Ein anderer interessanter Mann ist der Chevalier L. M., der früher beim Könige, noch als Prinz von Wales, sehr gut angeschrieben stand, und der Er- wähnung verdient, einmal weil er seine Freunde vor- trefflich und als höchst angenehmer Amphitryon be- wirthet, zweitens weil er einer der originellsten Men- schen, und einer von den wenigen ächt praktischen Philosophen ist, die mir vorgekommen sind.
Alle Vorurtheile der Menge scheinen für ihn nicht zu existiren, und Niemanden möchte schwerer, weder mit den großen Herren des Himmels, noch der Erde, zu imponiren seyn. Obgleich schon 60 Jahr alt, und den größten Theil der letzten Zeit über den uner- hörtesten Schmerzen ausgesetzt, mit welchen Gicht und Stein einen armen Sterblichen plagen können, hört doch Niemand je eine Klage von ihm, noch kann seine stets heitere, ja lustige Laune einen Augenblick davon getrübt werden. Man muß gestehen, es giebt natürliche Gemüths-Dispositionen und Temperamente, die 100,000 Thaler Revenüen werth sind.
Als ich ihn vor einiger Zeit kennen lernte, hatte man ihm erst kürzlich die große Operation des Stein-
den die Untersuchung dieser Kisten anzuvertrauen, der bei den ihm bekannten, sehr beschränkten Vermögensumständen des Besitzers, nicht wenig verwundert war, in denselben noch wohlverpackt die damals dem englischen Gesandten ge- machten Geschenke, mit Juwelen von Werth besetzt, vorzu- finden.
Briefe eines Verstorbenen III. 11
Ein anderer intereſſanter Mann iſt der Chevalier L. M., der früher beim Könige, noch als Prinz von Wales, ſehr gut angeſchrieben ſtand, und der Er- wähnung verdient, einmal weil er ſeine Freunde vor- trefflich und als höchſt angenehmer Amphitryon be- wirthet, zweitens weil er einer der originellſten Men- ſchen, und einer von den wenigen ächt praktiſchen Philoſophen iſt, die mir vorgekommen ſind.
Alle Vorurtheile der Menge ſcheinen für ihn nicht zu exiſtiren, und Niemanden möchte ſchwerer, weder mit den großen Herren des Himmels, noch der Erde, zu imponiren ſeyn. Obgleich ſchon 60 Jahr alt, und den größten Theil der letzten Zeit über den uner- hörteſten Schmerzen ausgeſetzt, mit welchen Gicht und Stein einen armen Sterblichen plagen können, hört doch Niemand je eine Klage von ihm, noch kann ſeine ſtets heitere, ja luſtige Laune einen Augenblick davon getrübt werden. Man muß geſtehen, es giebt natürliche Gemüths-Dispoſitionen und Temperamente, die 100,000 Thaler Revenüen werth ſind.
Als ich ihn vor einiger Zeit kennen lernte, hatte man ihm erſt kürzlich die große Operation des Stein-
den die Unterſuchung dieſer Kiſten anzuvertrauen, der bei den ihm bekannten, ſehr beſchraͤnkten Vermoͤgensumſtaͤnden des Beſitzers, nicht wenig verwundert war, in denſelben noch wohlverpackt die damals dem engliſchen Geſandten ge- machten Geſchenke, mit Juwelen von Werth beſetzt, vorzu- finden.
Briefe eines Verſtorbenen III. 11
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Ein anderer intereſſanter Mann iſt der Chevalier
L. M., der früher beim Könige, noch als Prinz von
Wales, ſehr gut angeſchrieben ſtand, und der Er-
wähnung verdient, einmal weil er ſeine Freunde vor-
trefflich und als höchſt angenehmer Amphitryon be-
wirthet, zweitens weil er einer der originellſten Men-
ſchen, und einer von den wenigen ächt praktiſchen
Philoſophen iſt, die mir vorgekommen ſind.
Alle Vorurtheile der Menge ſcheinen für ihn nicht
zu exiſtiren, und Niemanden möchte ſchwerer, weder
mit den großen Herren des Himmels, noch der Erde,
zu imponiren ſeyn. Obgleich ſchon 60 Jahr alt, und
den größten Theil der letzten Zeit über den uner-
hörteſten Schmerzen ausgeſetzt, mit welchen Gicht
und Stein einen armen Sterblichen plagen können,
hört doch Niemand je eine Klage von ihm, noch kann
ſeine ſtets heitere, ja luſtige Laune einen Augenblick
davon getrübt werden. Man muß geſtehen, es giebt
natürliche Gemüths-Dispoſitionen und Temperamente,
die 100,000 Thaler Revenüen werth ſind.
Als ich ihn vor einiger Zeit kennen lernte, hatte
man ihm erſt kürzlich die große Operation des Stein-
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*) den die Unterſuchung dieſer Kiſten anzuvertrauen, der bei
den ihm bekannten, ſehr beſchraͤnkten Vermoͤgensumſtaͤnden
des Beſitzers, nicht wenig verwundert war, in denſelben
noch wohlverpackt die damals dem engliſchen Geſandten ge-
machten Geſchenke, mit Juwelen von Werth beſetzt, vorzu-
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Briefe eines Verſtorbenen III. 11
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/205>, abgerufen am 28.07.2024.
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