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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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bloße Luft verbissen. So haben sich denn,
lieber Todter, auf die glücklichste Weise für
Dich, Licht und Schatten aus den verschie-
densten Regionen vereinigt, um ....

Mon cher, unterbrach mich hier There-
sel, und ergriff verdrießlich meinen Arm, ver-
giß nicht que tous les genres sont bons
hors le genre ennuyeux,
der einzige Um-
stand, in welchem ich mit meiner Freundin
von Prevorst nicht harmonire. Es ist ge-
nug für dießmal; Ihr müßt uns jetzt Alle
verlassen, denn die Zeit naht heran, wo der
Geist vom Rosse steigen wird, um die Nacht
bis zum Hahnenschrei mit mir zuzubringen.
Ihr wißt, wie die unmittelbare Atmosphäre
der Erwählten seine Seligkeit um Jahrhun-
derte beschleunigen kann, und es liegt mir
ob, dieß Werk christlicher Liebe keinen Au-
genblick länger zu verschieben, so entsetzlich
ich auch dadurch geschwächt werde -- aber
was ist mein elender Körper gegen eine so
hohe Bestimmung, gegen eine so heilbrin-
gende Einwirkung auf das Geisterreich!

Ehrfurchtsvoll traten wir Lebende zurück.
Mein Freund lächelte, fast so sarkastisch, als
sey er noch ein schwarzer Geist, sagte, indem
er seine Hand küssend mir zuwinkte: "A re-
voir mon ami"
und verschwand, eben als

bloße Luft verbiſſen. So haben ſich denn,
lieber Todter, auf die gluͤcklichſte Weiſe fuͤr
Dich, Licht und Schatten aus den verſchie-
denſten Regionen vereinigt, um ....

Mon cher, unterbrach mich hier There-
ſel, und ergriff verdrießlich meinen Arm, ver-
giß nicht que tous les genres sont bons
hors le genre ennuyeux,
der einzige Um-
ſtand, in welchem ich mit meiner Freundin
von Prevorſt nicht harmonire. Es iſt ge-
nug fuͤr dießmal; Ihr muͤßt uns jetzt Alle
verlaſſen, denn die Zeit naht heran, wo der
Geiſt vom Roſſe ſteigen wird, um die Nacht
bis zum Hahnenſchrei mit mir zuzubringen.
Ihr wißt, wie die unmittelbare Atmosphaͤre
der Erwaͤhlten ſeine Seligkeit um Jahrhun-
derte beſchleunigen kann, und es liegt mir
ob, dieß Werk chriſtlicher Liebe keinen Au-
genblick laͤnger zu verſchieben, ſo entſetzlich
ich auch dadurch geſchwaͤcht werde — aber
was iſt mein elender Koͤrper gegen eine ſo
hohe Beſtimmung, gegen eine ſo heilbrin-
gende Einwirkung auf das Geiſterreich!

Ehrfurchtsvoll traten wir Lebende zuruͤck.
Mein Freund laͤchelte, faſt ſo ſarkaſtiſch, als
ſey er noch ein ſchwarzer Geiſt, ſagte, indem
er ſeine Hand kuͤſſend mir zuwinkte: „A re-
voir mon ami“
und verſchwand, eben als

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[XIX/0027] bloße Luft verbiſſen. So haben ſich denn, lieber Todter, auf die gluͤcklichſte Weiſe fuͤr Dich, Licht und Schatten aus den verſchie- denſten Regionen vereinigt, um .... Mon cher, unterbrach mich hier There- ſel, und ergriff verdrießlich meinen Arm, ver- giß nicht que tous les genres sont bons hors le genre ennuyeux, der einzige Um- ſtand, in welchem ich mit meiner Freundin von Prevorſt nicht harmonire. Es iſt ge- nug fuͤr dießmal; Ihr muͤßt uns jetzt Alle verlaſſen, denn die Zeit naht heran, wo der Geiſt vom Roſſe ſteigen wird, um die Nacht bis zum Hahnenſchrei mit mir zuzubringen. Ihr wißt, wie die unmittelbare Atmosphaͤre der Erwaͤhlten ſeine Seligkeit um Jahrhun- derte beſchleunigen kann, und es liegt mir ob, dieß Werk chriſtlicher Liebe keinen Au- genblick laͤnger zu verſchieben, ſo entſetzlich ich auch dadurch geſchwaͤcht werde — aber was iſt mein elender Koͤrper gegen eine ſo hohe Beſtimmung, gegen eine ſo heilbrin- gende Einwirkung auf das Geiſterreich! Ehrfurchtsvoll traten wir Lebende zuruͤck. Mein Freund laͤchelte, faſt ſo ſarkaſtiſch, als ſey er noch ein ſchwarzer Geiſt, ſagte, indem er ſeine Hand kuͤſſend mir zuwinkte: „A re- voir mon ami“ und verſchwand, eben als

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. XIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/27>, abgerufen am 25.11.2024.