Hat man die Leute nun an die Anlegung dieses Maaßstabes gewöhnt, und ihnen dann recht ad ocu- los die ohnfehlbar aus ihren Handlungen entsprin- gende, endliche Rückwirkung auf sie selbst demon- strirt, so wird man in wenigen Jahrzehnenden nicht nur Moralität, sondern auch Cultur und Industrie verbessert haben, während die gewöhnliche Priester- weisheit, die den Glauben, die Autorität und das Dogma über Alles setzt, Jahrhunderte lang es beim Alten läßt, und nicht selten verschlimmert.
Dabei würde es vielleicht nichts schaden, wenn man, wie man in Frankreich berühmte Spitzbuben begnadigt, um sie bei der Polizei anzustellen, auch hier manchmal solche Lehrer auswählte, die sich aus eigner Erfahrung der üblen Folgen der Sünde be- kehrt haben, (wie z. B. der selige Werner), und da- her am besten über sie unterrichtet sind. Es ist mehr Freude im Himmel über einen Sünder, der zurück- kehrt, als über zehn Gerechte, und ein solcher ist auch in der Ueberzeugung und Einsicht fester, hat auch in der Regel mehr Bekehrungseifer, wie das Beispiel vieler Heiligen beweiset.
Vor allen aber müßten, meines Erachtens, in ei- ner wohl organisirten Gesellschaft alle Prediger, sie kämen nun her, von wo sie wollten, auf fixirten Ge- halt gesetzt seyn, (dieser werde nun vom Staate oder von den Gläubigen bestritten), und nicht für die Segnungen ächter Religion, so wie für die Ceremo- nien der conventionellen, einzeln baar bezahlt wer-
Hat man die Leute nun an die Anlegung dieſes Maaßſtabes gewöhnt, und ihnen dann recht ad ocu- los die ohnfehlbar aus ihren Handlungen entſprin- gende, endliche Rückwirkung auf ſie ſelbſt demon- ſtrirt, ſo wird man in wenigen Jahrzehnenden nicht nur Moralität, ſondern auch Cultur und Induſtrie verbeſſert haben, während die gewöhnliche Prieſter- weisheit, die den Glauben, die Autorität und das Dogma über Alles ſetzt, Jahrhunderte lang es beim Alten läßt, und nicht ſelten verſchlimmert.
Dabei würde es vielleicht nichts ſchaden, wenn man, wie man in Frankreich berühmte Spitzbuben begnadigt, um ſie bei der Polizei anzuſtellen, auch hier manchmal ſolche Lehrer auswählte, die ſich aus eigner Erfahrung der üblen Folgen der Sünde be- kehrt haben, (wie z. B. der ſelige Werner), und da- her am beſten über ſie unterrichtet ſind. Es iſt mehr Freude im Himmel über einen Sünder, der zurück- kehrt, als über zehn Gerechte, und ein ſolcher iſt auch in der Ueberzeugung und Einſicht feſter, hat auch in der Regel mehr Bekehrungseifer, wie das Beiſpiel vieler Heiligen beweiſet.
Vor allen aber müßten, meines Erachtens, in ei- ner wohl organiſirten Geſellſchaft alle Prediger, ſie kämen nun her, von wo ſie wollten, auf fixirten Ge- halt geſetzt ſeyn, (dieſer werde nun vom Staate oder von den Gläubigen beſtritten), und nicht für die Segnungen ächter Religion, ſo wie für die Ceremo- nien der conventionellen, einzeln baar bezahlt wer-
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Hat man die Leute nun an die Anlegung dieſes
Maaßſtabes gewöhnt, und ihnen dann recht ad ocu-
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gende, endliche Rückwirkung auf ſie ſelbſt demon-
ſtrirt, ſo wird man in wenigen Jahrzehnenden nicht
nur Moralität, ſondern auch Cultur und Induſtrie
verbeſſert haben, während die gewöhnliche Prieſter-
weisheit, die den Glauben, die Autorität und das
Dogma über Alles ſetzt, Jahrhunderte lang es beim
Alten läßt, und nicht ſelten verſchlimmert.
Dabei würde es vielleicht nichts ſchaden, wenn
man, wie man in Frankreich berühmte Spitzbuben
begnadigt, um ſie bei der Polizei anzuſtellen, auch
hier manchmal ſolche Lehrer auswählte, die ſich aus
eigner Erfahrung der üblen Folgen der Sünde be-
kehrt haben, (wie z. B. der ſelige Werner), und da-
her am beſten über ſie unterrichtet ſind. Es iſt mehr
Freude im Himmel über einen Sünder, der zurück-
kehrt, als über zehn Gerechte, und ein ſolcher iſt
auch in der Ueberzeugung und Einſicht feſter, hat
auch in der Regel mehr Bekehrungseifer, wie das
Beiſpiel vieler Heiligen beweiſet.
Vor allen aber müßten, meines Erachtens, in ei-
ner wohl organiſirten Geſellſchaft alle Prediger, ſie
kämen nun her, von wo ſie wollten, auf fixirten Ge-
halt geſetzt ſeyn, (dieſer werde nun vom Staate oder
von den Gläubigen beſtritten), und nicht für die
Segnungen ächter Religion, ſo wie für die Ceremo-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/413>, abgerufen am 24.11.2024.
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