Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Rechtlichkeit und Treue mit hinübergenommen -- (ein
seltner Fall!) unterbrach mich hier, um mich zu über-
morgen zu Tisch einzuladen. Das hat mich aufgehal-
ten, zum Reiten ist es zu spät, Club-Gesellschaft zu
besuchen habe ich keine Lust, ich werde also lieber noch
einen zweiten Schlafrock überziehen, von Dir und M.
träumen, deine Briefe wieder einmal überlesen, und
geduldig dabei in meiner Stube frieren, bis ich zu Bett
gehe, denn mehr wie 8 Grad Wärme kann ich in mei-
nem luftigen und fensterreichen Lokal, durch bloßes Ka-
minfeuer nicht hervorbringen. Also au revoir.



Es war billig, daß ich mich heute für den gestrigen
Stubenarrest entschädigte, und viele Stunden in der
Gegend umherirrte, um so mehr, da ich Abends mich
executiren mußte, um einem großen Subscriptionsball
beizuwohnen.

Die hiesige Umgegend ist gewiß sehr eigenthümlich,
denn während vier Stunden Umherreitens fand ich
immer noch keinen ausgewachsenen Baum. Die vie-
len Hügel jedoch, die große Stadt in der Ferne, meh-
rere kleinere in der Nähe, das Meer und seine Schiffe
nebst einer häufig wechselnden Beleuchtung, belebten
die Landschaft hinlänglich, und selbst der Contrast mit
dem überall sonst so baumreichen England war nicht
ohne Reize. Die Sonne gieng endlich incognito zur

Briefe eines Verstorbenen. III. 23

Rechtlichkeit und Treue mit hinübergenommen — (ein
ſeltner Fall!) unterbrach mich hier, um mich zu über-
morgen zu Tiſch einzuladen. Das hat mich aufgehal-
ten, zum Reiten iſt es zu ſpät, Club-Geſellſchaft zu
beſuchen habe ich keine Luſt, ich werde alſo lieber noch
einen zweiten Schlafrock überziehen, von Dir und M.
träumen, deine Briefe wieder einmal überleſen, und
geduldig dabei in meiner Stube frieren, bis ich zu Bett
gehe, denn mehr wie 8 Grad Wärme kann ich in mei-
nem luftigen und fenſterreichen Lokal, durch bloßes Ka-
minfeuer nicht hervorbringen. Alſo au revoir.



Es war billig, daß ich mich heute für den geſtrigen
Stubenarreſt entſchädigte, und viele Stunden in der
Gegend umherirrte, um ſo mehr, da ich Abends mich
executiren mußte, um einem großen Subſcriptionsball
beizuwohnen.

Die hieſige Umgegend iſt gewiß ſehr eigenthümlich,
denn während vier Stunden Umherreitens fand ich
immer noch keinen ausgewachſenen Baum. Die vie-
len Hügel jedoch, die große Stadt in der Ferne, meh-
rere kleinere in der Nähe, das Meer und ſeine Schiffe
nebſt einer häufig wechſelnden Beleuchtung, belebten
die Landſchaft hinlänglich, und ſelbſt der Contraſt mit
dem überall ſonſt ſo baumreichen England war nicht
ohne Reize. Die Sonne gieng endlich incognito zur

Briefe eines Verſtorbenen. III. 23
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0399" n="353"/>
Rechtlichkeit und Treue mit hinübergenommen &#x2014; (ein<lb/>
&#x017F;eltner Fall!) unterbrach mich hier, um mich zu über-<lb/>
morgen zu Ti&#x017F;ch einzuladen. Das hat mich aufgehal-<lb/>
ten, zum Reiten i&#x017F;t es zu &#x017F;pät, Club-Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zu<lb/>
be&#x017F;uchen habe ich keine Lu&#x017F;t, ich werde al&#x017F;o lieber noch<lb/>
einen zweiten Schlafrock überziehen, von Dir und M.<lb/>
träumen, deine Briefe wieder einmal überle&#x017F;en, und<lb/>
geduldig dabei in meiner Stube frieren, bis ich zu Bett<lb/>
gehe, denn mehr wie 8 Grad Wärme kann ich in mei-<lb/>
nem luftigen und fen&#x017F;terreichen Lokal, durch bloßes Ka-<lb/>
minfeuer nicht hervorbringen. Al&#x017F;o <hi rendition="#aq">au revoir.</hi></p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 10ten.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Es war billig, daß ich mich heute für den ge&#x017F;trigen<lb/>
Stubenarre&#x017F;t ent&#x017F;chädigte, und viele Stunden in der<lb/>
Gegend umherirrte, um &#x017F;o mehr, da ich Abends mich<lb/>
executiren mußte, um einem großen Sub&#x017F;criptionsball<lb/>
beizuwohnen.</p><lb/>
          <p>Die hie&#x017F;ige Umgegend i&#x017F;t gewiß &#x017F;ehr eigenthümlich,<lb/>
denn während vier Stunden Umherreitens fand ich<lb/>
immer noch keinen ausgewach&#x017F;enen Baum. Die vie-<lb/>
len Hügel jedoch, die große Stadt in der Ferne, meh-<lb/>
rere kleinere in der Nähe, das Meer und &#x017F;eine Schiffe<lb/>
neb&#x017F;t einer häufig wech&#x017F;elnden Beleuchtung, belebten<lb/>
die Land&#x017F;chaft hinlänglich, und &#x017F;elb&#x017F;t der Contra&#x017F;t mit<lb/>
dem überall &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o baumreichen England war nicht<lb/>
ohne Reize. Die Sonne gieng endlich incognito zur<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Briefe eines Ver&#x017F;torbenen. <hi rendition="#aq">III.</hi> 23</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[353/0399] Rechtlichkeit und Treue mit hinübergenommen — (ein ſeltner Fall!) unterbrach mich hier, um mich zu über- morgen zu Tiſch einzuladen. Das hat mich aufgehal- ten, zum Reiten iſt es zu ſpät, Club-Geſellſchaft zu beſuchen habe ich keine Luſt, ich werde alſo lieber noch einen zweiten Schlafrock überziehen, von Dir und M. träumen, deine Briefe wieder einmal überleſen, und geduldig dabei in meiner Stube frieren, bis ich zu Bett gehe, denn mehr wie 8 Grad Wärme kann ich in mei- nem luftigen und fenſterreichen Lokal, durch bloßes Ka- minfeuer nicht hervorbringen. Alſo au revoir. Den 10ten. Es war billig, daß ich mich heute für den geſtrigen Stubenarreſt entſchädigte, und viele Stunden in der Gegend umherirrte, um ſo mehr, da ich Abends mich executiren mußte, um einem großen Subſcriptionsball beizuwohnen. Die hieſige Umgegend iſt gewiß ſehr eigenthümlich, denn während vier Stunden Umherreitens fand ich immer noch keinen ausgewachſenen Baum. Die vie- len Hügel jedoch, die große Stadt in der Ferne, meh- rere kleinere in der Nähe, das Meer und ſeine Schiffe nebſt einer häufig wechſelnden Beleuchtung, belebten die Landſchaft hinlänglich, und ſelbſt der Contraſt mit dem überall ſonſt ſo baumreichen England war nicht ohne Reize. Die Sonne gieng endlich incognito zur Briefe eines Verſtorbenen. III. 23

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/399
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/399>, abgerufen am 13.11.2024.