drappirt, daß es aussah, als wenn man Betttücher zum Trocknen aufgehangen hätte. Dazu denke Dir noch einen zweiten Saal daneben mit fortlaufenden Bänken an den Wänden und einem großen Theetisch in der Mitte, in beiden aber die zahlreiche Gesell- schaft ganz rabenschwarz von Kopf zu Fuß, inclusive Handschuh, wegen der Trauer und dabei ein so me- lancholisches Tanzen mit keiner Spur von Lebhaftig- keit oder Freude, daß man die Leute wegen der un- nützen Fatigue bedauert, so wirst Du eine sehr treue Idee von Brightons Almacks (so werden diese sehr fashionablen Bälle genannt) haben. Die ganze Ein- richtung ist komisch genug. Diese Almacks sind in London das Höchste der Mode in der Season, die vom April bis Juni dauert, und 5--6 der vornehmsten Damen (Prinzeß L ... ist auch eine davon), welche man Patronesses nennt, vertheilen die Billets dazu. Die Ertheilung derselben ist eine große Gunst, und für Leute, die nicht zu der allervornehmsten oder mo- dernsten Welt gehören, sehr schwierig zu erlangen, so daß Monat lange Intriguen angesponnen, und den Lady Patronesses auf die gemeinste Weise geschmei- chelt wird, um dergleichen zu erhalten, weil der oder die, welche nie auf Almacks gesehen werden, als ganz unfashionable (ich möchte fast sagen unehrlich) zu betrachten sind, und die fashionable seyn wollende eng- lische Welt dies natürlich für das größte mögliche Unglück hält. Dies ist so wahr, daß neulich sogar ein Roman eigends über diesen Gegenstand geschrieben worden ist, der das Treiben der Londner Welt recht
23*
drappirt, daß es ausſah, als wenn man Betttücher zum Trocknen aufgehangen hätte. Dazu denke Dir noch einen zweiten Saal daneben mit fortlaufenden Bänken an den Wänden und einem großen Theetiſch in der Mitte, in beiden aber die zahlreiche Geſell- ſchaft ganz rabenſchwarz von Kopf zu Fuß, incluſive Handſchuh, wegen der Trauer und dabei ein ſo me- lancholiſches Tanzen mit keiner Spur von Lebhaftig- keit oder Freude, daß man die Leute wegen der un- nützen Fatigue bedauert, ſo wirſt Du eine ſehr treue Idee von Brightons Almacks (ſo werden dieſe ſehr faſhionablen Bälle genannt) haben. Die ganze Ein- richtung iſt komiſch genug. Dieſe Almacks ſind in London das Höchſte der Mode in der Seaſon, die vom April bis Juni dauert, und 5—6 der vornehmſten Damen (Prinzeß L … iſt auch eine davon), welche man Patroneſſes nennt, vertheilen die Billets dazu. Die Ertheilung derſelben iſt eine große Gunſt, und für Leute, die nicht zu der allervornehmſten oder mo- dernſten Welt gehören, ſehr ſchwierig zu erlangen, ſo daß Monat lange Intriguen angeſponnen, und den Lady Patroneſſes auf die gemeinſte Weiſe geſchmei- chelt wird, um dergleichen zu erhalten, weil der oder die, welche nie auf Almacks geſehen werden, als ganz unfaſhionable (ich möchte faſt ſagen unehrlich) zu betrachten ſind, und die faſhionable ſeyn wollende eng- liſche Welt dies natürlich für das größte mögliche Unglück hält. Dies iſt ſo wahr, daß neulich ſogar ein Roman eigends über dieſen Gegenſtand geſchrieben worden iſt, der das Treiben der Londner Welt recht
23*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0401"n="355"/>
drappirt, daß es ausſah, als wenn man Betttücher<lb/>
zum Trocknen aufgehangen hätte. Dazu denke Dir<lb/>
noch einen zweiten Saal daneben mit fortlaufenden<lb/>
Bänken an den Wänden und einem großen Theetiſch<lb/>
in der Mitte, in beiden aber die zahlreiche Geſell-<lb/>ſchaft ganz rabenſchwarz von Kopf zu Fuß, incluſive<lb/>
Handſchuh, wegen der Trauer und dabei ein ſo me-<lb/>
lancholiſches Tanzen mit keiner Spur von Lebhaftig-<lb/>
keit oder Freude, daß man die Leute wegen der un-<lb/>
nützen Fatigue bedauert, ſo wirſt Du eine ſehr treue<lb/>
Idee von Brightons Almacks (ſo werden dieſe ſehr<lb/>
faſhionablen Bälle genannt) haben. Die ganze Ein-<lb/>
richtung iſt komiſch genug. Dieſe Almacks ſind in<lb/>
London das Höchſte der Mode in der Seaſon, die vom<lb/>
April bis Juni dauert, und 5—6 der vornehmſten<lb/>
Damen (Prinzeß L … iſt auch eine davon), welche<lb/>
man Patroneſſes nennt, vertheilen die Billets dazu.<lb/>
Die Ertheilung derſelben iſt eine große Gunſt, und<lb/>
für Leute, die nicht zu der allervornehmſten oder mo-<lb/>
dernſten Welt gehören, ſehr ſchwierig zu erlangen,<lb/>ſo daß Monat lange Intriguen angeſponnen, und den<lb/>
Lady Patroneſſes auf die gemeinſte Weiſe geſchmei-<lb/>
chelt wird, um dergleichen zu erhalten, weil der oder<lb/>
die, welche nie auf Almacks geſehen werden, als ganz<lb/>
unfaſhionable (ich möchte faſt ſagen unehrlich) zu<lb/>
betrachten ſind, und die faſhionable ſeyn wollende eng-<lb/>
liſche Welt dies natürlich für das größte mögliche<lb/>
Unglück hält. Dies iſt ſo wahr, daß neulich ſogar ein<lb/>
Roman eigends über dieſen Gegenſtand geſchrieben<lb/>
worden iſt, der das Treiben der Londner Welt recht<lb/><fwplace="bottom"type="sig">23*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[355/0401]
drappirt, daß es ausſah, als wenn man Betttücher
zum Trocknen aufgehangen hätte. Dazu denke Dir
noch einen zweiten Saal daneben mit fortlaufenden
Bänken an den Wänden und einem großen Theetiſch
in der Mitte, in beiden aber die zahlreiche Geſell-
ſchaft ganz rabenſchwarz von Kopf zu Fuß, incluſive
Handſchuh, wegen der Trauer und dabei ein ſo me-
lancholiſches Tanzen mit keiner Spur von Lebhaftig-
keit oder Freude, daß man die Leute wegen der un-
nützen Fatigue bedauert, ſo wirſt Du eine ſehr treue
Idee von Brightons Almacks (ſo werden dieſe ſehr
faſhionablen Bälle genannt) haben. Die ganze Ein-
richtung iſt komiſch genug. Dieſe Almacks ſind in
London das Höchſte der Mode in der Seaſon, die vom
April bis Juni dauert, und 5—6 der vornehmſten
Damen (Prinzeß L … iſt auch eine davon), welche
man Patroneſſes nennt, vertheilen die Billets dazu.
Die Ertheilung derſelben iſt eine große Gunſt, und
für Leute, die nicht zu der allervornehmſten oder mo-
dernſten Welt gehören, ſehr ſchwierig zu erlangen,
ſo daß Monat lange Intriguen angeſponnen, und den
Lady Patroneſſes auf die gemeinſte Weiſe geſchmei-
chelt wird, um dergleichen zu erhalten, weil der oder
die, welche nie auf Almacks geſehen werden, als ganz
unfaſhionable (ich möchte faſt ſagen unehrlich) zu
betrachten ſind, und die faſhionable ſeyn wollende eng-
liſche Welt dies natürlich für das größte mögliche
Unglück hält. Dies iſt ſo wahr, daß neulich ſogar ein
Roman eigends über dieſen Gegenſtand geſchrieben
worden iſt, der das Treiben der Londner Welt recht
23*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/401>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.