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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Der Beifall war tobend, und das Gelächter hörte
nicht auf. Die Hauptpersonen, welche in mehreren
Verwickelungen auftraten, waren ein alter Englän-
der, der Alles im Auslande tadelt und zu Hause bes-
ser findet; eine Dame aus der Provinz, die, um
französisch zu lernen, nie anders als mit dem Dic-
tionnaire in der Hand auf die Straße geht, die Vor-
beigehenden mit ihren fortwährenden Fragen belästigt,
und jede Gelegenheit benutzt, andern Engländern
mit ihrer Kenntniß auszuhelfen, dabei aber immer,
wie man sich vorstellen kann, das Verkehrteste und
Burleskeste, oft Aequivokste, zur Welt bringt; ferner
einem Dandy aus der City, der le grand air affek-
tiren will, und seinem Gegensatze, einem dicken Far-
mer aus Yorkshire, der ohngefähr die Rolle des
Pachter Feldkümmel spielt. Das Belustigendste für
mich war eine englische Vorlesung Spurzheims über
Cranologie. Die sprechende Aehnlichkeit der in Eng-
land wohlbekannten Person, aller ihrer Manieren
und des deutschen Accents, war so vollkommen, daß
das Theater unaufhörlich vor Lachen erbebte. Weni-
ger befriedigten mich andere Nachahmungen, unter
andern Talma's, der für einen bloßen Possenreißer,
ohngeachtet alles Talents dieses Letzteren, doch zu
hoch steht. Ueberdem ist der Tod des großen Tragi-
kers noch zu neu, und der Schmerz über seinen un-
ersetzlichen Verlust bei jedem Freunde der Kunst zu
groß, um sich von einer solchen Parodie jetzt ange-
sprochen fühlen zu können.

Der Beifall war tobend, und das Gelächter hörte
nicht auf. Die Hauptperſonen, welche in mehreren
Verwickelungen auftraten, waren ein alter Englän-
der, der Alles im Auslande tadelt und zu Hauſe beſ-
ſer findet; eine Dame aus der Provinz, die, um
franzöſiſch zu lernen, nie anders als mit dem Dic-
tionnaire in der Hand auf die Straße geht, die Vor-
beigehenden mit ihren fortwährenden Fragen beläſtigt,
und jede Gelegenheit benutzt, andern Engländern
mit ihrer Kenntniß auszuhelfen, dabei aber immer,
wie man ſich vorſtellen kann, das Verkehrteſte und
Burleskeſte, oft Aequivokſte, zur Welt bringt; ferner
einem Dandy aus der City, der le grand air affek-
tiren will, und ſeinem Gegenſatze, einem dicken Far-
mer aus Yorkshire, der ohngefähr die Rolle des
Pachter Feldkümmel ſpielt. Das Beluſtigendſte für
mich war eine engliſche Vorleſung Spurzheims über
Cranologie. Die ſprechende Aehnlichkeit der in Eng-
land wohlbekannten Perſon, aller ihrer Manieren
und des deutſchen Accents, war ſo vollkommen, daß
das Theater unaufhörlich vor Lachen erbebte. Weni-
ger befriedigten mich andere Nachahmungen, unter
andern Talma’s, der für einen bloßen Poſſenreißer,
ohngeachtet alles Talents dieſes Letzteren, doch zu
hoch ſteht. Ueberdem iſt der Tod des großen Tragi-
kers noch zu neu, und der Schmerz über ſeinen un-
erſetzlichen Verluſt bei jedem Freunde der Kunſt zu
groß, um ſich von einer ſolchen Parodie jetzt ange-
ſprochen fühlen zu können.

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[180/0224] Der Beifall war tobend, und das Gelächter hörte nicht auf. Die Hauptperſonen, welche in mehreren Verwickelungen auftraten, waren ein alter Englän- der, der Alles im Auslande tadelt und zu Hauſe beſ- ſer findet; eine Dame aus der Provinz, die, um franzöſiſch zu lernen, nie anders als mit dem Dic- tionnaire in der Hand auf die Straße geht, die Vor- beigehenden mit ihren fortwährenden Fragen beläſtigt, und jede Gelegenheit benutzt, andern Engländern mit ihrer Kenntniß auszuhelfen, dabei aber immer, wie man ſich vorſtellen kann, das Verkehrteſte und Burleskeſte, oft Aequivokſte, zur Welt bringt; ferner einem Dandy aus der City, der le grand air affek- tiren will, und ſeinem Gegenſatze, einem dicken Far- mer aus Yorkshire, der ohngefähr die Rolle des Pachter Feldkümmel ſpielt. Das Beluſtigendſte für mich war eine engliſche Vorleſung Spurzheims über Cranologie. Die ſprechende Aehnlichkeit der in Eng- land wohlbekannten Perſon, aller ihrer Manieren und des deutſchen Accents, war ſo vollkommen, daß das Theater unaufhörlich vor Lachen erbebte. Weni- ger befriedigten mich andere Nachahmungen, unter andern Talma’s, der für einen bloßen Poſſenreißer, ohngeachtet alles Talents dieſes Letzteren, doch zu hoch ſteht. Ueberdem iſt der Tod des großen Tragi- kers noch zu neu, und der Schmerz über ſeinen un- erſetzlichen Verluſt bei jedem Freunde der Kunſt zu groß, um ſich von einer ſolchen Parodie jetzt ange- ſprochen fühlen zu können.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/224>, abgerufen am 24.11.2024.