Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

man weiß, warum. Dieser ist wenigstens sehr lie-
benswürdig, wenn er will. Er erzählt vortrefflich,
und hat aus einem vielfach bewegten Leben nichts
vergessen, was seiner Unterhaltung Würze geben kann.
Zu solchen großartigen Avantüriers, deren consom-
mirte Menschenkenntniß stets sehr zu bewundern ist,
obgleich sie sie in der Regel nur zum Düpiren Ande-
rer anwenden, passen die Franzosen am besten. Ihre
gesellschaftliche Liebenswürdigkeit bricht die Bahn, und
ihr nicht zu warmes Herz, ihr, wenn ich mich so
ausdrücken darf, ökonomischer Verstand, weiß mit
dem Gewonnenen vortrefflich Haus zu halten, und
für immer darin festen Fuß zu fassen.

Der gewandte Mann, von dem ich hier spreche,
weiß auch das Spiel auf eine anmuthige Art zu hand-
haben, und behauptet im Scherz, wie For, daß er,
nach dem Vergnügen, im Spiel zu gewinnen, kein
größeres kenne, als darin zu verlieren.

Man sprach viel von Napoleon, dessen unser Wirth,
wie Alle, die lange in seiner Nähe lebten, nur mit
Ehrfurcht gedachte. Er erwähnte eines Umstandes,
der mich frappirte. Der Kaiser, sagte er, sey von der
ungeheuren Anstrengung während der hundert Tage
und den folgenden Ereignissen so unglaublich abge-
spannt gewesen, daß er bei seiner Retraite von Wa-
terloo, welche (ganz gegen die bei uns übliche Ver-
sion) in der ersten Stunde, von einem Bataillon sei-
ner Garde geschützt, nur langsam und ohne alle
Uebereilung von statten ging -- zwei bis dreimal auf

man weiß, warum. Dieſer iſt wenigſtens ſehr lie-
benswürdig, wenn er will. Er erzählt vortrefflich,
und hat aus einem vielfach bewegten Leben nichts
vergeſſen, was ſeiner Unterhaltung Würze geben kann.
Zu ſolchen großartigen Avantüriers, deren conſom-
mirte Menſchenkenntniß ſtets ſehr zu bewundern iſt,
obgleich ſie ſie in der Regel nur zum Düpiren Ande-
rer anwenden, paſſen die Franzoſen am beſten. Ihre
geſellſchaftliche Liebenswürdigkeit bricht die Bahn, und
ihr nicht zu warmes Herz, ihr, wenn ich mich ſo
ausdrücken darf, ökonomiſcher Verſtand, weiß mit
dem Gewonnenen vortrefflich Haus zu halten, und
für immer darin feſten Fuß zu faſſen.

Der gewandte Mann, von dem ich hier ſpreche,
weiß auch das Spiel auf eine anmuthige Art zu hand-
haben, und behauptet im Scherz, wie For, daß er,
nach dem Vergnügen, im Spiel zu gewinnen, kein
größeres kenne, als darin zu verlieren.

Man ſprach viel von Napoleon, deſſen unſer Wirth,
wie Alle, die lange in ſeiner Nähe lebten, nur mit
Ehrfurcht gedachte. Er erwähnte eines Umſtandes,
der mich frappirte. Der Kaiſer, ſagte er, ſey von der
ungeheuren Anſtrengung während der hundert Tage
und den folgenden Ereigniſſen ſo unglaublich abge-
ſpannt geweſen, daß er bei ſeiner Retraite von Wa-
terloo, welche (ganz gegen die bei uns übliche Ver-
ſion) in der erſten Stunde, von einem Bataillon ſei-
ner Garde geſchützt, nur langſam und ohne alle
Uebereilung von ſtatten ging — zwei bis dreimal auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0416" n="370"/>
man weiß, warum. Die&#x017F;er i&#x017F;t wenig&#x017F;tens &#x017F;ehr lie-<lb/>
benswürdig, wenn er will. Er erzählt vortrefflich,<lb/>
und hat aus einem vielfach bewegten Leben nichts<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en, was &#x017F;einer Unterhaltung Würze geben kann.<lb/>
Zu &#x017F;olchen großartigen Avantüriers, deren con&#x017F;om-<lb/>
mirte Men&#x017F;chenkenntniß &#x017F;tets &#x017F;ehr zu bewundern i&#x017F;t,<lb/>
obgleich &#x017F;ie &#x017F;ie in der Regel nur zum Düpiren Ande-<lb/>
rer anwenden, pa&#x017F;&#x017F;en die Franzo&#x017F;en am be&#x017F;ten. Ihre<lb/>
ge&#x017F;ell&#x017F;chaftliche Liebenswürdigkeit bricht die Bahn, und<lb/>
ihr nicht zu warmes Herz, ihr, wenn ich mich &#x017F;o<lb/>
ausdrücken darf, ökonomi&#x017F;cher Ver&#x017F;tand, weiß mit<lb/>
dem Gewonnenen vortrefflich Haus zu halten, und<lb/>
für immer darin fe&#x017F;ten Fuß zu fa&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Der gewandte Mann, von dem ich hier &#x017F;preche,<lb/>
weiß auch das Spiel auf eine anmuthige Art zu hand-<lb/>
haben, und behauptet im Scherz, wie For, daß er,<lb/>
nach dem Vergnügen, im Spiel zu gewinnen, kein<lb/>
größeres kenne, als darin zu verlieren.</p><lb/>
          <p>Man &#x017F;prach viel von Napoleon, de&#x017F;&#x017F;en un&#x017F;er Wirth,<lb/>
wie Alle, die lange in &#x017F;einer Nähe lebten, nur mit<lb/>
Ehrfurcht gedachte. Er erwähnte eines Um&#x017F;tandes,<lb/>
der mich frappirte. Der Kai&#x017F;er, &#x017F;agte er, &#x017F;ey von der<lb/>
ungeheuren An&#x017F;trengung während der hundert Tage<lb/>
und den folgenden Ereigni&#x017F;&#x017F;en &#x017F;o unglaublich abge-<lb/>
&#x017F;pannt gewe&#x017F;en, daß er bei &#x017F;einer Retraite von Wa-<lb/>
terloo, welche (ganz gegen die bei uns übliche Ver-<lb/>
&#x017F;ion) in der er&#x017F;ten Stunde, von einem Bataillon &#x017F;ei-<lb/>
ner Garde ge&#x017F;chützt, nur lang&#x017F;am und ohne alle<lb/>
Uebereilung von &#x017F;tatten ging &#x2014; zwei bis dreimal auf<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[370/0416] man weiß, warum. Dieſer iſt wenigſtens ſehr lie- benswürdig, wenn er will. Er erzählt vortrefflich, und hat aus einem vielfach bewegten Leben nichts vergeſſen, was ſeiner Unterhaltung Würze geben kann. Zu ſolchen großartigen Avantüriers, deren conſom- mirte Menſchenkenntniß ſtets ſehr zu bewundern iſt, obgleich ſie ſie in der Regel nur zum Düpiren Ande- rer anwenden, paſſen die Franzoſen am beſten. Ihre geſellſchaftliche Liebenswürdigkeit bricht die Bahn, und ihr nicht zu warmes Herz, ihr, wenn ich mich ſo ausdrücken darf, ökonomiſcher Verſtand, weiß mit dem Gewonnenen vortrefflich Haus zu halten, und für immer darin feſten Fuß zu faſſen. Der gewandte Mann, von dem ich hier ſpreche, weiß auch das Spiel auf eine anmuthige Art zu hand- haben, und behauptet im Scherz, wie For, daß er, nach dem Vergnügen, im Spiel zu gewinnen, kein größeres kenne, als darin zu verlieren. Man ſprach viel von Napoleon, deſſen unſer Wirth, wie Alle, die lange in ſeiner Nähe lebten, nur mit Ehrfurcht gedachte. Er erwähnte eines Umſtandes, der mich frappirte. Der Kaiſer, ſagte er, ſey von der ungeheuren Anſtrengung während der hundert Tage und den folgenden Ereigniſſen ſo unglaublich abge- ſpannt geweſen, daß er bei ſeiner Retraite von Wa- terloo, welche (ganz gegen die bei uns übliche Ver- ſion) in der erſten Stunde, von einem Bataillon ſei- ner Garde geſchützt, nur langſam und ohne alle Uebereilung von ſtatten ging — zwei bis dreimal auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/416
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/416>, abgerufen am 24.11.2024.