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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Das Wetter war uns im neuen Jahre noch un-
günstiger als im vorigen. Es regnete den ganzen
Tag. Wir eilten, sobald ich ein wenig Toilette ge-
macht hatte, die Wunderdinge von Eaton hall zu se-
hen, von denen ich jedoch keine zu große Erwartung
begte. Ich fand auch, selbst meine mäßigen Hoffnun-
gen kaum erfüllt, denn der Park und die Gärten wa-
ren, meinem Geschmack nach, von allen bisher be-
schriebenen dieser Categorie am unbedeutendsten, ob-
gleich von sehr großem Umfang, und das Haus er-
weckte ganz dieselben Empfindungen wie Ashridge in
mir, nur mit dem Unterschiede, daß es noch überlad-
ner, und auch innerlich weit weniger schön, obwohl
ungleich theurer meublirt war. Man fand alle mög-
liche Pracht und Ostentation, die ein Mann nur an-
wenden kann, der jährlich eine Million unsres Geldes
Revenüen, aber Geschmack vielleicht nicht in demselben
Verhältniß besitzt. Ich bemerkte in diesem Chaos von
neugothischem Geschnörkel, schlecht gemalten, moder-
nen Glasfenstern, und unförmlichen Tischen und Stüh-
len, welche höchst unpassend architektonische Verzierun-
gen nachahmten, auch nicht eine Sache, die mir des
Aufzeichnens werth geschienen hatte, und es ist mir
völlig unbegreiflich, wie Herr Laine, dessen Verdienste
um die Verschönerung seines Vaterlandes man alle
Gerechtigkeit wiederfahren lassen muß, in den Anna-
len des Berliner Gartenvereins, diesem Park vor al-
len, die er gesehen, den Vorzug geben kann, worüber
sich die englischen Kritiker auch etwas lustig gemacht
haben. Herr Laine ahmte vor dem neuen Palais in

Das Wetter war uns im neuen Jahre noch un-
günſtiger als im vorigen. Es regnete den ganzen
Tag. Wir eilten, ſobald ich ein wenig Toilette ge-
macht hatte, die Wunderdinge von Eaton hall zu ſe-
hen, von denen ich jedoch keine zu große Erwartung
begte. Ich fand auch, ſelbſt meine mäßigen Hoffnun-
gen kaum erfüllt, denn der Park und die Gärten wa-
ren, meinem Geſchmack nach, von allen bisher be-
ſchriebenen dieſer Categorie am unbedeutendſten, ob-
gleich von ſehr großem Umfang, und das Haus er-
weckte ganz dieſelben Empfindungen wie Ashridge in
mir, nur mit dem Unterſchiede, daß es noch überlad-
ner, und auch innerlich weit weniger ſchön, obwohl
ungleich theurer meublirt war. Man fand alle mög-
liche Pracht und Oſtentation, die ein Mann nur an-
wenden kann, der jährlich eine Million unſres Geldes
Revenüen, aber Geſchmack vielleicht nicht in demſelben
Verhältniß beſitzt. Ich bemerkte in dieſem Chaos von
neugothiſchem Geſchnörkel, ſchlecht gemalten, moder-
nen Glasfenſtern, und unförmlichen Tiſchen und Stüh-
len, welche höchſt unpaſſend architektoniſche Verzierun-
gen nachahmten, auch nicht eine Sache, die mir des
Aufzeichnens werth geſchienen hatte, und es iſt mir
völlig unbegreiflich, wie Herr Lainé, deſſen Verdienſte
um die Verſchönerung ſeines Vaterlandes man alle
Gerechtigkeit wiederfahren laſſen muß, in den Anna-
len des Berliner Gartenvereins, dieſem Park vor al-
len, die er geſehen, den Vorzug geben kann, worüber
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haben. Herr Lainé ahmte vor dem neuen Palais in

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[252/0298] Das Wetter war uns im neuen Jahre noch un- günſtiger als im vorigen. Es regnete den ganzen Tag. Wir eilten, ſobald ich ein wenig Toilette ge- macht hatte, die Wunderdinge von Eaton hall zu ſe- hen, von denen ich jedoch keine zu große Erwartung begte. Ich fand auch, ſelbſt meine mäßigen Hoffnun- gen kaum erfüllt, denn der Park und die Gärten wa- ren, meinem Geſchmack nach, von allen bisher be- ſchriebenen dieſer Categorie am unbedeutendſten, ob- gleich von ſehr großem Umfang, und das Haus er- weckte ganz dieſelben Empfindungen wie Ashridge in mir, nur mit dem Unterſchiede, daß es noch überlad- ner, und auch innerlich weit weniger ſchön, obwohl ungleich theurer meublirt war. Man fand alle mög- liche Pracht und Oſtentation, die ein Mann nur an- wenden kann, der jährlich eine Million unſres Geldes Revenüen, aber Geſchmack vielleicht nicht in demſelben Verhältniß beſitzt. Ich bemerkte in dieſem Chaos von neugothiſchem Geſchnörkel, ſchlecht gemalten, moder- nen Glasfenſtern, und unförmlichen Tiſchen und Stüh- len, welche höchſt unpaſſend architektoniſche Verzierun- gen nachahmten, auch nicht eine Sache, die mir des Aufzeichnens werth geſchienen hatte, und es iſt mir völlig unbegreiflich, wie Herr Lainé, deſſen Verdienſte um die Verſchönerung ſeines Vaterlandes man alle Gerechtigkeit wiederfahren laſſen muß, in den Anna- len des Berliner Gartenvereins, dieſem Park vor al- len, die er geſehen, den Vorzug geben kann, worüber ſich die engliſchen Kritiker auch etwas luſtig gemacht haben. Herr Lainé ahmte vor dem neuen Palais in

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/298>, abgerufen am 23.11.2024.