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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Musikapparat auch eine große Orgel. Ein anderer
Saal, eigentlich die Halle, auf der entgegengesetzten
Seite des Schlosses nach dem Parke zu gelegen, wo
die Anfahrt für die Wagen ist, bietet eine Aussicht
dar, deren Wirkung ich höchst eigenthümlich fand.
Man sieht nämlich eine große freie Rasenfläche vor
sich, auf beiden Seiten mit Eichenwald eingefaßt, im
Mittel- und Hintergrund einige Wiesen und Wald
durcheinander abwechselnd. Auf der Mitte der Ra-
senfläche, ohngefähr 60 -- 70 Schritte vom Schloß,
steht ganz frei eine schneeweiße colossale Reiterstatue,
vortrefflich ausgeführt, auf einem hohen Piedestal,
so daß der Reiter gerade auf den Waldesspitzen hin-
ter ihm zu ruhen scheint. Kein Gebäude oder ande-
rer Gegenstand (nichts wie Bäume, Gras und Him-
mel) ist sichtbar, und die Gegend so völlig unbelebt,
daß das weiße Geisterbild die ganze Aufmerksamkeit
allein auf sich ziehen muß. Keine schönere Dekoration
zum Don Juan läßt sich denken. Dazu kam noch,
daß der Himmel gerade heute durch ein glückliches
Ohngefähr, auf dieser Seite des Schlosses mit einem
Schneesturme drohend, ganz schwarz überzogen war,
wogegen die blendend weiße Statue fast grausend
abstach. Sie schien in dem Augenblick lebend, und
jede Muskel trat im grellen Lichte hervor.

Unter den Gemälden befindet sich ein Schatz, der
unseren deutschen Reisenden gar nicht bekannt gewor-
den zu seyn scheint, wenigstens habe ich nirgends
davon etwas gelesen -- ein ächtes, noch während

Muſikapparat auch eine große Orgel. Ein anderer
Saal, eigentlich die Halle, auf der entgegengeſetzten
Seite des Schloſſes nach dem Parke zu gelegen, wo
die Anfahrt für die Wagen iſt, bietet eine Ausſicht
dar, deren Wirkung ich höchſt eigenthümlich fand.
Man ſieht nämlich eine große freie Raſenfläche vor
ſich, auf beiden Seiten mit Eichenwald eingefaßt, im
Mittel- und Hintergrund einige Wieſen und Wald
durcheinander abwechſelnd. Auf der Mitte der Ra-
ſenfläche, ohngefähr 60 — 70 Schritte vom Schloß,
ſteht ganz frei eine ſchneeweiße coloſſale Reiterſtatue,
vortrefflich ausgeführt, auf einem hohen Piedeſtal,
ſo daß der Reiter gerade auf den Waldesſpitzen hin-
ter ihm zu ruhen ſcheint. Kein Gebäude oder ande-
rer Gegenſtand (nichts wie Bäume, Gras und Him-
mel) iſt ſichtbar, und die Gegend ſo völlig unbelebt,
daß das weiße Geiſterbild die ganze Aufmerkſamkeit
allein auf ſich ziehen muß. Keine ſchönere Dekoration
zum Don Juan läßt ſich denken. Dazu kam noch,
daß der Himmel gerade heute durch ein glückliches
Ohngefähr, auf dieſer Seite des Schloſſes mit einem
Schneeſturme drohend, ganz ſchwarz überzogen war,
wogegen die blendend weiße Statue faſt grauſend
abſtach. Sie ſchien in dem Augenblick lebend, und
jede Muskel trat im grellen Lichte hervor.

Unter den Gemälden befindet ſich ein Schatz, der
unſeren deutſchen Reiſenden gar nicht bekannt gewor-
den zu ſeyn ſcheint, wenigſtens habe ich nirgends
davon etwas geleſen — ein ächtes, noch während

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[298/0344] Muſikapparat auch eine große Orgel. Ein anderer Saal, eigentlich die Halle, auf der entgegengeſetzten Seite des Schloſſes nach dem Parke zu gelegen, wo die Anfahrt für die Wagen iſt, bietet eine Ausſicht dar, deren Wirkung ich höchſt eigenthümlich fand. Man ſieht nämlich eine große freie Raſenfläche vor ſich, auf beiden Seiten mit Eichenwald eingefaßt, im Mittel- und Hintergrund einige Wieſen und Wald durcheinander abwechſelnd. Auf der Mitte der Ra- ſenfläche, ohngefähr 60 — 70 Schritte vom Schloß, ſteht ganz frei eine ſchneeweiße coloſſale Reiterſtatue, vortrefflich ausgeführt, auf einem hohen Piedeſtal, ſo daß der Reiter gerade auf den Waldesſpitzen hin- ter ihm zu ruhen ſcheint. Kein Gebäude oder ande- rer Gegenſtand (nichts wie Bäume, Gras und Him- mel) iſt ſichtbar, und die Gegend ſo völlig unbelebt, daß das weiße Geiſterbild die ganze Aufmerkſamkeit allein auf ſich ziehen muß. Keine ſchönere Dekoration zum Don Juan läßt ſich denken. Dazu kam noch, daß der Himmel gerade heute durch ein glückliches Ohngefähr, auf dieſer Seite des Schloſſes mit einem Schneeſturme drohend, ganz ſchwarz überzogen war, wogegen die blendend weiße Statue faſt grauſend abſtach. Sie ſchien in dem Augenblick lebend, und jede Muskel trat im grellen Lichte hervor. Unter den Gemälden befindet ſich ein Schatz, der unſeren deutſchen Reiſenden gar nicht bekannt gewor- den zu ſeyn ſcheint, wenigſtens habe ich nirgends davon etwas geleſen — ein ächtes, noch während

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/344>, abgerufen am 02.09.2024.