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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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den, eine Gemeinheit, die jede Illusion und jede
wahre Achtung für den Geistlichen nothwendig un-
tergraben, so wie ihn, hat er noch Delikatesse, in
seinen eignen Augen herabwürdigen muß. Es ist
wirklich schrecklich anzusehen, wenn der Arme auf
dem Lande für den eben genossenen Leib Christi zwei
Groschen hinter den Altar steckt, und bei der Taufe
es gar dem Herrn Geistlichen, wie ein Biergeld, in
die Hand gedrückt wird. Hört man aber gar den
Prediger von der Kanzel wüthen und schelten,
daß das Opfer immer geringer werde, drohend
darum mahnen, und solches Entziehen seiner Ein-
künfte als ein Zeichen verringerter Religiosität ver-
dammen -- dann fühlt man lebhaft, wozu so viele
Priester da sind, und was sie für ihren eigentlichen
Beruf halten. Soldaten lieben ganz natürlich den
Krieg, Priester eben so die Religion, beide wegen
ihres Vortheils. Patrioten lieben den Krieg nur,
um Freiheit dadurch zu erringen, Philosophen die
Religion nur um ihrer Schönheit und Wahrheit
willen.

Das ist der Unterschied.

Wie aber der Autor der Zillah so richtig sagt:
"Etablissements dauern länger als Meinungen. Die
Kirche dauert länger als der Glaube, der sie grün-
dete, und wenn es einer Priesterschaft einmal gelun-
gen ist, mit den Institutionen ihres Landes sich zu
verweben, so mag sie noch blühen und bestehen,
wenn auch ihr Cultus schon längst zum Gespött ge-
worden ist."

den, eine Gemeinheit, die jede Illuſion und jede
wahre Achtung für den Geiſtlichen nothwendig un-
tergraben, ſo wie ihn, hat er noch Delikateſſe, in
ſeinen eignen Augen herabwürdigen muß. Es iſt
wirklich ſchrecklich anzuſehen, wenn der Arme auf
dem Lande für den eben genoſſenen Leib Chriſti zwei
Groſchen hinter den Altar ſteckt, und bei der Taufe
es gar dem Herrn Geiſtlichen, wie ein Biergeld, in
die Hand gedrückt wird. Hört man aber gar den
Prediger von der Kanzel wüthen und ſchelten,
daß das Opfer immer geringer werde, drohend
darum mahnen, und ſolches Entziehen ſeiner Ein-
künfte als ein Zeichen verringerter Religioſität ver-
dammen — dann fühlt man lebhaft, wozu ſo viele
Prieſter da ſind, und was ſie für ihren eigentlichen
Beruf halten. Soldaten lieben ganz natürlich den
Krieg, Prieſter eben ſo die Religion, beide wegen
ihres Vortheils. Patrioten lieben den Krieg nur,
um Freiheit dadurch zu erringen, Philoſophen die
Religion nur um ihrer Schönheit und Wahrheit
willen.

Das iſt der Unterſchied.

Wie aber der Autor der Zillah ſo richtig ſagt:
„Etabliſſements dauern länger als Meinungen. Die
Kirche dauert länger als der Glaube, der ſie grün-
dete, und wenn es einer Prieſterſchaft einmal gelun-
gen iſt, mit den Inſtitutionen ihres Landes ſich zu
verweben, ſo mag ſie noch blühen und beſtehen,
wenn auch ihr Cultus ſchon längſt zum Geſpött ge-
worden iſt.“

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[368/0414] den, eine Gemeinheit, die jede Illuſion und jede wahre Achtung für den Geiſtlichen nothwendig un- tergraben, ſo wie ihn, hat er noch Delikateſſe, in ſeinen eignen Augen herabwürdigen muß. Es iſt wirklich ſchrecklich anzuſehen, wenn der Arme auf dem Lande für den eben genoſſenen Leib Chriſti zwei Groſchen hinter den Altar ſteckt, und bei der Taufe es gar dem Herrn Geiſtlichen, wie ein Biergeld, in die Hand gedrückt wird. Hört man aber gar den Prediger von der Kanzel wüthen und ſchelten, daß das Opfer immer geringer werde, drohend darum mahnen, und ſolches Entziehen ſeiner Ein- künfte als ein Zeichen verringerter Religioſität ver- dammen — dann fühlt man lebhaft, wozu ſo viele Prieſter da ſind, und was ſie für ihren eigentlichen Beruf halten. Soldaten lieben ganz natürlich den Krieg, Prieſter eben ſo die Religion, beide wegen ihres Vortheils. Patrioten lieben den Krieg nur, um Freiheit dadurch zu erringen, Philoſophen die Religion nur um ihrer Schönheit und Wahrheit willen. Das iſt der Unterſchied. Wie aber der Autor der Zillah ſo richtig ſagt: „Etabliſſements dauern länger als Meinungen. Die Kirche dauert länger als der Glaube, der ſie grün- dete, und wenn es einer Prieſterſchaft einmal gelun- gen iſt, mit den Inſtitutionen ihres Landes ſich zu verweben, ſo mag ſie noch blühen und beſtehen, wenn auch ihr Cultus ſchon längſt zum Geſpött ge- worden iſt.“

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/414>, abgerufen am 24.11.2024.