Armen, der, etwas ungeschickt, die Amme nachah- men und mit dem Kinde spielen will; dies fängt aber an jämmerlich zu schreien und sich sehr unartig zu gebehrden. Punch sucht es erst zu besänftigen, wird aber bald ungeduldig, schlägt es, und da es nun nur immer ärger schreit, und ihm zuletzt gar etwas in den Händen zurückläßt, wird er wüthend, und wirft es unter Verwünschungen zum Fenster hinaus, direkt auf die Straße, wo es mitten unter den Zu- schauern den Hals bricht. Punch biegt sich weit über die Bühne hinaus, ihm nachzusehen, macht einige Grimassen, schüttelt mit dem Kopf, fängt an zu la- chen, und singt dann tanzend:
Eya popeya, mit dem Kindlein war's aus, Du schmutz'ges Ding, pack dich fort aus dem Haus, Bald mach ich ein andres, das wird mir nicht schwer, Von wo du herkamst, kommen andere noch her.
Indem kehrt Judy zurück und fragt bestürzt nach ihrem Darling: "Das Kind ist schlafen gegangen," erwiedert Punch gelassen, doch nach fortgesetzter In- quisition muß er endlich gestehen, daß es ihm wäh- rend dem Spielen mit ihm von ohngefähr aus dem Fenster gefallen sey. Judy geräth ausser sich, reißt sich die Haare aus, und überhäuft ihren grau- samen Tyrannen mit den schrecklichsten Vorwürfen. Vergebens verspricht er ihr la pace di Marcolfa*)
*) Jeder weiß in Italien, was la pace di Marcolfa bedeutet. Das gute Weib des ehrlichen Bertoldo (in dem alten Ro-
Armen, der, etwas ungeſchickt, die Amme nachah- men und mit dem Kinde ſpielen will; dies fängt aber an jämmerlich zu ſchreien und ſich ſehr unartig zu gebehrden. Punch ſucht es erſt zu beſänftigen, wird aber bald ungeduldig, ſchlägt es, und da es nun nur immer ärger ſchreit, und ihm zuletzt gar etwas in den Händen zurückläßt, wird er wüthend, und wirft es unter Verwünſchungen zum Fenſter hinaus, direkt auf die Straße, wo es mitten unter den Zu- ſchauern den Hals bricht. Punch biegt ſich weit über die Bühne hinaus, ihm nachzuſehen, macht einige Grimaſſen, ſchüttelt mit dem Kopf, fängt an zu la- chen, und ſingt dann tanzend:
Eya popeya, mit dem Kindlein war’s aus, Du ſchmutz’ges Ding, pack dich fort aus dem Haus, Bald mach ich ein andres, das wird mir nicht ſchwer, Von wo du herkamſt, kommen andere noch her.
Indem kehrt Judy zurück und fragt beſtürzt nach ihrem Darling: „Das Kind iſt ſchlafen gegangen,“ erwiedert Punch gelaſſen, doch nach fortgeſetzter In- quiſition muß er endlich geſtehen, daß es ihm wäh- rend dem Spielen mit ihm von ohngefähr aus dem Fenſter gefallen ſey. Judy geräth auſſer ſich, reißt ſich die Haare aus, und überhäuft ihren grau- ſamen Tyrannen mit den ſchrecklichſten Vorwürfen. Vergebens verſpricht er ihr la pace di Marcolfa*)
*) Jeder weiß in Italien, was la pace di Marcolfa bedeutet. Das gute Weib des ehrlichen Bertoldo (in dem alten Ro-
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Armen, der, etwas ungeſchickt, die Amme nachah-
men und mit dem Kinde ſpielen will; dies fängt aber
an jämmerlich zu ſchreien und ſich ſehr unartig zu
gebehrden. Punch ſucht es erſt zu beſänftigen, wird
aber bald ungeduldig, ſchlägt es, und da es nun
nur immer ärger ſchreit, und ihm zuletzt gar etwas
in den Händen zurückläßt, wird er wüthend, und
wirft es unter Verwünſchungen zum Fenſter hinaus,
direkt auf die Straße, wo es mitten unter den Zu-
ſchauern den Hals bricht. Punch biegt ſich weit über
die Bühne hinaus, ihm nachzuſehen, macht einige
Grimaſſen, ſchüttelt mit dem Kopf, fängt an zu la-
chen, und ſingt dann tanzend:
Eya popeya, mit dem Kindlein war’s aus,
Du ſchmutz’ges Ding, pack dich fort aus dem Haus,
Bald mach ich ein andres, das wird mir nicht ſchwer,
Von wo du herkamſt, kommen andere noch her.
Indem kehrt Judy zurück und fragt beſtürzt nach
ihrem Darling: „Das Kind iſt ſchlafen gegangen,“
erwiedert Punch gelaſſen, doch nach fortgeſetzter In-
quiſition muß er endlich geſtehen, daß es ihm wäh-
rend dem Spielen mit ihm von ohngefähr aus
dem Fenſter gefallen ſey. Judy geräth auſſer ſich,
reißt ſich die Haare aus, und überhäuft ihren grau-
ſamen Tyrannen mit den ſchrecklichſten Vorwürfen.
Vergebens verſpricht er ihr la pace di Marcolfa *)
*) Jeder weiß in Italien, was la pace di Marcolfa bedeutet.
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/182>, abgerufen am 24.11.2024.
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