Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

herrscht, wie bereits erwähnt, in diesem freien Lande
mit eisernem Scepter, und verzweigt sich durch alle
Stände, weit mehr, als man auf dem Continent
einen Begriff davon hat.

Doch, ohne mich jetzt noch in allgemeine Bemer-
kungen zu früh einzulassen, will ich Dir kürzlich [ - 5 Zeichen fehlen]
Lebensart hier in London beschreiben.

Ich stehe spät auf, lese, als halb nationalen [ - 3 Zeichen fehlen]
Engländer, beim Frühstück drei bis vier Zeitungen,
sehe nachher in meinem Visitingbook nach, welche
Besuche ich zu machen habe, und fahre diese dann
entweder in meinem Cabriolet, oder reite sie ab,
wobei, selbst in der Stadt, zuweilen Pittoreskes mit
unterläuft, und namentlich die mit den Winternebeln
kämpfende blutrothe Sonne oft eine eigenthümlich
kühne und seltsame Beleuchtung hervorbringt. Sind
die Besuche abgethan, so reite ich mehrere Stunden
in der herrlichen Umgegend Londons spazieren, treffe
mit der Dämmerung wieder ein, arbeite ein wenig,
mache dann meine Toilette für das Dine, welches
um 7 oder 8 Uhr statt findet, und bringe den Rest
des Abends entweder im Theater oder in einer gebe-
tenen kleinen Gesellschaft zu. Die lächerlichen Routs,
wo man kaum einen Platz auf der Treppe findet,
den ganzen Abend stößt oder gestoßen wird, und sich
stets in Treibhaustemperaturen befindet -- haben noch
nicht begonnen. Man kann aber in England, ausser
in wenigen der diplomatischen Häuser, Abends sich
nur da einfinden, wo man besonders eingeladen ist.

herrſcht, wie bereits erwähnt, in dieſem freien Lande
mit eiſernem Scepter, und verzweigt ſich durch alle
Stände, weit mehr, als man auf dem Continent
einen Begriff davon hat.

Doch, ohne mich jetzt noch in allgemeine Bemer-
kungen zu früh einzulaſſen, will ich Dir kürzlich [ – 5 Zeichen fehlen]
Lebensart hier in London beſchreiben.

Ich ſtehe ſpät auf, leſe, als halb nationalen [ – 3 Zeichen fehlen]
Engländer, beim Frühſtück drei bis vier Zeitungen,
ſehe nachher in meinem Viſitingbook nach, welche
Beſuche ich zu machen habe, und fahre dieſe dann
entweder in meinem Cabriolet, oder reite ſie ab,
wobei, ſelbſt in der Stadt, zuweilen Pittoreskes mit
unterläuft, und namentlich die mit den Winternebeln
kämpfende blutrothe Sonne oft eine eigenthümlich
kühne und ſeltſame Beleuchtung hervorbringt. Sind
die Beſuche abgethan, ſo reite ich mehrere Stunden
in der herrlichen Umgegend Londons ſpazieren, treffe
mit der Dämmerung wieder ein, arbeite ein wenig,
mache dann meine Toilette für das Diné, welches
um 7 oder 8 Uhr ſtatt findet, und bringe den Reſt
des Abends entweder im Theater oder in einer gebe-
tenen kleinen Geſellſchaft zu. Die lächerlichen Routs,
wo man kaum einen Platz auf der Treppe findet,
den ganzen Abend ſtößt oder geſtoßen wird, und ſich
ſtets in Treibhaustemperaturen befindet — haben noch
nicht begonnen. Man kann aber in England, auſſer
in wenigen der diplomatiſchen Häuſer, Abends ſich
nur da einfinden, wo man beſonders eingeladen iſt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0212" n="168"/>
herr&#x017F;cht, wie bereits erwähnt, in die&#x017F;em freien Lande<lb/>
mit ei&#x017F;ernem Scepter, und verzweigt &#x017F;ich durch alle<lb/>
Stände, weit mehr, als man auf dem Continent<lb/>
einen Begriff davon hat.</p><lb/>
          <p>Doch, ohne mich jetzt noch in allgemeine Bemer-<lb/>
kungen zu früh einzula&#x017F;&#x017F;en, will ich Dir kürzlich <gap unit="chars" quantity="5"/><lb/>
Lebensart hier in London be&#x017F;chreiben.</p><lb/>
          <p>Ich &#x017F;tehe &#x017F;pät auf, le&#x017F;e, als halb nationalen <gap unit="chars" quantity="3"/><lb/>
Engländer, beim Früh&#x017F;tück drei bis vier Zeitungen,<lb/>
&#x017F;ehe nachher in meinem Vi&#x017F;itingbook nach, welche<lb/>
Be&#x017F;uche ich zu machen habe, und <hi rendition="#g">fahre</hi> die&#x017F;e dann<lb/>
entweder in meinem Cabriolet, oder <hi rendition="#g">reite</hi> &#x017F;ie ab,<lb/>
wobei, &#x017F;elb&#x017F;t in der Stadt, zuweilen Pittoreskes mit<lb/>
unterläuft, und namentlich die mit den Winternebeln<lb/>
kämpfende blutrothe Sonne oft eine eigenthümlich<lb/>
kühne und &#x017F;elt&#x017F;ame Beleuchtung hervorbringt. Sind<lb/>
die Be&#x017F;uche abgethan, &#x017F;o reite ich mehrere Stunden<lb/>
in der herrlichen Umgegend Londons &#x017F;pazieren, treffe<lb/>
mit der Dämmerung wieder ein, arbeite ein wenig,<lb/>
mache dann meine Toilette für das Din<hi rendition="#aq">é,</hi> welches<lb/>
um 7 oder 8 Uhr &#x017F;tatt findet, und bringe den Re&#x017F;t<lb/>
des Abends entweder im Theater oder in einer gebe-<lb/>
tenen kleinen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zu. Die lächerlichen Routs,<lb/>
wo man kaum einen Platz auf der Treppe findet,<lb/>
den ganzen Abend &#x017F;tößt oder ge&#x017F;toßen wird, und &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;tets in Treibhaustemperaturen befindet &#x2014; haben noch<lb/>
nicht begonnen. Man kann aber in England, au&#x017F;&#x017F;er<lb/>
in wenigen der diplomati&#x017F;chen Häu&#x017F;er, Abends &#x017F;ich<lb/>
nur da einfinden, wo man be&#x017F;onders eingeladen i&#x017F;t.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0212] herrſcht, wie bereits erwähnt, in dieſem freien Lande mit eiſernem Scepter, und verzweigt ſich durch alle Stände, weit mehr, als man auf dem Continent einen Begriff davon hat. Doch, ohne mich jetzt noch in allgemeine Bemer- kungen zu früh einzulaſſen, will ich Dir kürzlich _____ Lebensart hier in London beſchreiben. Ich ſtehe ſpät auf, leſe, als halb nationalen ___ Engländer, beim Frühſtück drei bis vier Zeitungen, ſehe nachher in meinem Viſitingbook nach, welche Beſuche ich zu machen habe, und fahre dieſe dann entweder in meinem Cabriolet, oder reite ſie ab, wobei, ſelbſt in der Stadt, zuweilen Pittoreskes mit unterläuft, und namentlich die mit den Winternebeln kämpfende blutrothe Sonne oft eine eigenthümlich kühne und ſeltſame Beleuchtung hervorbringt. Sind die Beſuche abgethan, ſo reite ich mehrere Stunden in der herrlichen Umgegend Londons ſpazieren, treffe mit der Dämmerung wieder ein, arbeite ein wenig, mache dann meine Toilette für das Diné, welches um 7 oder 8 Uhr ſtatt findet, und bringe den Reſt des Abends entweder im Theater oder in einer gebe- tenen kleinen Geſellſchaft zu. Die lächerlichen Routs, wo man kaum einen Platz auf der Treppe findet, den ganzen Abend ſtößt oder geſtoßen wird, und ſich ſtets in Treibhaustemperaturen befindet — haben noch nicht begonnen. Man kann aber in England, auſſer in wenigen der diplomatiſchen Häuſer, Abends ſich nur da einfinden, wo man beſonders eingeladen iſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/212
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/212>, abgerufen am 24.11.2024.