendiculair, hoch über Mißgunſt und Neid,
durch Würde des Charakters, wie Geſchäftserfahrung
und Fähigkeit. Es giebt dagegen in der That einige
Staatsbeamten bei uns, denen man jeder Zeit ver-
ſucht wäre, mit Bürgers Leonore zuzurufen: Biſt
lebend, Liebſter, oder todt?
Der Himmel erhalte uns Beiden geiſtig und kör-
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nem Wohlſeyn.
Dein treuer L.
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/424>, abgerufen am 24.11.2024.
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