Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

genehmer Gegenstand, nämlich ein todter Kopf die
Hauptrolle, auf dem einen der des Cyrus, auf dem
andern des Johannes, aber die Herodias Guidos ist
wieder eine jener vom Genie eingehauchten poetischen
himmlische Schönheit mit der lieblichsten Weiblichkeit
und dem tiefsten tragischen Ausdruck vereinenden Fi-
guren, die einen so unauslöschlichen Eindruck zurück-
lassen und in der Wirklichkeit nur höchst selten ange-
troffen werden. Es giebt eine Dame Deiner Bekannt-
schaft, welche diesem Ideal entspricht, die Gräfin A.
in B. Sie war, als ich sie kannte *), die schönste
und reichbegabteste Frau, die ich je gesehen habe. Das
größte Ebenmaaß, das vollkommenste Gleichgewicht
herrschte in ihrem Aeußern und Innern, so daß die
heterogensten Dinge ihr gleich wohl anstanden. Ma-
jestätisch wie eine Königin, wenn sie repräsentirte,
von der leichtesten und anmuthigsten Weltbildung,
wenn sie ihren Salon hielt, von der naivsten, rüh-
rendsten Güte und Heiterkeit im vertrauten Familien-
kreise -- in jeder Erscheinung aber noch bedeutender
gemacht durch einen nie ganz verwischten Zug gedan-
kenvoller Schwermuth, verschwistert mit jener ächt
weiblichen Zartheit, die einem Weibe in der Männer
Augen den höchsten unwiderstehlichsten Reiz verleiht.
Ihre Aehnlichkeit mit dem Guidoschen Bilde war auf-
fallend. Als herrlicher Contrast mit der Hauptfigur
dienen in diesem Gemälde zwei, ebenfalls sehr hüb-
sche, Hofdamen im Gefolge der Herodias. Sie sind

*) und ist es noch. A. d. H.
22*

genehmer Gegenſtand, nämlich ein todter Kopf die
Hauptrolle, auf dem einen der des Cyrus, auf dem
andern des Johannes, aber die Herodias Guidos iſt
wieder eine jener vom Genie eingehauchten poetiſchen
himmliſche Schönheit mit der lieblichſten Weiblichkeit
und dem tiefſten tragiſchen Ausdruck vereinenden Fi-
guren, die einen ſo unauslöſchlichen Eindruck zurück-
laſſen und in der Wirklichkeit nur höchſt ſelten ange-
troffen werden. Es giebt eine Dame Deiner Bekannt-
ſchaft, welche dieſem Ideal entſpricht, die Gräfin A.
in B. Sie war, als ich ſie kannte *), die ſchönſte
und reichbegabteſte Frau, die ich je geſehen habe. Das
größte Ebenmaaß, das vollkommenſte Gleichgewicht
herrſchte in ihrem Aeußern und Innern, ſo daß die
heterogenſten Dinge ihr gleich wohl anſtanden. Ma-
jeſtätiſch wie eine Königin, wenn ſie repräſentirte,
von der leichteſten und anmuthigſten Weltbildung,
wenn ſie ihren Salon hielt, von der naivſten, rüh-
rendſten Güte und Heiterkeit im vertrauten Familien-
kreiſe — in jeder Erſcheinung aber noch bedeutender
gemacht durch einen nie ganz verwiſchten Zug gedan-
kenvoller Schwermuth, verſchwiſtert mit jener ächt
weiblichen Zartheit, die einem Weibe in der Männer
Augen den höchſten unwiderſtehlichſten Reiz verleiht.
Ihre Aehnlichkeit mit dem Guidoſchen Bilde war auf-
fallend. Als herrlicher Contraſt mit der Hauptfigur
dienen in dieſem Gemälde zwei, ebenfalls ſehr hüb-
ſche, Hofdamen im Gefolge der Herodias. Sie ſind

*) und iſt es noch. A. d. H.
22*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0385" n="339"/>
genehmer Gegen&#x017F;tand, nämlich ein todter Kopf die<lb/>
Hauptrolle, auf dem einen der des Cyrus, auf dem<lb/>
andern des Johannes, aber die Herodias Guidos i&#x017F;t<lb/>
wieder eine jener vom Genie eingehauchten poeti&#x017F;chen<lb/>
himmli&#x017F;che Schönheit mit der lieblich&#x017F;ten Weiblichkeit<lb/>
und dem tief&#x017F;ten tragi&#x017F;chen Ausdruck vereinenden Fi-<lb/>
guren, die einen &#x017F;o unauslö&#x017F;chlichen Eindruck zurück-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en und in der Wirklichkeit nur höch&#x017F;t &#x017F;elten ange-<lb/>
troffen werden. Es giebt eine Dame Deiner Bekannt-<lb/>
&#x017F;chaft, welche die&#x017F;em Ideal ent&#x017F;pricht, die Gräfin A.<lb/>
in B. Sie war, als ich &#x017F;ie kannte <note place="foot" n="*)">und i&#x017F;t es noch. <hi rendition="#et">A. d. H.</hi></note>, die &#x017F;chön&#x017F;te<lb/>
und reichbegabte&#x017F;te Frau, die ich je ge&#x017F;ehen habe. Das<lb/>
größte Ebenmaaß, das vollkommen&#x017F;te Gleichgewicht<lb/>
herr&#x017F;chte in ihrem Aeußern und Innern, &#x017F;o daß die<lb/>
heterogen&#x017F;ten Dinge ihr gleich wohl an&#x017F;tanden. Ma-<lb/>
je&#x017F;täti&#x017F;ch wie eine Königin, wenn &#x017F;ie reprä&#x017F;entirte,<lb/>
von der leichte&#x017F;ten und anmuthig&#x017F;ten Weltbildung,<lb/>
wenn &#x017F;ie ihren Salon hielt, von der naiv&#x017F;ten, rüh-<lb/>
rend&#x017F;ten Güte und Heiterkeit im vertrauten Familien-<lb/>
krei&#x017F;e &#x2014; in jeder Er&#x017F;cheinung aber noch bedeutender<lb/>
gemacht durch einen nie ganz verwi&#x017F;chten Zug gedan-<lb/>
kenvoller Schwermuth, ver&#x017F;chwi&#x017F;tert mit jener ächt<lb/>
weiblichen Zartheit, die einem Weibe in der Männer<lb/>
Augen den höch&#x017F;ten unwider&#x017F;tehlich&#x017F;ten Reiz verleiht.<lb/>
Ihre Aehnlichkeit mit dem Guido&#x017F;chen Bilde war auf-<lb/>
fallend. Als herrlicher Contra&#x017F;t mit der Hauptfigur<lb/>
dienen in die&#x017F;em Gemälde zwei, ebenfalls &#x017F;ehr hüb-<lb/>
&#x017F;che, Hofdamen im Gefolge der Herodias. Sie &#x017F;ind<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">22*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[339/0385] genehmer Gegenſtand, nämlich ein todter Kopf die Hauptrolle, auf dem einen der des Cyrus, auf dem andern des Johannes, aber die Herodias Guidos iſt wieder eine jener vom Genie eingehauchten poetiſchen himmliſche Schönheit mit der lieblichſten Weiblichkeit und dem tiefſten tragiſchen Ausdruck vereinenden Fi- guren, die einen ſo unauslöſchlichen Eindruck zurück- laſſen und in der Wirklichkeit nur höchſt ſelten ange- troffen werden. Es giebt eine Dame Deiner Bekannt- ſchaft, welche dieſem Ideal entſpricht, die Gräfin A. in B. Sie war, als ich ſie kannte *), die ſchönſte und reichbegabteſte Frau, die ich je geſehen habe. Das größte Ebenmaaß, das vollkommenſte Gleichgewicht herrſchte in ihrem Aeußern und Innern, ſo daß die heterogenſten Dinge ihr gleich wohl anſtanden. Ma- jeſtätiſch wie eine Königin, wenn ſie repräſentirte, von der leichteſten und anmuthigſten Weltbildung, wenn ſie ihren Salon hielt, von der naivſten, rüh- rendſten Güte und Heiterkeit im vertrauten Familien- kreiſe — in jeder Erſcheinung aber noch bedeutender gemacht durch einen nie ganz verwiſchten Zug gedan- kenvoller Schwermuth, verſchwiſtert mit jener ächt weiblichen Zartheit, die einem Weibe in der Männer Augen den höchſten unwiderſtehlichſten Reiz verleiht. Ihre Aehnlichkeit mit dem Guidoſchen Bilde war auf- fallend. Als herrlicher Contraſt mit der Hauptfigur dienen in dieſem Gemälde zwei, ebenfalls ſehr hüb- ſche, Hofdamen im Gefolge der Herodias. Sie ſind *) und iſt es noch. A. d. H. 22*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/385
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/385>, abgerufen am 26.12.2024.