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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Gebers Gesundheit zu trinken. Darauf gieng er ganz
vergnügt weiter, war aber noch nicht am Ende der
langen Brücke angekommen, als ihm aufs Herz fiel,
daß diese Gabe vielleicht noch schlimmere Folgen ha-
ben könnte, als das frühere Aufwecken, indem sie
leicht den armen Mann zu der Sünde verleiten könn-
te, sich zu betrinken. Aengstlich eilte er daher sogleich
wieder zurück, fand den Mann glücklich noch an der-
selben Stelle, wo er sich wieder in die vorige Lage
zurecht gelegt hatte, und bat ihn verlegen: von dem
ihm geschenkten Gelde doch so viel wieder herauszu-
geben, als er nicht nothwendig zu seinen dringendsten
Bedürfnissen gebrauche. Da nun der Zorn des sich
gefoppt glaubenden Mannes ärger als je aufloderte,
so ergriff er einen andern Ausweg. Hier mein Freund,
sagte er, da Ihr nichts herausgeben wollt, so nehmt
noch diesen Scudo, und versprecht mir heilig, daß
wenn Ihr das andere Geld vertrinken solltet, Ihr
für diesen Scudo dazu essen wollt.

Nach diesem ihm von Seiten des Fachino gern er-
theilten Versprechens, war Passaroni endlich in sei-
nem Gewissen beruhigt, und gieng nun wohlgemuth
zu Hause.

Wir müssen also, ich wiederhole es, um weder un-
glücklich, noch lächerlich zu werden, noch einem schwan-
kenden Rohre zu gleichen, auch das Gewissen wie alle
anderen Eigenschaften der Seele, ausbilden, d. h.
in ihrer Reinheit bewahren und zugleich in feste
Schranken zurückweisen, denn Alles, selbst das Edelste

Gebers Geſundheit zu trinken. Darauf gieng er ganz
vergnügt weiter, war aber noch nicht am Ende der
langen Brücke angekommen, als ihm aufs Herz fiel,
daß dieſe Gabe vielleicht noch ſchlimmere Folgen ha-
ben könnte, als das frühere Aufwecken, indem ſie
leicht den armen Mann zu der Sünde verleiten könn-
te, ſich zu betrinken. Aengſtlich eilte er daher ſogleich
wieder zurück, fand den Mann glücklich noch an der-
ſelben Stelle, wo er ſich wieder in die vorige Lage
zurecht gelegt hatte, und bat ihn verlegen: von dem
ihm geſchenkten Gelde doch ſo viel wieder herauszu-
geben, als er nicht nothwendig zu ſeinen dringendſten
Bedürfniſſen gebrauche. Da nun der Zorn des ſich
gefoppt glaubenden Mannes ärger als je aufloderte,
ſo ergriff er einen andern Ausweg. Hier mein Freund,
ſagte er, da Ihr nichts herausgeben wollt, ſo nehmt
noch dieſen Scudo, und verſprecht mir heilig, daß
wenn Ihr das andere Geld vertrinken ſolltet, Ihr
für dieſen Scudo dazu eſſen wollt.

Nach dieſem ihm von Seiten des Fachino gern er-
theilten Verſprechens, war Paſſaroni endlich in ſei-
nem Gewiſſen beruhigt, und gieng nun wohlgemuth
zu Hauſe.

Wir müſſen alſo, ich wiederhole es, um weder un-
glücklich, noch lächerlich zu werden, noch einem ſchwan-
kenden Rohre zu gleichen, auch das Gewiſſen wie alle
anderen Eigenſchaften der Seele, ausbilden, d. h.
in ihrer Reinheit bewahren und zugleich in feſte
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[329/0375] Gebers Geſundheit zu trinken. Darauf gieng er ganz vergnügt weiter, war aber noch nicht am Ende der langen Brücke angekommen, als ihm aufs Herz fiel, daß dieſe Gabe vielleicht noch ſchlimmere Folgen ha- ben könnte, als das frühere Aufwecken, indem ſie leicht den armen Mann zu der Sünde verleiten könn- te, ſich zu betrinken. Aengſtlich eilte er daher ſogleich wieder zurück, fand den Mann glücklich noch an der- ſelben Stelle, wo er ſich wieder in die vorige Lage zurecht gelegt hatte, und bat ihn verlegen: von dem ihm geſchenkten Gelde doch ſo viel wieder herauszu- geben, als er nicht nothwendig zu ſeinen dringendſten Bedürfniſſen gebrauche. Da nun der Zorn des ſich gefoppt glaubenden Mannes ärger als je aufloderte, ſo ergriff er einen andern Ausweg. Hier mein Freund, ſagte er, da Ihr nichts herausgeben wollt, ſo nehmt noch dieſen Scudo, und verſprecht mir heilig, daß wenn Ihr das andere Geld vertrinken ſolltet, Ihr für dieſen Scudo dazu eſſen wollt. Nach dieſem ihm von Seiten des Fachino gern er- theilten Verſprechens, war Paſſaroni endlich in ſei- nem Gewiſſen beruhigt, und gieng nun wohlgemuth zu Hauſe. Wir müſſen alſo, ich wiederhole es, um weder un- glücklich, noch lächerlich zu werden, noch einem ſchwan- kenden Rohre zu gleichen, auch das Gewiſſen wie alle anderen Eigenſchaften der Seele, ausbilden, d. h. in ihrer Reinheit bewahren und zugleich in feſte Schranken zurückweiſen, denn Alles, ſelbſt das Edelſte

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/375>, abgerufen am 22.11.2024.